Noch ist es nur eine Absichtserklärung, doch sie löst schon hektische Betriebsamkeit aus. Wie berichtet, will ja die türkis-grüne Regierung den Ländern durch eine Verfassungsänderung erlauben, künftig deutlich höhere Leerstandsabgaben einzuheben. Bisher sind solchen Bestrebungen durch die Kompetenzverteilung in der Verfassung enge Grenzen gesetzt. Die Wiener Grünen traten am Donnerstag vor die Presse, um von der rot-pinken Landesregierung in Wien zu verlangen, dass diese schon mit Vorarbeiten für die Einführung einer solchen Leerstandsabgabe beginnen solle.

Das ist aus zwei Gründen spannend: Zunächst gilt die Erfassung von Leerstand als eines der größten Hindernisse auf dem Weg, eine solche Abgabe überhaupt einzuführen. Die diesbezüglich wichtigen Register in Österreich, das Melde- und Gebäuderegister, werden nicht geführt, um Leerstand zu erfassen, und in vielen Fällen sind die eingetragenen Daten ungenau. Dazu kommt, dass zum Beispiel Parameter wie die jeweilige Wohnungsgröße zum Teil gar nicht bekannt sind. Die meisten Vorschläge für eine Leerstandsabgabe sehen vor, dass sich die Höhe der Leerstandssteuer danach richten soll, wie lange eine Wohnung leer steht und wie groß sie ist. Ohne Daten ist das nicht umsetzbar.

Laut Analyse der Arbeiterkammer ist in Wien die Zahl der zwischen 2018 und 2025 entstehenden Wohnungen um 30.000 höher als die der Haushaltsgründungen. Alles Leerstand?
IMAGO/Rainer Keuenhof

Die Wiener Grünen verlangen, dass sich die Stadtverwaltung Gedanken über eine Umsetzung macht. Eine Möglichkeit wäre, die Meldung von Leerstand für Wohnungseigentümer verpflichtend zu machen. Zudem verlangt die Wiener Oppositionspartei auch die Schaffung einer Agentur, die Eigentümer damit beauftragen soll, ihre leerstehenden Wohnungen an ihrer Stelle zu vermieten. Das würde Wohnraum verfügbar machen, ohne dass Eigentümer die Abgabe überhaupt zahlen müssten, argumentiert der Wohnsprecher der Partei, Georg Prack.

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Für Neos nicht verhandelbar

Der Vorstoß der Ökopartei ist aber auch strategisch gedacht. Die Bundes-SPÖ verlangt schon länger, Leerstandsabgaben einzuheben. In Wien hat man bisher nichts unternommen, weil bisher die rechtliche Grundlage gefehlt hat. Die könnte nun kommen. Doch das macht das Leben der Wiener SPÖ nicht unbedingt einfacher: Die Neos in Wien, die mit der SPÖ die Landesregierung stellen, sind nämlich strikt gegen die Idee: "Eine Leerstandsabgabe bedeutet einen massiven Eingriff in das Eigentumsrecht und ist daher für uns Neos nicht verhandelbar", sagte die Wohnbausprecherin der Pinken in Wien, Selma Arapović, erst vor kurzem. In Wien wird es also auf absehbare Zeit wohl keine solche Abgabe geben – hier orten die Grünen Potenzial, die SPÖ vor sich hertreiben zu können.

Betriebsamkeit löst der Plan der Regierung nicht nur in der Politik, sondern auch unter Ökonominnen und Ökonomen aus. Auch sie diskutieren über Vor- und Nachteile der Idee – und kommen teilweise mit alternativen Vorschlägen.

Eine Leerstandsabgabe habe Potenzial, bringe aber eine Reihe von Problemen mit sich, sagt die österreichische Ökonomin Sofie Waltl, die derzeit an der Universität Cambridge zu Fragen der Wohnpolitik forscht. Da sei einmal die erwähnte schwierige Erfassung von Leerstand. Zugleich stellten sich schwierige Abwägungsfragen, so Waltl. Ein Bespiel: Warum werde jemand mit der Abgabe belegt, der eine 45-Quadratmeter-Wohnung leer stehen lässt, aber jemand, der eine 200-Quadratmeter-Wohnung allein bewohne, solle gar nichts bezahlen. Das sei unter dem Gerechtigkeitsaspekt nicht zu rechtfertigen, so die Ökonomin.

Abgabe für Wohnraum

Ihr Vorschlag: Statt allein auf eine Leerstandsabgabe zu setzen, sollte eine generelle Reform der Besteuerung von Wohnraum erfolgen. Aktuell zahlen Hausbesitzer eine sehr geringe Grundsteuer; auf ein Mehr-Parteien-Wohnhaus umgelegt, geht die Belastung für einzelne Mieter gegen null. Das sollte sich ändern, sagt Waltl. Im Rahmen dieser Abgabenerhebung, wäre es möglich, Leerstand generell höher zu besteuern. Die Einführung einer Wohnraumsteuer, wie es sie etwa in Frankreich schon gibt, würde auch dafür sorgen, dass recht rasch eine ordentliche und umfassende Leerstandserfassung erfolgen würde. Im Gegenzug schlägt Ökonomin Waltl vor, die Steuern auf Arbeit zu senken.

Nicht gleich, aber ähnlich argumentiert auch der Chef des Forschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr. Er schlägt überhaupt gleich – für die kommende Regierung – eine Reform der Bodenbesteuerung in Österreich vor.

Auf einen Blick
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Die Einnahmen aus der Besteuerung von Grund und Boden sind in Österreich im internationalen Vergleich niedrig. Statt der niedrigen Grundsteuern würde Felbermayr eine "Bodenwertsteuer" einführen. Je nach der Lage und damit verbunden dem Wert von Immobilien sollten diese deutlich höher besteuert werden als aktuell. Der Vorteil wäre, dass damit Landeigentümer automatisch Interesse hätten, mehr Wohnraum zu vermieten. Auch Verdichtungen in schon verbauten Gebieten würden dann interessanter. Damit bekäme der Staat, was er möchte, nämlich weniger Leerstand, während sich die mit der Erfassung des Leerstands verbundenen Probleme gar nicht erst ergäben. Im Gegenzug würde Felbermayr die recht hohen Steuern auf Immobilientransaktionen in Österreich streichen. (András Szigetvari, 1.3.2024)