Während in Polen nach dem Ende der achtjährigen Herrschaft der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) Regierungsstellen von demokratiefeindlichen Kräften gesäubert und demokratische und rechtsstaatliche Strukturen in öffentlichen Institutionen wiederhergestellt werden, bewegt sich die Slowakei nach der Parlamentswahl auf dramatische Weise in die umgekehrte Richtung. Die slowakische sozialdemokratische Smer-Partei ("Smer" bedeutet "Richtung") unter der Führung von Robert Fico macht ihrem Namen alle Ehre und gibt die Richtung für das Land vor, das auf schnellem Weg ist, ein weiteres Mitglied der Gruppe illiberaler Regime zu werden, zu der beispielsweise Ungarn und Serbien gehören.

Weder die Opposition noch die Zivilgesellschaft, welche sich als Reaktion auf die ersten Schritte der neuen Regierung im Dezember letzten Jahres in landesweiten Protesten mobilisierte, wollen sich mit einem solchen Schicksal abfinden. Doch obwohl Ficos jüngste Reformen sowohl inländische Proteste als auch Bedenken seitens der internationalen Gemeinschaft auslösten, geht die Erosion demokratischer Institutionen und der politisch-ideologische Konflikt im Land weiter.

Machtübernahme nach der Wahl

Der Sieg der Smer-Partei bei den Parlamentswahlen und die Bildung eines sozialdemokratischen, konservativ-nationalistischen Drei-Parteien-Bündnis mit der Hlas-Partei und der Slowakischen Nationalpartei (SNS) stellt eine politische und ideologische Rückkehr in die Zeit vor 2018 dar. Damals trat Fico aufgrund massiver Proteste nach der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová als Premierminister zurück. Jetzt ist Fico wieder an der Macht und mit ihm viele der alten Parteifreunde und Verbündete aus den Netzwerken, die mit der Korruption und dem organisierten Verbrechen in Verbindung stehen, über die Kuciak in seinen Artikeln schrieb.

Gegen viele von ihnen hat die Sonderstaatsanwaltschaft (Úrad špeciálnej prokuratúry, kurz ÚŠP) Ermittlungen eingeleitet. Die ÚŠP ist für die Verfolgung schwerer Straftaten zuständig und hat sich in den vergangenen Jahren mit dutzenden Fällen von Politiker:innen und Oligarchen befasst. Deren Mehrheit ist eng mit Ficos Smer-Partei verbunden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Institution als Erstes ins Visier der neuen Regierung geraten ist.

Robert Fico
Robert Fico.
IMAGO/Ondrej Deml

Die Regierungskoalition rechtfertigte die Reform mit der Abschaffung einer politisierten Institution, die laut Fico lediglich als Instrument des politischen Drucks diente und sich insbesondere gegen Smer-Mitglieder richtete. Im Februar 2024 stimmte das Parlament einer Änderung des Strafgesetzbuchs zu, die das Büro des Sonderstaatsanwalts abschaffte und die Strafen für Korruption und Finanzverbrechen senkte.

Auch die Art und Weise, wie die Gesetzesreform durchgeführt wurde, ist problematisch. Die Reform wurde in einem Schnellverfahren verabschiedet, was im Widerspruch zur Gesetzgebungspraxis in etablierten Demokratien steht. Davor warnte auch die slowakische Präsidentin und Anwältin Zuzana Čaputová, die die Gesetzesänderungen als "bedenklich für die Slowakei und ihre Bürger" ansieht. Als einzige Person, die die Verabschiedung des Gesetzes noch verhindern kann, brachte sie die Sache vor das Verfassungsgericht.

Die Sicherstellung der Straflosigkeit für sich und seine Verbündeten ist jedoch nur ein Teil von Ficos energischem politischen Comeback. Eine weitere Folge sind die personellen Veränderungen in staatlichen Institutionen, die über den üblichen Personalaustausch nach der Wahl hinausgehen. Diese stellen systemische Veränderungen dar, die sich auf den gesamten institutionellen und verfahrenstechnischen Rahmen der slowakischen Regierung und ihrer Organe auswirken.

Schlachtfelder des ideologisch-kulturellen Kampfes

Vor dem Hintergrund der vieldiskutierten Strafrechtsreform findet ein ideologisch-kultureller Kampf zwischen der Regierungskoalition einerseits und Opposition, Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen andererseits statt. Der Konflikt zwischen konservativ-nationalen und liberal-proeuropäischen Weltanschauungen zieht sich bereits durch die gesamte Periode nach den Wahlen.

Ausgewählte Programme und Aktivitäten der Vorgängerregierung, die von der aktuellen Koalition als zu progressiv, "woke" oder Ergebnis prowestlicher Propaganda eingestuft werden, wurden eingestellt. So wurden beispielsweise Programme zur Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen gestrichen, die Abteilung zur Bekämpfung hybrider Bedrohungen umstrukturiert oder Expertinnen und Experten, die sich mit prorussischer Desinformation befassen, entlassen.

Ganz im Sinne des Kampfes gegen die liberal-progressive Welt und entsprechend der nationalistischen Orientierung der neuen Regierung werden auch in anderen Bereichen Maßnahmen durchgesetzt. Die neue Kulturministerin benachteiligt Künstler, deren Kunstbotschaften nicht in ihr Weltbild passen. Darüber hinaus wurden Projekte zur Unterstützung der LGBT+-Gemeinschaft gestoppt und die Beziehungen zum Kulturministerium und Kulturorganisationen in Belarus und Russland wiederhergestellt, was für große Empörung sorgte. Selbst die Petition zum Rücktritt der Ministerin, die von fast 190.000 Slowak:innen unterzeichnet wurde – einer Rekordzahl für die Slowakei – hat bisher nichts am Management der slowakischen Kulturangelegenheiten geändert.

Ungewollte und gewünschte Isolation

Darüber hinaus gerät der slowakische Geheimdienst durch den geplanten Personalaustausch und aufgrund einer zurückhaltenden Haltung gegenüber hybriden Bedrohungen, die von der Russische Föderation ausgehen oder mit ihr in Zusammenhang stehen, in die internationale Isolation. Einige Länder haben bereits den Austausch sensibler Informationen mit Bratislava gestoppt.

Tibor Gašpar, Smer-Mitglied und ehemaliger Polizeidirektor (2012 bis 2018), dem vorgeworfen wird, seine Position missbraucht und eine kriminelle Gruppe gegründet zu haben, durch die er und sein Verwandter, der Oligarch Norbert Bödör, die ganze slowakische Polizeistrukturen kontrollieren will, steht möglicherweise vor einem Karriereschritt. Aktuell wird er als heißer Kandidat für die Position des neuen Direktors des Geheimdienstes gehandelt. Ein weiterer Vorschlag von Fico besteht darin, Gašpars Sohn Pavol zum Direktor zu ernennen. Beide Szenarien hätten erhebliche Auswirkungen auf die Integrität und Glaubwürdigkeit des Amtes.

Zur ungewollten Isolation vom Ausland kommt die von Fico gewünschte Isolation im Inland. Ficos langjähriger Konflikt mit "liberal-progressiven" Medienhäusern und Non-Profit-Organisationen gipfelte nun in der Isolation von vier Fico-kritischen Medien, denen die Möglichkeit eines offiziellen Austausches mit der Regierungskoalition praktisch verloren ging. Auch Non-Profit-Organisationen, die von ausländischen Fonds und Stiftungen finanziert werden, sind Fico inzwischen ein Dorn im Auge und sollen künftig finanziell von der Regierung ausgetrocknet werden.

Die Präsidentschaftswahl gibt den Ausschlag

Vor dem Hintergrund Ficos umstrittener Äußerungen über die Ukraine, die Vereinigten Staaten und schließlich die Europäische Union – hier ist nach den Wahlen ohnehin außenpolitischer Pragmatismus im Zeichen einer Annäherung an europäische Positionen eingekehrt – kann man leicht den drohenden inneren demokratischen Niedergang übersehen, mit dem die Slowakei nun konfrontiert ist. Die letzten Monate haben jedoch gezeigt, dass Fico es mit der Vereinnahmung staatlicher Institutionen nicht so einfach haben wird. Die Mobilisierung sowohl der Opposition als auch der Zivilgesellschaft hat bereits erste Ergebnisse erzielt und die internationale Gemeinschaft auf die besorgniserregenden Ereignisse in diesem kleinen mitteleuropäischen Land aufmerksam gemacht.

Auch Präsidentin Čaputová kämpft in den vergangenen Monaten ihrer Amtszeit gegen die undemokratischen Praktiken von Ficos Kabinett. Sie stellt derzeit einen der letzten Garanten demokratischer Prozesse im Land dar, und mit dem Ende ihrer Amtszeit 2024 könnte das Risiko einer beschleunigten Umsetzung von Ficos konservativ-nationalistischer, eigennütziger politischer Agenda steigen.

Deshalb ist die bevorstehende Präsidentschaftswahl im März so wichtig. Die Wahl gibt den Ausschlag für die Zukunft der slowakischen Demokratie. Ob die siegreiche Person aus dem regierungsnahen oder dem oppositionellen Lager kommt, wird weitaus größere Konsequenzen als üblicherweise haben. Der Ausgang der Wahl wird darüber mit entscheiden, ob der Weg der Regierung Ficos zur Zerstörung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Land Erfolg haben wird. (Daniel Martínek, 8.3.2024)