Vor einem Jahr haben Rafaela Kathan-Kupfner und ihr Mann Andreas im Wiener Nordbahnviertel ein Spielwarengeschäft eröffnet. Ihr ungewöhnliches Angebot, abgenutztes Lieblingsspielzeug zu reparieren und Ersatzteile mit dem 3D-Drucker zu fertigen, stieß landesweit auf Aufmerksamkeit. Doch die Mieten sind auch in dem nicht an allen Ecken belebten Bobo-Viertel hoch. Als Händler müssen sie Kompromisse eingehen zwischen gefragtem Plastikspielzeug aus China und hochwertiger Ware aus Europa. Im Gespräch erzählt Kathan-Kupfner, warum sie jetzt wieder Barbies ins Sortiment aufnimmt und sich Schleich-Tiere noch immer bestens verkaufen.

Rafaela Kathan-Kupfner im Spielwarengeschäft
Rafaela Kathan-Kupfner betreibt mit ihrem Mann in der Wiener Leopoldstadt das Spielwarengeschäft Wildes Böckle.
Sascha Aumüller

STANDARD: Was zeichnet gutes Spielzeug aus?

Rafaela Kathan-Kupfner: Es muss auf jeden Fall langlebig sein und vielseitig einsetzbar. Am Ende des Tages hat die Qualität immer damit zu tun, dass ein Spiel irgendwas im Kind aktiviert. Sei es die Fantasie, das soziale Lernen oder dass es in einen Flow-Zustand versetzt. Lego, puzzeln oder basteln, das sind alles Dinge, bei denen man richtiggehend versinken kann.

STANDARD: Gibt es vonseiten der Kunden Vorbehalte gegenüber Spielzeug, das eben nicht langlebig oder vielseitig ist?

Kathan-Kupfner: Wir merken schon, dass gebildete Kundinnen und Kunden oder solche von der Hipster-Fraktion immer öfter glauben, Spielzeug sei grundsätzlich böse, weil es Konsum ist und nichts, von dem man etwas lernen kann. Da gibt es mitunter krasse Vorurteile etwa im Vergleich zu positiver besetzten Büchern. Das ist sicher auch den letzten Jahrzehnten geschuldet, in denen man den Markt mit Franchise-Produkten geschwemmt hat. Paw Patrol, Pokémon, dieses ganze Plastik, das Kinder einfach haben wollen, weil sie es aus dem Fernsehen oder vom Tablet kennen. Es beruht auf einer passiven Erfahrung, in dem Fall eben Fernsehen.

STANDARD: Warum wollen Kinder so etwas haben?

Kathan-Kupfner: Wir kennen das doch alle vom Shopping, etwas Neues haben zu wollen allein wegen der Dopaminausschüttung. Aber das ist halt meist nichts, was länger bespielt wird.

STANDARD: Wie ist das zum Beispiel mit Lego? Das wird meist auch nur ein einziges Mal beim Zusammenbauen bespielt und danach nur mehr abgestaubt.

Kathan-Kupfner: Lego ist so eine ganz spezielle Sache, weil es trotzdem vielseitig ist und Menschen aller Altersgruppen in diesen Flow versetzt. Ich bin kein großer Fan der Marke Lego, weil sie schon so groß und monopolartig ist, dass es für uns Händler schwierig wird. Und viele Klemm-Baustein-Fans sagen, es gibt deutlich bessere Alternativen, aber die sind halt nicht so bekannt. Trotzdem ist es ein tolles Produkt.

STANDARD: Wie sieht es mit Barbie aus? Kann man sich dem neuen Hype als Händler überhaupt entziehen?

Kathan-Kupfner: Bis jetzt hatten wir keine Barbies im Geschäft. Aber ich konnte sie nie verteufeln, denn sowohl meine Tochter als auch ich als Kind fanden irgendwann Gefallen daran, die Puppen zu frisieren. Außerdem merkt man, dass die Marke mit der Zeit geht. Gerade habe ich bei Mattel ein paar Fashionistas-Exemplare bestellt. Dieses Barbies dürfen jetzt auch molliger oder "curvy" sein und natürlich insgesamt diverser. Trotzdem sind das keine Produkte, die ich jetzt noch extra pushen würde in meinem Geschäft.

STANDARD: Gibt es Wünsche von Kundenseite, die Sie nicht erfüllen wollen?

Kathan-Kupfner: Klar sagen Leute immer wieder, dass sich ihr Kind etwa was von Feuerwehrmann Sam wünscht oder von Paw Patrol. Da machen wir sicher Verluste, weil wir diese Franchise-Produkte nicht führen. Aber wenn ich den Eltern dann Vorschläge für Alternativen mache, kriege ich meistens sehr positives Feedback.

STANDARD: Und die Kinder sind dann nicht enttäuscht?

Kathan-Kupfner: Ich bin ein Fan vom freien Verschenken. Ich finde nicht, dass man wie aktuell üblich bis in kleinste Detail vorher abklären muss, ob ein bestimmtes Geschenk eh für die Kinder in Ordnung ist. Oft einmal traut man den Kindern zu wenig zu, dass sie sich mit etwas Unbekanntem anfreunden oder selbst entdecken, wie lustig etwas sein kann.

STANDARD: Sie bieten an, verloren oder kaputt gegangene Teile von Spielzeug per 3D-Druck zu ersetzen. Wird das angenommen?

Kathan-Kupfner: Für Spielzeug noch wenig. Aber viele Leute aus der Nachbarschaft kennen das Angebot und kommen mittlerweile wegen Ersatzteilen für Haushaltsgeräte. Denn bei der verloren gegangenen Playmobil-Leiter ist der Leidensdruck wohl nicht so hoch wie bei einem Scharnier für den Geschirrspüler. Und bevor man fünf Monate auf den Kundendienst wartet, kommt man jetzt zu uns und hat das Teil schon am nächsten Tag.

STANDARD: Also trotzdem eine gute Geschäftsidee.

Kathan-Kupfner: Die Sache ist nicht einmal kostendeckend, wegen der Arbeitszeit. Und funktioniert auch nur, weil mein Mitarbeiter Architekt ist und industrielle Gestaltung an der Uni unterrichtet. Dadurch hat er enorme Erfahrung.

STANDARD: Und eine Bereitschaft zur Selbstausbeutung?

Kathan-Kupfner: In Wahrheit müsste für so einen Dienst ein öffentliches Interesse bestehen. Die meisten Sachen lassen sich ja reparieren und sind danach noch genauso gut wie neue.

STANDARD: Achten Sie im Einkauf darauf, wie das Spielzeug produziert wird?

Kathan-Kupfner: In Wahrheit können wir vor allem auf einen Aspekt achten: die Schadstoffprüfung von Material. Wenn da irgendetwas dubios ist, dann kommt das nicht ins Geschäft. Ansonsten existiert tatsächlich ganz viel Greenwashing in dieser Branche. Die vermeintlich hippe, coole Marke lässt leider oft auch in Pakistan produzieren. Andererseits gibt es sehr wohl Marken, die vielleicht kein großes Marketingbudget haben und es trotzdem schaffen, ganz in Deutschland zu produzieren. Wo es geht, fragen wir nach.

Spielwaren im Geschäft
"Man sollte Kindern kein Spielzeug kaufen, das man selbst nicht ausstehen kann."
Sascha Aumüller

STANDARD: Ist gutes Spielzeug immer teuer?

Kathan-Kupfner: Eine gutes Gegenbeispiel sind Bügelperlen. Damit können viele Kinder meditativ entschleunigen und entspannen. Dabei ist das reines Plastik. Eine Platte mit kleinen, feinen Perlen und einem Loch, aus denen ein Bild entsteht. Erwachsene kennen das als Mandala.

STANDARD: Was halten Sie von Erwachsenen, die nicht gerne spielen?

Kathan-Kupfner: Es macht schon einen Unterschied, wie die Haltung der Eltern zum Spielen ist. Mein Mann spielt zum Beispiel gerne mit Lego. Ein klassisches Klischee zwar, dass Buben bauen. Aber es ist schön, dass er sich dafür Zeit nimmt und die Kinder ihn nachahmen können. Man sollte den Kindern daher besser keine Spielsachen kaufen, die man selbst nicht ausstehen kann.

STANDARD: Was spielen Sie selbst gerne? Brettspiele?

Kathan-Kupfner: Haben wir massig im Geschäft, ich bin nur diesbezüglich der totale Anti. Peinlich eigentlich. Ich hasse es, wenn ich eine Anleitung lesen muss! Ich spiele aber gerne mit, wenn mir jemand die Regeln erklärt. Seit wir einmal im Monat einen Brettspielabend veranstalten, macht es mir mehr Spaß. Weil es immer jemanden in der Runde gibt, der alles ganz genau erklärt. Ich darf sogar Zwischenfragen stellen.

STANDARD: Was verkaufen Sie am meisten?

Kathan-Kupfner: Eindeutig Schleich-Tiere. Furchtbar! Plastik und in China produziert. Ich habe lange überlegt, ob ich die überhaupt ins Sortiment aufnehmen soll. Doch auch alternative Marken werden nur zum Teil in Portugal produziert und der andere Teil dann eh wieder in China. Und nehme ich meine Kinder als Beispiel, war deren Sprachentwicklung wohl auch deshalb so gut, weil sie exzessiv mit diesen Plastiktieren gespielt haben. Familienkonstellationen, der Kindergarten und der gesamte Alltag – da ist alles mit den Tieren durchgespielt worden. Das Plastik hält noch immer. Jetzt haben bestimmt schon fünf, sechs Kinder mit denselben Tieren gespielt.

STANDARD: Also kann auch China-Plastikspielzeug nachhaltig sein?

Kathan-Kupfner: Nachhaltigkeit beginnt beim Material und der Frage, wo produziert wird. Aber der andere riesengroße Faktor beim Spielzeug ist die Langlebigkeit. Man kann sich die Frage stellen: Ist das etwas, mit dem auch meine Enkelkinder noch spielen werden? Etwas, das lange bespielt wird und erhalten bleibt? Das gilt unter Umständen für Holzbausteine ebenso wie für Plastiktiere. (Sascha Aumüller, 10.3.2024)