Polizistinnen und Polizisten in Uniform
"Höfliche Ablehnung ist die beste und sicherste Form des Umgangs mit Geschenken", heißt es im Verhaltenskodex des Innenministeriums.
Heribert Corn

Die Meldung ist am Dienstag ziemlich eingeschlagen. Wenig überraschend: Polizisten waren beim Verlassen der russischen Botschaft in Wien mit Geschenksäcken gesehen worden, die gut sichtbar das Staatswappen der russischen Föderation trugen. Wie das?

Die Szene trug sich am 17. März, dem Tag der russischen Präsidentschaftswahl, zu. Österreichische Beamte waren an diesem Sonntag anlässlich der Wahl im Einsatz, um rund um die Stimmabgabe in der Botschaft für Sicherheit zu sorgen. Nachdem etwas nach 22 Uhr die letzten Wählerinnen und Wähler die Botschaft im dritten Wiener Gemeindebezirk verlassen hatten, folgten zumindest sechs Mitarbeiter des Landesamts Staatsschutz und Extremismus (LSE) und der Polizei. Zumindest drei trugen dabei die Geschenksackerln mit russischem Staatswappen.

Beamte sollen sensibilisiert werden

Österreichische Polizeibeamte, die im Dienst russische Geschenke annehmen? Das ergibt eine zumindest heikle Optik – und wirft wie immer in solchen Fällen die Frage auf, ob die Schenker für ihre Aufmerksamkeiten womöglich Gegenleistungen erwarten. Die Landespolizeidirektion (LPD) Wien bestätigte den Erhalt der Geschenksackerln – ebenso wie die Beamten selbst –, hielt aber fest, dass es sich beim Inhalt der Säcke um "Gegenstände geringen Werts" handle. Die Annahme der Geschenke sei deshalb keine Verfehlung, hinterlasse aber einen "unerwünschten Eindruck". Beamte sollen deshalb sensibilisiert werden, um derartige Aufmerksamkeiten künftig abzulehnen. Was genau sich in den Papiersäcken der russischen Botschaft befand, wollte man aber auch auf Nachfrage zunächst nicht verraten.

Auch eine STANDARD-Anfrage zur Art der Geschenke wurde nicht umgehend beantwortet. Am Mittwochvormittag kam schließlich doch die offizielle Bestätigung der LPD Wien: In den Geschenksäcken der russischen Botschaft befanden sich demnach jeweils eine Schachtel Pralinen und ein Wandkalender. Warum aber so langes Zögern, um den Erhalt eines Kalenders und einer Pralinenschachtel zu bestätigen?

Unruhe wegen Moskau

Dem Vernehmen nach dürfte die Tatsache, dass es sich beim Geschenkgeber um Russland gehandelt hat – und in Anbetracht der heiklen Beziehungen seit Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine –, für einige Unruhe bei Behörden und im Innenministerium gesorgt haben. Was zu einer offenkundig eher verunsicherten und verzögerten Kommunikation geführt hat. Bis zur offiziellen Bestätigung durch die LPD, die sie letztlich auch per Posting auf X, vormals Twitter, verkündete, hat die Causa intern dementsprechend noch mehrere Schleifen gezogen.

Zur Unruhe im Ministerium dürfte auch beigetragen haben, dass der Polizei schon in jüngerer Vergangenheit zu viel vermeintliche Russlandfreundlichkeit vorgeworfen wurde. Im Sommer 2022 hatten Mitarbeiter eines der russischen Botschaft nahestehenden Vereins bei einer Fortbildung der Wiener Polizei über ukrainischen Nationalismus referieren dürfen. Dabei waren auch Thesen zu hören, die Russland zur Rechtfertigung des Kriegs gegen die Ukraine verwendet. Der ukrainische Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez, hatte das damals heftig kritisiert.

Blaue Russland-Nähe

Und: Laut STANDARD-Informationen war einer der Beamten, die am Tag der russischen Präsidentenwahl Dienst bei der russischen Botschaft versahen, einst im polizeilichen Personenschutz für den damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) tätig. Der Polizist trat 2014 auch auf der FPÖ-Liste für die EU-Wahl an; 2019 dann, ebenfalls für die Freiheitlichen, bei der Gemeinderatswahl in Wiener Neustadt.

Die teils engen blauen Verbindungen Richtung Moskau sorgen seit vielen Jahren für Aufsehen. Bereits 2016 hatte die FPÖ einen "Freundschaftsvertrag" mit Putins Partei Einiges Russland abgeschlossen. Kürzlich waren die Kontakte des damaligen Kanzlers Strache zu einem russischen Diplomaten Thema, den manche Behörden den Moskauer Geheimdiensten zurechnen – DER STANDARD berichtete.

"Höfliche Ablehnung" beste Form

Aber was dürfen Polizistinnen und Polizisten eigentlich grundsätzlich annehmen und was nicht? Wie genau ist das geregelt? Und sind da exakte Grenzen definiert? Das Beamtendienstrecht regelt diese Frage in Paragraf 59 – bleibt dabei aber unbestimmt über genaue Grenzen. Dort wird zwar festgehalten, dass es einer Beamtin oder einem Beamten verboten ist, "im Hinblick auf ihre oder seine amtliche Stellung oder Amtsführung" ein Geschenk oder einen sonstigen Vorteil anzunehmen. Eine "orts- oder landesübliche Aufmerksamkeit von geringem Wert" gelte aber nicht als Geschenk oder sonstiger Vorteil.

Zudem gilt für die Polizistinnen auch der Verhaltenskodex des Bundes und jener des Innenministeriums. In Ersterem gibt es eine etwas genauere Definition "orts- oder landesüblicher Aufmerksamkeiten geringen Werts": Als Maßstab wird dort die sogenannte 3-K-Regel genannt. Heißt: "Kugelschreiber, Kalender und Kleinigkeiten". Sowohl die Annahme der Pralinenschachtel als auch jene des Wandkalenders ist Beamtinnen und Beamten demnach grundsätzlich erlaubt.

Im Verhaltenskodex des Innenministeriums ist unterdessen festgehalten: "Höfliche Ablehnung ist die beste und sicherste Form des Umgangs mit Geschenken." Bei "Ehrengeschenken" sei auf den "besonderen Ausdruck der Wertschätzung" abzustellen. Von der Entgegennahme eines Ehrengeschenks sei der Dienstgeber "umgehend" zu informieren. (Martin Tschiderer, 27.3.2024)