Severin Fiala und Veronika Franz:
Severin Fiala und Veronika Franz: "Bei der Regie teilen wir uns ein halbes Gehirn. Wir fühlen uns gemeinsam stärker."
IMAGO/K.Piles

Im schnellen Filmgeschäft sind zehn Jahre eine lange Zeit. Mindestens so lange reichen die Ursprünge von Des Teufels Bad zurück, der diese Woche im Kino startet. Das Regieduo Severin Fiala und Veronika Franz kommt mit dem Film frisch von der Weltpremiere Ende Februar im Wettbewerb der Berlinale. Kameramann Martin Gschlacht nahm dort den Silbernen Bären für die herausragende künstlerische Leistung mit nach Hause, und Hauptdarstellerin Anja Plaschg hat ebenfalls viel Lob bekommen.

Gefunden haben Fiala und Franz ihren österreichischen Stoff aber ausgerechnet in einem amerikanischen Podcast. This American Life widmete sich dem Thema Loopholes, also Tricks, mit denen Regeln umgangen werden. Ein überaus makabres Loophole fand die US-Historikerin Kathy Stuart im Oberösterreich des 18. Jahrhunderts: Suicide by Proxy nennt es die Forscherin, also Suizid über den Umweg der Strafe für ein Verbrechen. Eine Geschichte für ein Drehbuch mit Happy End sieht anders aus.

Moralische Widersprüche

Für den zweiten europäischen Film der beiden Horror-Connaisseure aber war es das perfekte Material mit moralischen Widersprüchen und sozialkritischer Stoßrichtung. Denn der Titel Des Teufels Bad steht im Volksmund für Melancholie und Depression. Die ursprüngliche Drehbuchidee eines Gerichtsdramas anhand originaler Verhandlungsprotokolle entwickelte sich zum düsteren Psychogramm der Hauptfigur Agnes. Ich seh, ich seh, das Debüt des Zweigespanns Severin Fiala und Veronika Franz, war nicht weniger kompromisslos in der Wahl seiner Geschichte.

Der Psychothriller mit dem Thema Mutterschaft sorgte 2014 für viele verstörte Zuschauer – als österreichische Oscar-Einsendung unter dem internationalen Titel Goodnight Mommy dann durchaus auch bis nach Hollywood.

Filmladen Filmverleih

Das ermöglichte den beiden einen unerwarteten Karriereschritt, der 2019 im klassischeren Winter-Horror The Lodge mit Riley Keough mündete. Zuvor steuerten sie noch eine Episode zum europäischen Anthologiefilm The Field Guide to Evil bei. 2022/2023 führten sie Regie bei zwei Folgen der M.-Night-Shyamalan-Serie Servant. Von Goodnight Mommy gibt es mittlerweile ein Amazon-Remake mit Naomi Watts unter fremder Regie.

Guter Türöffner

Für die beiden Österreicher war der Genrefilm also ein guter internationaler Türöffner. Speziell Horror ist weniger national begrenzt als so manch andere Filmgattung. Ich seh, ich seh passte perfekt in die angesagte Nische des sogenannten Elevated Horror, also die intellektuell-konzeptuell verstörenden Arthouse-Spielart.

Fiala und Franz selbst sind – bei aller Liebe zum Genrefilm – solche Schubladen jedoch ein Graus. Deshalb firmiert das aktuelle Werk auch dezidiert nicht unter dem Label Horrorfilm, auch wenn es sich über weite Strecken so anfühlt und filmhandwerklich sehr dicht gearbeitet ist. Doch dazu kommt die historische, fast schon sozialrealistische Ebene, die sich der inhaltlichen Übersteigerung entzieht.

Dabei zeigt sich die perfektionistische Ader des Duos bis hin zu Recherchen über Unterhosen im Jahr 1750 und einem ganzen Dossier über historische Hinrichtungsmethoden. Aber auch die kollaborative Methode. Denn Severin Fiala und Veronika Franz haben nach eigener Aussage untereinander keine wirkliche Arbeitsteilung. Sie genießen am Set die Teamarbeit.

Anfang mit Peter Kern

Ihre eigene Kooperation begann einst mit Severin Fialas Babysitter-Job für die Kinder von Veronika Franz und Fialas Onkel Ulrich Seidl. Bezahlt wurde er in der Währung Videothek-VHS ganz unterschiedlicher Klassiker.

Die erste gemeinsame Arbeit der Filmkritikerin Veronika Franz und des an der Filmakademie ausgebildeten Severin Fiala war eine Doku über Peter Kern. Zur Erholung vom chaotischen Doku-Dreh schrieben die beiden ein Spielfilm-Script – und zwar beim gemeinsamen Kochen.

Eindrucksvolle Bilder:
Eindrucksvolle Bilder: "Des Teufels Bad".
Ulrich Seidl Filmproduktion/Heimatfilm

Vorspulen ins Jahr 2024: Selbst während der Kinotour von Des Teufels Bad sind die beiden wieder an der Arbeit an einem neuen Drehbuch. Nach dem Austro-Film geht es erneut nach Amerika, Zoom-Meetings mit Zeitverschiebung sind die beiden mittlerweile gewöhnt.

Ihr nächstes Projekt heißt A Head Full of Ghosts, produziert von Robert Downey Jr. Und auch beim Thema Katholizismus bleiben sie der Bestsellerverfilmung treu: Es geht um Exorzismus. (Marian Wilhelm, 7.3.2024)