Pedro Nuno Santos (links) begrüßt Luís Montenegro vor Beginn einer TV-Debatte.
Pedro Nuno Santos (links) begrüßtLuís Montenegro vor Beginn einer TV-Debatte. Beide wollen Ministerpräsident werden.
AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Portugal steht vor seltsamen Neuwahlen. Nach dem Rücktritt des bisherigen Ministerpräsidenten António Costa wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Costa wurde im vergangenen November der Korruption beschuldigt. Er trat umgehend ab, um "die Würde des Amtes nicht zu beschädigen". Wenige Tage darauf stellte sich heraus, dass sein Name nur aufgrund eines Transkriptionsfehlers seitens der Staatsanwaltschaft in den Ermittlungsakten gelandet war. Gemeint war António Costa Silva, der Wirtschaftsminister. Von den Ermittlungen gegen den Ministerpräsidenten blieb nichts. Doch vom Rücktritt zurücktreten, das geht nicht.

Die Sozialistische Partei (PS), die unter Costa die letzten neun Jahre regierte, schickt nun mit dem ehemaligen Infrastrukturminister Pedro Nuno Santos einen neuen Kandidaten ins Rennen. Der 46-jährige Politiker, der dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, will an Costas sozialer Politik, die in den letzten Jahren einen Großteil der Sparmaßnahmen aus der Eurokrise zurücknahm, anknüpfen.

"Neuer Impuls"

"Wir sind stolz auf Costa", erklärte er immer wieder und warnt davor, dass im Falle eines Machtwechsels die Sparpolitik zurückkommen könne. Nuno Santos verspricht "einen neuen Impuls". Der Politiker, der im Dezember die Urwahlen im PS mit über 62 Prozent der Stimmen gewann, kündigt Investitionen an, um die Industrialisierung Portugals voranzutreiben. Der ökologische Umbau der Wirtschaft in ganz Europa sei eine Chance.

Doch seine Sozialisten sind durch den Skandal im Herbst angeschlagen, obwohl nur wenig blieb. Gegen die fünf Beschuldigten aus der Regierung und deren Umfeld wird mittlerweile nur noch wegen "Einflussnahme" bei Entscheidungen im Bereich Energie- und Bergbau ermittelt. Es geht um Projekte für erneuerbare Energien und Mineralien für die E-Mobilität. Nichts deutet darauf hin, dass Geld geflossen ist.

Sozialer Kahlschlag

Das konservative Wahlbündnis Alianza Democrática (AD) unter Luís Montenegro will die unerwartete Chance nützen. Der 51-Jährige, Fraktionschef seiner Partei, als in den Jahren 2011 bis 2015 die damalige konservative Regierung im Namen der von Brüssel verordneten Austerität einen nie dagewesenen sozialen Kahlschlag veranstaltete, kandidiert zum ersten Mal für das Amt des Ministerpräsidenten.

Seit 2022 führt er die konservative Sozialdemokratische Partei Portugals (PSD) an, die gemeinsam mit zwei kleineren Rechtsparteien das Bündnis AD ins Leben gerufen hat, um die Sozialisten, die 2022 unter Costa die absolute Mehrheit im Parlament erzielt hatten, zu überholen. Er stehe für "Stabilität" und Nuno Santos sei "ein Radikaler", wirbt er, um stärkste Kraft zu werden.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Die Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nuno Santos und Montenegro. Beide Parteien liegen bei Umfragen um die 30 Prozent, mit einem Vorteil für die AD. Egal wie es ausgeht, eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze wird es nicht geben. Die Sozialisten wären – sollten sie erneut als stärkste Partei Anspruch auf eine Regierungsbildung erheben können – wie bereits 2015 bis 2022 auf kleinere linke Formationen angewiesen.

Und für die AD böte sich, ähnlich wie dies im Nachbarland Spanien in Gemeinden und Regionen längst der Fall ist, ein Bündnis mit der Ultrarechten an. Bisher lehnt Montenegro dies ab. Dort hofft die Partei Chega (Genug) auf ein gutes Abschneiden. Unter der Führung von André Ventura, der 2019 den PSD verließ, will sie entscheidend werden. 2022 erzielte Chega 7,2 Prozent. Aktuell stehen die Ultrarechten je nach Umfrage bei bis zu 18 Prozent.

Rassismus gegen Roma

Ventura macht unter anderem mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gegen Roma Stimmung. "Themen, die die Menschen interessieren", verteidigt er dies gegenüber seinen Kritikern. Außerdem greift Chega das Thema Korruption auf. "Portugal braucht eine Reinigung", steht auf vielen ihrer Plakate zu lesen. Ventura kündigt immer wieder an, er werde eine rechte Regierung nur dann unterstützen, wenn Chega mit im Kabinett sitze.

Kein Wunder, dass die Frage einer Brandmauer die Debatte bestimmt. Die Sozialisten warnen vor einer Regierung unter dem Einfluss von Chega. Er sei der Einzige, der dies verhindern könne, wirbt Nuno Santos um Stimmen. Gleichzeitig gibt sich der Sozialist großmütig. Sollte seine Partei nicht gewinnen, werde sie die AD in Minderheit regieren lassen, kündigte Nuno Santos in einem TV-Duell mit Montenegro völlig überraschend an. (Reiner Wandler, 6.3.2024)