Nebelschwaden im Wald
Saubere Umwelt, Biodiversität und Ökosysteme, Klimaresilienz, gesellschaftliche Veränderung: Diese vier Bereiche stellen die Forschungsschwerpunkte des neuen Forschungsverbunds Umwelt und Klima an der Universität Wien dar. Mehr als 60 Forschende unterschiedlicher Disziplinen sind involviert.
IMAGO/Jan Eifert

Klimakrise, Artensterben, Umweltverschmutzung: Die Welt steht vor Herausforderungen, die oft kaum noch lösbar erscheinen. Doch auch globale Krisen lassen sich anpacken. Dafür braucht es vor allem innovative Lösungsansätze und interdisziplinäre Forschung. Seit kurzem ist Österreich um eine Plattform zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit reicher. Nach zwei Jahren Vorbereitung war es Anfang März so weit: An der Universität Wien startete der Forschungsverbund Umwelt und Klima oder Environment and Climate Research Hub (ECH). Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, die gemeinsam kreative Lösungen für die herrschende Umwelt- und Klimakrise finden wollen.

Der neue Forschungsverbund will die Forschenden der Universität Wien, die an den verschiedensten Aspekten von Umweltproblemen arbeiten, zusammenbringen. Das soll einerseits den Kontakt zu Öffentlichkeit, Politik und Medien erleichtern, für die der neue Verbund eine Anlaufstelle bei Fragen und Problemen sein will. Andererseits verspricht man sich von der Kooperation so vieler verschiedener Disziplinen neue Lösungen, die vielleicht nicht oder nicht so rasch zustande kämen, wenn jeder nur sein eigenes Fachgebiet vor Augen hat.

Insgesamt 65 Wissenschafter und Wissenschafterinnen aus gesamt 14 Fakultäten der Uni Wien nehmen derzeit am ECH teil, was ihn zum größten Forschungsverbund Österreichs macht. Dabei sind nicht nur die Naturwissenschaften vertreten, sondern auch Fachgebiete wie Umweltgeschichte, Umweltrecht, Wirtschaft, Umweltpolitik und Soziologie. Gemeinsam wollen sie den großen Umweltkrisen unserer Zeit entgegentreten, als da sind Klimawandel, Verlust an Biodiversität und Umweltverschmutzung. Zu diesem Zweck hat sich der neue Verbund für seine Forschung vier Schwerpunkte gesetzt: saubere Umwelt, Biodiversität und Ökosysteme, Klimaresilienz sowie gesellschaftliche Veränderung.

Fluss Kamp
Der nunmehr größte Forschungsverbund Österreichs widmet sich drängenden Problemen unserer Zeit, etwa der Biodiversitätskrise und der Degradierung der Umwelt. Zu berücksichtigen ist dabei auch, wie sich ökologische, soziale und politische Komponenten gegenseitig beeinflussen.
imago stock&people

Wechselwirkungen erkennen

Gesellschaftliche Veränderung in diesem Zusammenhang ist auch das Hauptthema für die Umweltpsychologin Sabine Pahl, die den ECH gemeinsam mit Thilo Hofmann vom Department für Umweltgeowissenschaften leitet, denn: "Nur wenn wir verstehen, wie sich ökologische, soziale und politische Prozesse gegenseitig beeinflussen, werden wir effektive und faire Lösungen für die aktuellen Umwelt- und Klimaprobleme finden." Eine Möglichkeit, diese Lösungen einer interessierten Öffentlichkeit auch zu vermitteln, ist die Reihe "Umwelt im Gespräch", die der ECH gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum Wien betreibt: Dabei finden unter Beteiligung des Publikums und bei freiem Eintritt Podiumsdiskussionen zu Themen wie nachhaltige Ernährung oder die Abfallproblematik statt.

Ein besonderes Augenmerkt gilt laut Thilo Hofmann der Förderung und Ausbildung der nächsten Generation von Forschenden. So soll in den nächsten Jahren an der Universität ein interdisziplinäres Umweltstudium geschaffen werden. Zusätzlich pflegt der ECH natürlich Kontakte zu anderen Forschungseinrichtungen in Europa wie auch weltweit und bemüht sich um die Einwerbung von Forschungsgeldern.

Verzerrte Wahrnehmung

Wie dringend es neben entsprechender naturwissenschaftlicher Forschung ist, auch gegen Falschinformationen anzukämpfen, dokumentierte der Klimaforscher und Ozeanograf Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) in seinem Vortrag zum Auftakt des neuen Forschungsverbunds: Bei Umfragen schätzten die meisten Menschen den Konsens zwischen Forschenden in puncto Klimawandel auf 60 bis 70 Prozent. In Wirklichkeit, so Rahmstorf, gibt es so gut wie keinen Forscher, keine Forscherin, für die die anthropogene Erderwärmung nicht Tatsache ist. Der Anteil des Menschen daran: ebenfalls 100 Prozent. Interessen einzelner Lobbys und gezielte Falschinformationen arbeiten diesem Wissen genauso entgegen wie die bedauerliche Praxis von Medien, Klimawandelleugner und seriöse Wissenschafter einander in Talkshows und ähnlichen Formaten wie Vertreter gleichberechtigter Theorien gegenüberzustellen.

Tatsächlich konstatierte der erste Bericht des Weltklimarats IPCC schon 1990, dass die Emissionen von CO2 eine globale Erwärmung bewirken. Noch früher, nämlich bereits 1843, stellte Alexander von Humboldt fest, dass der Mensch das Klima verändere, "durch Fällen der Wälder, durch Veränderung in der Verteilung der Gewässer und durch die Entwicklung großer Dampf- und Gasmassen an den Mittelpunkten der Industrie". Dabei war die Industrielle Revolution zu diesem Zeitpunkt erst rund hundert Jahre alt. Neue Lösungen sind also dringend nötig. Sabine Pahl bringt es auf den Punkt: "Business as usual ist keine Option mehr." (Susanne Strnadl, 26.3.2024)