Die beiden Salzburger Wahlsieger Kay-Michael Dankl (KPÖ Plus) und Bernhard Auinger (SPÖ) im Wahlzentrum im Schloss Mirabell am Sonntag.
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Von einer Regionalwahl aufs ganze Land zu schließen ist zumeist vor allem eines: unsinnig. Politologinnen und Wahlforscher warnen fast immer vor falschen Schlussfolgerungen. Soll heißen: Nur weil jemand Kay-Michael Dankl, dem Salzburger Kommunisten, bei der Bürgermeisterwahl seine Stimme gab, heißt das nicht, dass er bei der Nationalratswahl die KPÖ wählen würde. In der Stadt Salzburg kamen die Kommunisten auf 23 Prozent, in österreichweiten Umfragen liegen sie zwischen zwei und drei Prozent – ein bundesweiter Erdrutschsieg ist also nahezu ausgeschlossen.

Und doch lassen sich aus der Salzburg-Wahl ein paar Lehren ziehen. Es gibt Spezifika dieser Wahl, die mehr erzählen als "nur" über eine Regionalwahl. Ein Überblick.

1. Es geht weniger um links oder rechts. Es geht um Enttäuschung

In Salzburg hatten Protestwähler eine Option B. Während auf Bundesebene viele Unzufriedene der FPÖ zulaufen, das zeigen zumindest die Umfragen, gab es bei der Salzburger Bürgermeisterwahl eine linke Alternative: Dankl und die KPÖ. Wobei "Protest" in vielen Fällen gar nicht das Motiv sein muss. "Der Begriff Protestwähler wird oft zu leichtfüßig verwendet", sagt der Politikwissenschafter Peter Filzmaier. "Oft geht es viel mehr um Enttäuschung und Ängste und die Sehnsucht nach Parteien, die es anders machen."

Ähnlich sieht das der Politikanalyst Thomas Hofer: "Eine Lehre aus der Salzburg-Wahl ist bestimmt, dass Protest nicht immer in Richtung rechts kanalisiert werden muss." Die KPÖ habe auch vormalige Nichtwähler für sich gewinnen und somit punkten können, auch wenn sie "für die FPÖ-Stammklientel nicht erreichbar ist". Die Freiheitlichen haben in der Stadt Salzburg hingegen nur leichte Zugewinne verzeichnet. "Das Ergebnis der FPÖ ist angesichts der bundesweiten Stimmungslage nicht berauschend", sagt Hofer. Das zeigt: Unzufriedenheit ist weniger "links oder rechts", sie braucht ein geeignetes Ventil.

2. Richtiges Thema zur richtigen Zeit

In Salzburg hat die FPÖ auf ihr Kernthema "Ausländer raus" im Wahlkampf völlig verzichtet. Stattdessen plakatierten auch die Freiheitlichen ihre Forderung nach leistbaren Mieten. Doch dieses Thema besetzt die KPÖ in Salzburg schon lange und ist dadurch glaubwürdig. Filzmaier beobachtet: Das Thema Wohnen sei in sogenannten "Fokusgruppen" schon lange sichtbar. Soll heißen: Es ist ein Thema, das viele Menschen umtreibt. "Andere Parteien haben das sträflich vernachlässigt", sagt Filzmaier.

Auch in Salzburg wurde in der vergangenen Legislaturperiode kaum etwas gegen die immer höher steigenden Mieten unternommen. Ebenso wenig ging unter ÖVP-Bürgermeister Harald Preuner beim zweiten wichtigen Thema etwas weiter: dem Verkehr. Auf dieses Thema setzte auch SPÖ-Kandidat Bernhard Auinger, der die Wahl gewonnen hat.

3. Es geht auch ohne Schmutz

Der Salzburger Gemeinderatswahlkampf war fair und sachlich, das betonten auch die Wahlkämpfer selbst. Auf gegenseitige Vorwürfe, Beschimpfungen oder gar Dirty Campaigning wurde verzichtet. Die ÖVP hat zwar versucht, vor der "roten Gefahr" zu warnen – der Plan ging aber nicht auf. Doch selbst ÖVP-Kandidat Florian Kreibich betonte, gut mit dem Kommunisten Dankl auszukommen. Dankl sagte bei einer Diskussion der Salzburger Nachrichten auf Nachfrage, er würde mit Kreibich gar in eine WG ziehen.

Filzmaier erklärt: In der Politikwissenschaft spreche man von "Air-Wars" und "Ground-Wars". Im "Luftkrieg" werde viel über Massenmedien kommuniziert, da gehe es schnell heiß her. Und: Je höher die Wahlebene, desto weniger gemeinsamen Bodenkontakt haben die Kandidaten. Im politischen "Bodenkrieg" – wie auf Stadtebene – sei der Umgang gemäßigter. Es komme aber auch immer auf die handelnden Personen an.

4. Es geht um Persönlichkeiten

Die Erkenntnis ist nicht ganz neu, aber wird gerade wieder deutlich: Geschickte, starke Kandidatinnen und Kandidaten können einer Partei enormen Aufschwung geben. In der ÖVP war einst Sebastian Kurz das Zugpferd, in der KPÖ ist es derzeit Dankl. "Sollte er nicht Bürgermeister werden, wäre es ein geschickter Schachzug der KPÖ, ihn bei der Nationalratswahl aufzustellen", sagt Hofer. (Katharina Mittelstaedt, Stefanie Ruep, 12.3.2024)