Wer sich gefragt hat, warum vor einem Jahr hunderttausende Israelis ihren Zorn auf die Straßen trugen, um gegen eine Entmachtung der Justiz zu protestieren, erhielt am Donnerstagabend eine klare Antwort. Sie kam vom Höchstgericht in Jerusalem. Dieses hat nun endgültig entschieden, dass die Regierung nicht einfach jeden jungen Militärdienstverweigerer ins Gefängnis stecken kann, während jedes Jahr zehntausende ultraorthodoxe Männer sogar dafür bezahlt werden, nicht in die Armee zu gehen.

Bei zahlreichen Demonstrationen forderten Teilnehmende, auch Ultraorthodoxe künftig zum Wehrdienst einzuziehen.
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Diese grobe Ungleichbehandlung zwischen strenggläubigen und allen anderen Juden in Israel stört die Mehrheit im Land schon lange; auch das Höchstgericht sagt schon seit geraumer Zeit, dass das rechtswidrig ist. Benjamin Netanjahus Regierung wollte das Gericht auch aus diesem Grund entmachten. Die Koalition war entschlossen, die pauschale Befreiung der Ultraorthodoxen vom Wehrdienst gesetzlich in Beton zu gießen – und dem Obersten Gerichtshof alle Hebel wegzunehmen, um diese Ungleichheit aufzuheben. Was dann geschah, ist bekannt: Ein von niemandem erwarteter Schwall an Demonstranten ergoss sich über die Straßen Israels.

Der Protest der Zivilgesellschaft war erfolgreich, der Justizcoup scheiterte. Und wie man heute sieht, könnte er bald auch die am weitesten rechts stehende Regierung, die Israel je hatte, zu Fall bringen – wenigstens indirekt. Dann nämlich, wenn die rechts-religiöse Koalition daran scheitert, eine rechtskonforme Lösung für das Wehrdienstproblem zu finden – und letztlich daran zerbricht. (Maria Sterkl, 29.2.2024)