Mar Garcia kneift die Augen zusammen, doch nicht, weil die andalusische Sonne sie blendet. Es ist Ende Februar, der Himmel ist blau, und es hat 22 Grad im spanischen Córdoba – gutes Wetter für Oliven. Doch eine harmlos wirkende Frage treibt Garcia Sorgenfalten auf die Stirn: Wie geht es mit der Olivenernte weiter? Sie ist Werksleitern bei Deoleo, dem weltweit größten Produzenten und Vermarkter von Olivenöl. "Die vergangene Ernte war eine Katastrophe, es gab in Spanien Ernteausfälle von fast 60 Prozent wegen der Hitze und der Trockenheit", erzählt sie. "Der Klimawandel bereitet uns große Sorgen. Wenn es so weitergeht, haben wir wirklich ein Problem."

Geerntet wird üblicherweise zwischen November und Februar, je nachdem, wann die Oliven reifen. Für die aktuelle Ernte gibt man sich bei Deoleo vorsichtig optimistisch – was sich auch auf den Preis auswirken könnte. In den vergangenen Jahren haben Konsumentinnen und Konsumenten rund um den Globus zu spüren bekommen, wie stark eine schlechte Ernte den Preis antreibt.

Der Klimawandel bedroht die Olivenernte. Um Ausfälle zu kompensieren, setzt der Weltmarktführer Deoleo immer mehr auf digitale Maßnahmen. So gibt es etwa einen digitalen Zwilling der Produktionsanlage in Córdoba.
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Massive Preissteigerungen

Aufschläge von bis zu 50 Prozent waren in Europa zu beobachten. In Spanien, wo Olivenöl de facto ein Grundnahrungsmittel darstellt, spricht man mittlerweile von "Gold in Flaschen". Kaum jemand hätte sich je vorstellen können, dass ein Liter Olivenöl einmal die Zehn-Euro-Marke knackt, doch es ist passiert. In Österreich kostet zum Teil sogar der halbe Liter mehr als zehn Euro. Mar Garcia gibt sanfte Entwarnung: "Mitte 2024 könnte sich der Preis erstmals wieder entspannen, Garantie gibt es dafür aber keine."

Spanien ist das größte Erzeuger- und Exportland von Oliven, von wo Deoleo auch den Großteil jener grünen oder schwarzen Kugeln bezieht, die Menschen entweder lieben oder hassen. Dementsprechend kämpft der Konzern mit der klimatischen Veränderung und braucht Alternativen. Zwar verarbeitet Deoleo auch Früchte aus Griechenland, Italien und außerhalb der europäischen Erntezeit aus Staaten wie Australien oder Argentinien, doch der Fokus liegt nicht auf Importen, sondern auf Digitalisierung.

Digitaler Zwilling

"Ohne laufende technische Weiterentwicklung können wir die Qualität nicht halten", sagt Deoleo-COO Carlos Sánchez. Die Datenanalyse beginne mittlerweile am Feld und ende erst, wenn die Flaschen verpackt die Fabrik verlassen. In Kooperation mit Siemens hat Deoleo dafür einen digitalen Zwilling seiner Produktionsanalage erstellt. Dieser Zwilling ist ein virtuelles Modell, der den Produktionsprozess in Echtzeit aber eben digital widerspiegelt. "Die Daten jedes Arbeitsschrittes werden erfasst, analysiert und ausgewertet, um Energie zu sparen und unnötigen Müll zu vermeiden. Wir erzielen damit große Erfolge", sagt Sánchez. Details nennt er keine, verweist allerdings auf die CO2-Bilanz. Dank technologischer Hilfe habe man 2022 die Kohlendioxid-Emissionen gegenüber den Vorjahren um zwei Drittel gesenkt.

Das Streben nach Wachstum und der zunehmende Wettbewerbsdruck der Weltwirtschaft, verbunden mit der Notwendigkeit, dem Klimawandel Herr zu werden, haben der industriellen Forschung und Entwicklung (F&E) deutlich mehr Gewicht verliehen und werden immer mehr zum entscheidenden Faktor für wirtschaftlichen Erfolg. Die Integration von F&E-Labors und Produktion wird in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zunehmend zu einer grundlegenden Geschäftsanforderung. Das spielt Konzernen wie Siemens in die Hände.

Industrie in der Idylle

Welche industriellen Dimensionen Olivenöl bei Deoleo mittlerweile angenommen hat, zeigt ein Blick in die Produktion. Rund um eine der ersten Hallen wachsen in einer idyllischen Hügellandschaft Olivenhaine, so weit das Auge reicht. In besagter Halle bauen sich dann plötzlich sechs Stahltanks vor einem auf, die 500.000 Liter Fassungsvermögen haben. In der nächsten Halle flitzen zahllose Flaschen der Marken Bertolli und Carbonell auf Fließbändern vorbei. Auch hier wird nichts mehr dem Zufall überlassen. "Überall hängen 360-Grad-Kameras und kontrollieren, ob Verpackung, Labels und Stoppel richtig sitzen", erklärt Sánchez. Menschen sind in diesen Hallen nur wenige zu sehen, das meiste läuft automatisiert ab.

500.000 Liter fasst ein solcher Stahltank in der Deoleo-Produktionshalle in Córdoba.
Danzer

Die Arbeit mit Menschen finde laut Betriebsleiterin Garcia auf den Feldern und in den Ölmühlen statt. Deoleo arbeitet mit rund 40.000 Olivenbauern zusammen und ist bemüht, hier ein Umdenken zu starten. "Wir stellen den Landwirten digitale Hilfsmittel wie Sensoren und Software zur Verfügung und helfen ihnen, damit umzugehen. Die Rahmenbedingungen werden immer schwieriger, dementsprechend müssen sie effizienter werden, um Ernteausfälle zu kompensieren", sagt Garcia. Es sei allerdings oft sehr schwer, die Einstellung der Landwirte zu ändern, weil man früher einen anderen Zugang zur Sache hatte. Das beginne damit, wie das Gras unter dem Hain aussehe – doch der Anbau wie vor 30 oder 40 Jahren funktioniere schon lang nicht mehr.

Olivenöl auf der Blockchain

Vom Baum bis in die Flasche hat Deoleo also jeden Schritt dokumentiert, daran will der Konzern auch die Konsumentinnen und Konsumenten teilhaben lassen, auf eher unerwartete Weise: Der ganze Produktionsprozess wird auf der Blockchain verewigt. Zur Erinnerung: Blockchain ist jene Technologie, auf der Kryptowährungen wie Bitcoin basieren und wo alles, was passiert, öffentlich einsehbar ist. Was heißt das für Olivenöl? Auf der Flasche befindet sich ein QR-Code, wer den scannt, sieht genau, woher die Oliven kommen und wann, wo und wie sie verarbeitet wurden. Zudem werden aus jedem Olivenöltank auf Lkws Proben genommen, die Qualität im Labor getestet, und die entsprechenden Zertifikate landen ebenfalls auf der Blockchain.

Wer wissen will, woher die Oliven für das Öl in dieser Flasche kommen, muss nur den QR-Code scannen. Möglich macht das die Blockchain-Technologie.
Laufer

"Nach dieser Transparenz hat niemand gefragt, doch früher oder später wird es ohne solche Maßnahmen nicht mehr gehen", sagt COO-Sánchez. Betrug mit Olivenöl nehme zu, und so könne man Kunden die Qualität garantieren. Auf die Frage, ob er einen Tipp hat, wie man gepantschtes Olivenöl erkennt, meint er lächelnd: "Immer 'extra vergine' kaufen, dann kann nichts sein." (Andreas Danzer aus Córdoba, 2.3.2024)