Die ganz große Begeisterung bricht meistens nicht aus, wenn jemand die Arbeitnehmerveranlagung (ANV) zum Gesprächsthema macht. Sperriger Begriff, trockene Thematik, kompliziertes Formular – das ist es, was viele Menschen mit dem Lohnsteuerausgleich verbinden. Wer nicht will, muss sich damit auch nicht befassen, denn seit 2017 erledigt das Finanzamt das automatisch für einen. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allerdings diesen automatisierten Weg beschreiten, lassen sie oftmals Geld liegen, das ihnen zusteht. Die Alternative: das klassische Ausfüllen von (Online-)Formularen. Hier läuft die Frist noch bis zum 30. Juni; wer danach einreicht, erhält einen Pauschalbetrag.

Laut Finanzministerium haben Steuerzahler im Vorjahr durchschnittlich 467 Euro durch den automatisierten Ausgleich bekommen – dieser wird wegen der komplexen Materie auch immer beliebter. Aber: "Macht man den Steuerausgleich selbst, sind bis zu 300 Euro mehr pro Person drin", sagt Berthold Baurek-Karlic im Gespräch mit dem STANDARD. Er ist hauptverantwortlich für die digitale Transformation beim Linde-Verlag, der im Herbst die App "Mei Marie" auf den Markt gebracht hat, die Menschen bei der Arbeitnehmerveranlagung unterstützen soll. Mehr als zehn Millionen Euro werden laut Baurek-Karlic jährlich nicht abgeholt und bleiben somit dem Fiskus.

Das Formular für den Steuerausgleich wirkt für viele einschüchternd und kompliziert – doch durch die automatische Arbeitnehmerveranlagung läuft man Gefahr, Geld liegen zu lassen.
imago stock&people

Arbeiterkammer und Gewerkschaft halten diese Zahl für realistisch. Angesichts der Summen, die bei der ANV, jährlich ausgeschüttet werden, falle die Summe laut AK aber nicht ins Gewicht. Allein beim antraglosen Steuerausgleich waren es im Vorjahr mehr als 810 Millionen Euro.

Angst vor der Rückzahlung

Die Arbeitnehmerveranlagung lohnt sich grundsätzlich für fast jeden, besonders aber für jene, die nicht das ganze Jahr gleich gearbeitet haben. Für Teilzeitbeschäftigte, Lehrlinge, Ferialjobber und Personen, die während des Jahres von Vollzeit auf Teilzeit gewechselt oder in Karenz gegangen sind oder nicht durchgehend beschäftigt waren, könne es somit zu einer Gutschrift kommen, heißt es etwa bei der Gewerkschaft. Sich tatsächlich mit dem Steuerausglich auseinanderzusetzen stellt in der Praxis aber für viele eine große Hürde dar.

"Steuerpflichtige wissen oft nicht, was sie alles absetzen können, oder glauben, sie bekommen ohnehin nichts, und vertrauen dann oft auf die antraglose Veranlagung des Finanzamts", sagt Stella Müller vom Institut für Finanzrecht der Uni Wien, die 120 Steuertipps für die "Mei Marie"-App respektive den Linde-Verlag zusammengefasst hat. Dass es 120 Tipps braucht, unterstreicht bereits die Komplexität der Thematik. Formulare für das Finanzamt auszufüllen bereite dementsprechend vielen Menschen Stress, das hänge auch mit der Angst vor einer möglichen Rückzahlung zusammen, meint Müller. "Diese Sorge ist unberechtigt. Finanz Online gibt eine Vorschau auf das Ergebnis, und im Fall einer Rückzahlung kann man den Antrag zurückziehen", so die Steuerexpertin.

Jene Bereiche, wo am ehesten Geld liegen bleibt, teilen sich in drei große Sparten: Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen und Sonderausgaben.

Werbungskosten

Werbungskosten sind Aufwendungen oder Ausgaben, die im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit stehen und zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen. "Wer sich einen Computer oder einen Drucker kauft, kann das steuerlich absetzen, das wissen mittlerweile sehr viele", sagt Stella Müller. Doch das Spektrum reiche natürlich noch viel weiter. Im automatischen Steuerausgleich wird eine Pauschale von 132 Euro angenommen. Wer Geld für Dienstreisen, Sprachkurse oder Arbeitskleidung ausgibt, kann diese 132 Euro leicht überschreiten. Werbungskosten im Überblick.

Außergewöhnliche Belastungen

Ausgaben für Brillen, Kontaktlinsen, Hörgeräte oder Gehbehelfe sind mit Selbstbehalt von der Steuer absetzbar. Das gilt auch für Kosten, die wegen einer Allergie anfallen. Wer Kinder hat, kann Belege für deren Krankheitskosten ebenso bei der Steuer berücksichtigen wie seine eigenen. Wichtig ist jedoch: Kostenersatzleistungen der Gesundheitskasse bzw. privaten Krankenversicherung sind abzuziehen. Außergewöhnliche Belastungen im Überblick.

Sonderausgaben

Spenden oder Kirchenbeiträge etwa sind steuerlich begünstigt. Seit 2017 werden Spenden von der empfangenden Organisation an sich automatisch an die Finanzverwaltung übermittelt. Aber: "Wer beispielsweise an die Caritas oder Greenpeace spendet, muss auch Vor- und Nachname sowie Geburtsdatum angeben", erklärt Müller. "Sonst können die Organisationen nichts übermitteln. Das wissen viele nicht."

Auch Studierende haben mehr Möglichkeiten, als vielen bewusst ist. "Wer studiert, kann den ÖH-Beitrag, Studienbeiträge, Skripten oder Bücher von der Steuer absetzen", sagt Müller. Hier brauche es stärkere Bewusstseinsbildung.

Familienbonus Plus

Durch den Familienbonus Plus wird die vorhandene Steuerlast jährlich um bis zu 2.000 Euro pro Kind reduziert. Anspruch besteht für jedes Kind, für das Familienbeihilfe bezogen wird. Ab dem 18. Geburtstag wird der Familienbonus Plus allerdings reduziert. Für Kinder in Drittstaaten erhält man keinen Familienbonus. Der Familienbonus Plus ist bei einer Veranlagung jedenfalls zu beantragen, auch wenn er bereits beim Arbeitgeber berücksichtigt worden ist.

Homeoffice

Wer im Homeoffice arbeitet, hat Anspruch auf eine Homeoffice-Pauschale von drei Euro pro Homeoffice-Tag. Diese Pauschale erhält man für maximal 100 Tage im Jahr. Es ist daher eine Homeoffice-Pauschale von bis zu 300 Euro möglich. Als Homeoffice-Tage gelten nur jene Tage, an denen die gesamte berufliche Tätigkeit ausschließlich in der Wohnung ausgeübt wird.

Pendlerpauschale

Bei der Pendlerpauschale muss man etwas aufpassen. Im Zeitraum zwischen Mai 2022 und Juni 2023 wurde die Pauschale angepasst. In diesem Zeitraum wird das Ergebnis des Pendlerrechners um die Hälfte erhöht, zudem der Pendlereuro vervierfacht.

Baurek-Karlic und Müller empfehlen jedenfalls, die Arbeitnehmerveranlagung selbst zu machen und unbedingt die entsprechenden Belege zu sammeln. Sollte sich die persönliche finanzielle Situation etwas komplizierter gestalten, empfehlen sie, einen Steuerberater aufzusuchen. Übrigens lassen sich auch die Kosten für dessen Honorar absetzen. (Andreas Danzer, 8.3.2024)