In den USA ist es Statussymbol der Freiheit: das eigene Auto. Je größer, desto besser. Wenig verwunderlich also, dass Pick-up-Trucks dort zuletzt den größten Teil der Neuregistrierungen ausmachten. 280 Millionen Autos sind in den Vereinigten Staaten insgesamt registriert. Beinahe jeder Haushalt verfügt über ein Fahrzeug, in einem Viertel aller Haushalte sind gar drei oder mehr Autos gemeldet.

Der Pkw ist in den USA aber nicht nur Statussymbol, er ist auch ein Symbol für verpasste Klimapolitik. Eine Verschiebung Richtung Fuß- und Fahrradverkehr? Fehlanzeige. Umsteigen auf Öffis? In den meisten Bundesstaaten nicht möglich. Im Gegenteil: Die Förderung fossiler Rohstoffe – und allem, was dazu gehört – wird in den USA großgeschrieben. Immerhin ist sie zu großen Teilen für den Wohlstand im Land verantwortlich. Die Vereinigten Staaten sind der größte Gasproduzent weltweit. Kohle spielte in der Stromerzeugung über Jahrzehnte eine markante Rolle, auch wenn der Anteil zuletzt sank. Umso wichtiger ist die Erdölgewinnung, auch hier führen die Vereinigten Staaten weltweit.

Ein Lkw voller Pick-up-Trucks.
Groß, größer, am größten: In den USA ist das Auto ein Statussymbol – und Symbol verpasster Klimapolitik.
REUTERS/REBECCA COOK

Und dennoch will die Großmacht klimaneutral werden. Spätestens 2050 soll die Netto-Null erreicht werden, kündigte US-Präsident Joe Biden an. Entscheidend dafür wird die Politik der nächsten Jahre sein – und damit das Ergebnis der Präsidentschaftswahl im Herbst. Sie ist nicht weniger als eine Richtungsentscheidung in der Klimapolitik – auch global betrachtet: Die USA sind der zweitgrößte Emittent der Welt, nur China erzeugt mehr Treibhausgase.

Die Positionen von Joe Biden und Donald Trump könnten, was das Klimathema anbelangt, nicht unterschiedlicher sein: "Jeder, der absichtlich die Auswirkungen des Klimawandels leugnet, verurteilt das amerikanische Volk zu einer sehr gefährlichen Zukunft", meint der Demokrat. "Es gibt so etwas namens Wetter, und es geht auf und ab. Der Klimawandel ist ein Scherz", sagte der Republikaner.

Trump ist mit seinen Ansichten nicht allein, was die Klimawende nicht einfacher macht: Rund 15 Prozent der US-Amerikaner – und damit immerhin 50 Millionen Menschen – sind davon überzeugt, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt. Vor allem über soziale Medien verbreiten sich Fehlinformationen über die Klimakrise wie ein Lauffeuer, wie eine aktuelle Studie der University of Michigan zeigt.

Aufkeimen der Klimapolitik

Trotz der breiten Front gegen Klimaschutzmaßnahmen ist es Biden gelungen, eine Reihe an klimapolitischen Maßnahmen zu setzen. Unter dem Demokraten wurde die Industrie grüner, neue Klimaziele wurden etabliert und Milliarden für den Klimaschutz bereitgestellt. Vor allem ein Schritt ist hervorzuheben: "Es gibt das erste Mal in der Geschichte der USA ein Klimaschutzgesetz", sagt US-Klimaexpertin Sonja Thielges von der Stiftung Wissenschaft und Politik mit Sitz in Berlin. Das Gesetz kommt allerdings unter einem Decknamen daher – wohl absichtlich, denn nicht nur in Österreich gehen beim Reizwort "Klimaschutzgesetz" die Wogen hoch.

Deshalb verpasste Biden dem Klimapaket das politisch besser vermarktbare Label "Inflation Reduction Act" (IRA). Rund 370 Milliarden US-Dollar stecken im IRA – und es wären noch mehr gewesen, hätten die Republikaner das Paket im Kongress nicht noch zusammengestutzt. Mit dem Geld fördert die Regierung Solarparks und Windanlagen, Elektroautos und Batterieherstellung, saubere Fabriken und Wasserstoffanlagen im ganzen Land.

Eine Öl-Raffinerie in Kalifornien.
Die Förderung fossiler Brennstoffe ist in den USA nach wie vor ein riesiges Geschäftsfeld.
REUTERS/Mike Blake

Spannend dabei: Rund 60 Prozent der Mittel für Klimaschutz sind laut Thielges zuletzt in republikanisch geführte Bundesstaaten geflossen. Das Geld landete dabei oft in Staaten mit vielen Wahlmännerstimmen, die in der Vergangenheit nicht klar für Demokraten oder Republikaner gestimmt haben. "Hier hat man sich schon auch strategisch überlegt, wie man diese Gelder sinnvoll ausgeben kann", sagt Thielges.

Selbst europäische Unternehmen liebäugelten wegen der hohen Förderungen in den USA mit einem transatlantischen Umzug. Die EU musste mit dem "Green Deal Industrial Plan" nachlegen, um künftige Schlüsselindustrien in Europa zu halten.

Bis 2030 sollen durch all die Maßnahmen die Emissionen im Land um die Hälfte sinken, bis 2050 soll Klimaneutralität erreicht werden. Derzeit liegen die Emissionen in den USA bei rund zehn Prozent unter dem Niveau von 1990. "Von da bis 2050 auf die Netto-Null zu kommen ist noch ein sehr, sehr langer Weg", erklärt Thielges.

Donald Trump, hier im Wahlkampf 2016, will wieder verstärkt fossile Brennstoffe fördern.
imago/ZUMA Press

Bloß kein Klimaschutz

Deutlich steiniger dürfte jener Weg werden, falls erneut Trump in das Weiße Haus einziehen sollte. Der Republikaner machte in seiner Amtszeit erst einen Klimawandelleugner und später einen Kohlelobbyisten zum Chef der mächtigen Umweltbehörde EPA. Er ließ Abgasgrenzen für Autos und Lkws heruntersetzen und genehmigte neue Öl- und Gasprojekte. Alle Zeichen stehen darauf, dass Trump diesen Kurs in einer zweiten Amtszeit fortsetzen würde. Der Ex-Präsident macht sich regelmäßig medienwirksam über Klimaschutz lustig und lehnt den Inflation Reduction Act klar ab.

Wohin die Reise gehen würde, zeichnet sich bereits ab: Konservative Thinktanks haben sich unter dem Namen Project 2025 zusammengeschlossen und einen Schlachtplan für die ersten 180 Tage der möglichen Präsidentschaft Trumps ausgearbeitet. Er bietet einen Vorgeschmack auf das, was in einer zweiten Trump-Präsidentschaft auf die USA zukommen könnte: Die nationale Wetterbehörde NOAA, die wichtige Klimadaten, etwa zur CO2-Konzentration in der Atmosphäre, liefert, soll gestrichen werden.

"Drill, baby, drill"

Die Klimakrise soll nicht mehr auf der Agenda des Nationalen Sicherheitsrats stehen und der "Krieg gegen Öl und Gas" beendet werden. "We will drill, baby, drill", verspricht Trump in Reden und Wahlkampfvideos gebetsmühlenartig. Selbst in geschützten Gebieten der Arktis wollen es die Republikaner Konzernen einfacher machen, nach Öl und Gas zu bohren. CO2-Grenzwerte für Autos sollen wieder verwässert werden. Einen Plan, wie CO2-Emissionen gemindert werden sollen, gibt es in dem über 900-seitigen Dokument nicht.

Das vielleicht folgenreichste Vorhaben könnte aber der Plan sein, eine Feststellung der Umweltbehörde EPA zu widerrufen, wonach die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre eine Gesundheitsgefahr darstellt. Viele Klimagesetze der USA bauen auf diesem Befund auf. Wird er gestrichen, würden Behörden die rechtliche Grundlage fehlen, auf derer sie Emissionen einschränken. Der Plan, der den Titel "Mandate for Leadership" trägt, ist zwar auch unter Republikanern umstritten – die Erfahrung zeigt aber, dass Trumps parteiinterne Widersacher kaum etwas zu sagen haben.

Einfach abschaffen könnte Trump den IRA zwar nicht, erklärt Thielges, dazu bräuchte er mitunter eine Mehrheit im Senat. Er hätte allerdings die Möglichkeit, das Klimagesetz deutlich einzuschränken – etwa wenn es darum geht, wer oder welche Art von Technologie Anspruch auf die Klimamilliarden hat. Die grüne Wende in der Industrie könnte so deutlich ins Stocken kommen.

Hoffnung auf Bundesstaaten

Ist die Klimawende im Fall eines republikanischen Siegeszugs also abgesagt? Nicht unbedingt. Die Hoffnung ruht auf den Bundesstaaten, die gerade im Klimabereich viel Handhabe haben. "Sie können ihre eigenen Klimaschutzpläne machen, sie können sich eigene ambitionierte CO2-Grenzen oder Klimaziele setzen", sagt Thielges. "Da sind sie eigentlich sehr unabhängig." Vor allem im Stromsektor haben die Staaten viel Freiheit und können diesen auf eigene Faust dekarbonisieren.

Ex-Präsident Donald Trump und Präsident Joe Biden.
Wer wird im Weißen Haus residieren? Die Antwort auf diese Frage wird die Klimapolitik der nächsten Jahre maßgeblich beeinflussen.
AP

Wie aktiv sich die Staaten für das Klima einsetzen, ist sehr unterschiedlich: Kalifornien und andere Küstenstaaten sind von der Klimakrise bereits stark betroffen – und haben ihre Politik entsprechend angepasst. In Kalifornien gibt es etwa ab 2035 ein Verkaufsverbot für Neuwagen, die fossil betrieben werden. Auf Bundesebene konnte das bislang nur für Fahrzeuge umgesetzt werden, die der Bund selbst erwirbt.

Anders sieht es bei Staaten im Zentrum und im Süden des Landes aus. Ihr Wohlstand beruht auf der Öl- und Gasproduktion, die sie nicht einschränken wollen. Vor allem Texas, der größte fossile Produzent des Landes, ist im Klimaschutz ein Knackpunkt, erklärt die US-Expertin.

Einzigartiges Fenster genutzt

Wie es mit der US-amerikanischen Klimapolitik nach 2024 weitergeht, ist aber nicht nur für die Vereinigten Staaten selbst, sondern für die gesamte Welt von Bedeutung. "Sowohl China als auch die USA haben eine Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik für sich beansprucht", sagt Thielges. Eine Faustregel besagt, dass internationale Klimaverträge nur auf den Weg gebracht werden können, wenn sich China und die USA vorab einigen können. Fallen die Vereinigten Staaten als verlässlicher Partner weg, könnte der Ehrgeiz für mehr Klimaschutz auch in anderen Staaten nachlassen.

In der internationalen Klimadiplomatie verloren die USA schon einmal an Ansehen, als Trump 2017 aus dem Pariser Klimaabkommen ausstieg – ein Schritt, den Trump aller Voraussicht nach in seiner zweiten Amtszeit wiederholen würde. Ein Ende des Abkommens wäre das aber dennoch nicht. "Es hat auch in den vier Jahren mit Trump weiter funktioniert", sagt Thielges. Damals knüpfte die internationale Gemeinschaft verstärkt Kontakte mit klimaschutzwilligen Bundesstaaten.

Und wenn Joe Biden gewinnt? Dann würden wohl trotzdem keine großen neuen Klimagesetze kommen. "Es gab ein einzigartiges Fenster, in dem der Inflation Reduction Act verabschiedet werden konnte", sagt Thielges – und Biden hätte dieses genutzt. Der jetzige Klimakurs würde bei einer zweiten Präsidentschaft Bidens deshalb im Wesentlichen fortgesetzt werden. Für die globalen Bemühungen, die Emissionen Richtung null zu biegen, wäre eine erneute Abkehr der USA von diesem Weg ein herber Schlag. (Nora Laufer, Philip Pramer, 1.4.2024)