Frühling ist Weinmessensaison. Über ganz Österreich verteilt wird fleißig ausgestellt und eingeladen, ausgeschenkt und verkostet. Die Innsbrucker Weinmesse, die am zweiten Märzwochenende über die Bühne ging, ließ aber zuletzt mit einer neuen Preispolitik aufhorchen: Der Eintrittspreis war heuer doppelt so hoch wie noch letztes Jahr. Die Hälfte der 63 Euro war dabei in Form von Gutscheinen direkt auf der Messe einlösbar. Wir haben nachgefragt, was der Grund für die neue Preisgestaltung ist. Es stellte sich heraus: Die Innsbrucker Besucherschaft hat in den letzten Jahren wohl zu tief ins Glas geschaut, im Verhalten teils übertrieben. Und dabei auch noch das Weinkaufen vernachlässigt. Vielen ausstellenden Winzern und Winzerinnen gefällt das erwartbar wenig. Kann die neue Preisgestaltung die Messe wieder gesitteter machen?

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Dass Weinmessen nicht nüchtern bestritten werden, dürfte klar sein. Doch es gibt Grenzen.
IMAGO/Peter Henrich / HEN-FOTO

Schön anziehen, schiach wegtun?

Im Gespräch mit dem STANDARD beklagt Peter Lindpointner, Organisator der Weinmessen Innsbruck und Mondsee, dass die Uraufgabe der Messe zunehmend verlorengehe. "Eine Messe ist eine Wirtschaftsplattform, kein Fest", so der Geschäftsführer von Messen CMW. Er beobachte seit ein paar Jahren die Entwicklung, dass immer mehr jüngere Leute kommen, die sich einfach betrinken wollen. "Die Kalkulation, dass der Eintritt gerade mehr kosten muss als ein Kasten Bier, um die Trinker draußen zu halten, funktioniert nicht mehr", stellt er fest.

Das Ganze gipfelte im letztjährigen Innsbrucker Messesamstag, der auch von einigen Ausstellenden negativ hervorgehoben wurde. Für Lindpointner war er "eine Katastrophe". Schon am frühen Nachmittag waren zwei Poltergruppen samt entsprechender Geräuschkulisse unterwegs. Meine Wahrnehmung letztes Jahr: Gegen Ende glich die Messehalle einem chaotischen Trinkgelage.

Dass die Winzerinnen und Winzer davon – gelinde gesagt – nicht gerade entzückt waren, liegt auf der Hand. "Die Quote derjenigen, die wiederkommen wollen, ist mit 85 Prozent vergleichsweise niedrig", so Lindpointner. Am Mondsee liege sie noch niedriger. Ein Rundruf bei Austellern aus dem letzten Jahr, die heuer nicht mehr in Innsbruck dabei waren, ergab ein recht eindeutiges Bild. Während manche die beschwipste Besucherschaft mit Humor nehmen oder einfach Menschen sehen, die Spaß haben wollen, berichten andere von unguten Situationen. "Ich habe kurz Mineralwasser geholt, derweil haben sich Besoffene an meinem Wein bedient", schildert der eine. Das Konzept Messe sei für ihn gestorben, in anderen Städten sei es kaum besser. Neue Kundschaft könne man so nicht werben. Ein anderer spricht von Messen als Minusgeschäft, davon dass ihm ein Besucher verraten habe, die Weinmesse sei unter Jungen allgemein als "Ort zum Saufen" bekannt. Eine Winzerin berichtet von Alkoholisierten, die ihr das Weinglas ohne Bitte und Danke im Vorbeigehen hingehalten haben. Ein Weiterer nennt sein letztes Messeerlebnis in Innsbruck schlicht "ganz schlimm". Lindpointner versteht die Aufregung: "Es geht nicht, dass Aussteller Betrunkene bespaßen müssen und sich nicht auf ernstzunehmende Kunden konzentrieren können."

Volksfest oder Fachleute unter sich

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Österreichsgrößte Weinmesse VieVinum findet jedes Jahr in der Wiener Hofburg statt.
ÖWM / Philipp Lipiarski

Fraglich nun, ob nur in Tirol über die Stränge geschlagen wird. Jedes Jahr finden österreichweit zahlreiche Weinmessen statt. Die Ausdehnung reicht dabei von der VieVinum in Wien bis zur Vinobile in Feldkirch, die Eintrittspreise reichen von acht Euro bei der Kärntner Intervino bis zum Wiener Ableger mit 75 Euro.

Wie ist es bei den anderen Weinmessen? Am Mondsee, so Lindpointner, habe sich die Situation in den letzten Jahren ähnlich wie in Innsbruck entwickelt. Auf Nachfrage erzählt eine Zuständige der Klagenfurter Intervino, die bis 2022 bei der Gastromesse mitlief, solche Szenen kenne man bisher nicht. Vom Veranstaltungsmanagement der Stadt Feldkirch, verantwortlich für die Vinobile, heißt es, die Messe werde seit jeher "eher als Volksfest betrachtet". Unter der Besucherschaft seien sowohl Weinkennerinnen und Weinkenner, die sich informieren wollen, als auch Leute, die eben gerne trinken. Natürlich gebe es Betrunkene und kaputte Gläser, arg sei ihnen das bisher aber nie vorgekommen. Schließlich gebe es aufmerksame Securitys vor Ort.

Die Wiener VieVinum gibt sich wortkarg. Zwar wurden auch hier die Preise für Privatbesucher vor zwei Jahren angehoben – wie stark, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Als Grund wird diplomatisch auf "vermehrten Fokus auf Fachpublikum" verwiesen. Ob sich auch dort das Endverbrauchertum danebenbenommen hat? Wer weiß.

Qualität statt Quantität 

Aber wie bändigt man eine trinkfreudige Meute? In Innsbruck hat es Organisator Lindpointner heuer mit einem Gutscheinsystem versucht. "Von den 63 Euro Eintritt bekommen Besucher drei Zehn-Euro-Gutscheine, die sie direkt einlösen können", erklärt er. Das soll, erstens, den Verkauf ankurbeln, und, zweitens, jene abschrecken, "die nur zum Saufen kommen". Seine Bilanz nach der Messe: Rund ein Drittel weniger Besucherinnen und Besucher. Der Großteil der Gutscheine wurde auch eingelöst und hat somit seinen Zweck erfüllt.

Und die Rückmeldung der Ausstellenden? "In der Zufriedenheitsbefragung nach der Messe wurde das Gutscheinsystem sehr positiv bewertet", so Lindpointner. Die Rede sei von mehr Zeit für Gespräche mit potenzieller Kundschaft, allgemein höherer Besucherqualität, teilweise mehr Umsatz. Jene, die die Variante ohne Einkaufsgutscheine bevorzugen, seien in der klaren Minderheit. Einziges Manko: Einige Besuchende hätten das System nicht verstanden oder zu spät mitbekommen, dass die Gutscheine direkt vor Ort einlösbar sind. An der Kommunikation müsse noch gefeilt werden.

Es sieht aus, als hätte Lindpointner das Steuer wieder fest(er) in der Hand, die Innsbrucker Weinmesse zurück auf Kurs gebracht. Diesen Eindruck bestätigen auch drei Weinbauern, die heuer wieder dort waren. Aber was heißt das für die Weinliebhaberinnen und -liebhaber? Offenbar ist die Versuchung groß, eine eigentliche Wirtschaftsplattform auch als Durchkoster ohne Kaufinteresse zu besuchen. Manch einen mag auch die Kalkulation, um Betrag X einen "g'scheiten Rausch" mitzunehmen, dazu verleiten, eine Messe mit einem Volksfest zu verwechseln. Trotzdem muss klar sein: Die Winzerinnen und Winzer sind nicht zum Spaß dort. Und auch wenn man nirgends etwas kauft und keine Bestellliste ausfüllt, sollte man die Aussteller und Aussteller nicht als Ersatz fürs Barpersonal sehen. (Nina Schrott, 27.3.2024)