"Asche" von Elena Wolff (re.) ist eine wunderbar satirische Parabel auf die Kunstwelt und das, was unter ihrer Oberfläche schlummert.
Nora Einwaller

Als "Nachwuchstalent" gilt man in der österreichischen Filmbranche wohl ungefähr bis Ende 30. Mit Anfang 40 wird es dann sogar als sehr bekannte Schauspielerin schon schwierig, das stellte Mavie Hörbiger – damals 41-jährig – einmal auf Twitter fest, nachdem sie eine Absage aufgrund ihres Alters bekommen hatte. Trotzdem: Auch in diesem Jahr gibt es auf der Diagonale wieder einige Filme von Menschen, die noch nicht besonders viele Filme gemacht haben und auch noch nicht besonders alt sind. Das ist schön!

Im Dokumentarfilm Anqa erzählt die kurdische, interdisziplinär arbeitende Künstlerin Helin Çelik eine Geschichte von häuslicher Gewalt, in der sowohl bildlich als auch narrativ viel im Dunkeln bleibt. Martha Mechows Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin ist ein Spielfilm über zwei Schwestern – aber auch noch viel mehr als das. Im Traum sind alle Quallen feucht, ein Kurzfilm von ­Marie Luise Lehner, versteht sich als sensible Hommage auf queere Körper und die dazugehörigen Identitäten, und in Edelweiss zeigt uns Anna Gaberscik in dokumentarischer Präzision einen Liebesbrief an ein Land, das von Rassismen und Diskriminierung durchdrungen ist: Österreich. Seine Weltpremiere feiert auch Asche, ein episodischer Spielfilm von Elena Wolff, der autofiktionale Züge aufweist.

Koks und Gespräche

Elena Wolff versteht sich als nichtbinäre Person. Geboren ist sie in Berlin-Kreuzberg, aufgewachsen in Kitzbühel, mit 14 Jahren zog sie nach Wien. Von 2015 bis 2019 studierte Wolff Schauspiel an der Anton-Bruckner-Universität in Linz, stand aber auch auf Poetry-Slam-Bühnen, macht Tiktok-Videos und ist künstlerisch generell in vielen Gassen unterwegs. Aktuell studiert sie Regie an der Filmakademie Wien. Bereits ihr Debüt Para:dies, das 2022 auf dem Filmfestival Max-Ophüls-Preis uraufgeführt wurde und im selben Jahr seine Österreich-Premiere auf der Diagonale hatte, war eine autofiktionale Auseinandersetzung mit sich selbst, in der Elena Wolff auch selbst mitspielte und scheinbar eine Geschichte über Elena Wolff erzählt hat. Asche erzählt jetzt wieder so eine Geschichte, unter den Hauptdarstellerinnen: Elena Wolff.

Der Film spielt im Milieu Linzer Kunststudierender, da wird gern geraucht und getrunken, und da wird auch gern Pulver durch Nasenlöcher gezogen. Dazu werden Gespräche geführt, über Kunst, die meistens existenziell und ganz kritisch ist. "Weißt du, was ich mein?", fragt man dann, und darauf antwortet man mit: "Ja, ich weiß genau, was du meinst." Währenddessen läuft im Hintergrund der Rapper Bibiza, wie er "Ich spür nix, aber hab ein ­gutes Outfit" singt. Dann schmust man und hat Sex mit irgendwem. Beziehungen führt man zwar, aber bevorzugt toxisch oder zumindest nicht monogam.

Unendlicher Spaß

Episodisch erzählt Asche so von einer Lebenswelt, in der auf Vernissagen, Partys und in WG-Küchen rauschhaft nach Sinn oder zumindest Substanz gesucht wird, nicht aber, ohne sich mit einer gehörigen Portion Selbstironie gegenüber dem Vorwurf, seine Privilegien nicht zu reflektieren, abzusichern.

Dem zuzusehen macht großen Spaß, mit der klar darunterliegenden Gewissheit, dass so zu leben irgendwann gar nicht mehr lustig ist. Das spielfreudige Ensemble wird außerdem von Thomas Schubert ergänzt, der durch seine Rollen in ­Roter Himmel und Andrea lässt sich scheiden gerade auf dem besten Weg ist, weltbekannt in Österreich zu werden. Als Partner von Elena Wolff verkörpert er den klassischen Archetypen des weltgewandten Künstler-Alphamanns: Der offene Status seiner Beziehung ist ihm wichtig, seine Muse will ER aber trotzdem besitzen. Dadurch ergibt sich eine auf den ersten Blick plakative, aber doch sehr einfühlsame Geschichte über Authentizität, künstlerische Geltungssucht und Liebe. (Jakob Thaller, 4.4.2024)