Zweimal pro Jahr führt der norwegische Automobilclub NAF ("Norges Automobil Forbund") einen ausgiebigen Reichweiten- und Ladetest für E-Autos durch. Diesmal wurden 23 Elektroautos, die in Österreich teilweise noch nicht erhältlich sind, in der Praxis erprobt – und zwar bei Temperaturen zwischen minus fünf und minus zehn Grad. Bedingungen also, wie sie auch hierzulande im Winter vorkommen können.

"Wir haben uns angesehen, ob und in welchem Umfang die tatsächliche Reichweite von den Herstellerangaben abweicht. Gefahren wurde, bis der Akku komplett leer war", sagt Florian Merker, der für den heimischen Automobilclub ÖAMTC beim aktuellen Wintertest vor Ort war. Dabei wurden vor allem Erkenntnisse zu den Einbußen der Reichweite im Winter gemacht.

Starke Abweichungen

Konkret wurden die eigenen Messergebnisse in Relation zum WLTP gesetzt. WLTP steht für "Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure". Die im Rahmen dieses Verfahrens auf dem Rollenprüfstand ermittelten Verbrauchs- und Emissionswerte werden häufig in Verkaufsunterlagen der Hersteller kommuniziert.

Während die Abweichungen der NAF-Messergebnisse zu jenen des WLTP bei gemäßigten Sommertemperaturen vernachlässigbar sind und die Reichweiten teils sogar über den Herstellerangaben liegen, muss man im Winter im Extremfall mit 30 Prozent weniger Reichweite rechnen, heißt es seitens des ÖAMTC.

Dabei kann das Verhalten einzelner Fahrzeuge höchst unterschiedlich sein. Merker nennt zwei Beispiele: Der XPeng G9 hat laut WLTP eine Reichweite von 520 Kilometern. Im sommerlichen Praxistest schaffte er fast 590 Kilometer, im Winter nur 452 Kilometer – was bedeutet, dass der WLTP in diesem Fall den Mittelwert sehr gut trifft, wiewohl der Reichweitenverlust im Winter im Vergleich zum Sommer mit rund 140 Kilometern anfällt. Anders beim Toyota bz4X AWD: "Dessen Reichweite lag im Sommer um drei Prozent, im Winter um knapp 32 Prozent unter dem WLTP-Wert von 460 Kilometern", wie der Experte ausführt.

Die Ergebnisse im Detail
Die Ergebnisse im Detail.
ÖAMTC

Bei den meisten Testkandidaten weicht die winterliche Reichweite zwischen zwölf und 30 Prozent vom WLTP ab. "Auch wenn allgemein bekannt ist, dass Extremtemperaturen großen Einfluss auf den Stromverbrauch haben, sollten sowohl Hersteller als auch der Handel unmissverständlich auf diesen Umstand hinweisen", befindet Merker.

Chinesischer Reichweitensieger

Einen Lichtblick im Reichweitentest stellt hingegen ein chinesisches Luxusmodell dar: Der hierzulande weitgehend unbekannte HiPhi Z kam im norwegischen Winter auf 522 Kilometer Reichweite. "Damit lag er nur knapp sechs Prozent unter der WLTP-Reichweite von 555 Kilometern und ist eindeutiger Testsieger – sowohl absolut als auch hinsichtlich der Abweichung zum WLTP konnte ihm kein anderer Kandidat das Wasser reichen", sagt Merker.

HiPhi Z
Der HiPhi Z beeindruckt im Test, ist in der Anschaffung aber alles andere als günstig.
via REUTERS

Mit einem Kaufpreis von rund 100.000 Euro dürfte der HiPhi Z das Budget der meisten Menschen überschreiten. Trotzdem zeigt der Test, was technisch möglich ist. Und nährt die Hoffnung, dass andere Hersteller hier nachziehen.

Kurze Ladedauer

Eine positive Nachricht gibt es in puncto Ladedauer. "Die Hälfte der Testkandidaten brauchte weniger als 30 Minuten für eine Ladung von zehn auf 80 Prozent", sagt Merker: "Dabei zeigte sich auch, dass größere Batterien nicht nur für die maximal mögliche Reichweite relevant sind, sondern auch schneller geladen werden."

Dementsprechend dürfte dieser Faktor bei einer Kaufentscheidung künftig mehr in den Hintergrund treten, während die Verfügbarkeit von Ladestationen und die Effizienz der Akkus immer wichtiger werden. (red, 14.3.2024)