"Und wer übernimmt die Verantwortung, wenn so ein Mädchen fünf Stück von der "Pille danach" nimmt, um sicherzugehen, dass es auch ganz bestimmt nicht schwanger wird?", empört sich Polens Präsident Andrzej Duda in einem Fernseh-Interview. Das so ein Fall in anderen Staaten, die den Zugang erleichtert haben, bisher kaum vorgekommen ist, schränkt seine Erregung nur wenig ein. Immerhin sei die Pille eine "hormonale Bombe".

Nach dem internationalen Frauentag wurde in der Dreistadt (Danzig, Gdynia und Sopot) für die Umsetzung der Abtreibungsliberalisierung demonstriert.
EPA/Marcin Gadomski

Ausgerechnet an den Osterfeiertagen entschied Duda, das Gesetz der neuen Mitte-Links-Regierung zum freien Verkauf der "Pille danach" in Apotheken mit einem Veto zu blockieren. Angeblich diene dieses Veto dem "Schutz der Kinder". Denn das Gesetz sieht vor, dass das in ganz Europa rezeptfrei zu kaufende Verhütungsmittel auch in Polen an 15- bis 18jährige abgegeben werden dürfe. Denn 15-Jährige haben das Recht auf einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, also sollten sie auch das Recht das Recht zur Verhütung haben, so das Argument der Regierung.

Tricks für die Geburtenrate

Um diese "Kinder" vor einer ungewollten Schwangerschaft zu schützen, verbot Duda ihnen jetzt die Notfall-Verhütung, die die Gefahr, doch ungewollt schwanger zu werden, natürlich steigert. Diese auffällige Unlogik hat mit Dudas früherer Partei, der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS), zu tun. Die PiS nämlich hatte in ihrer Regierungszeit von 2015 bis 2023 die Rezeptpflicht für die "Pille danach" eingeführt, wohl wissend, dass die normalen Wartezeiten auf einen Termin beim Gynäkologen bei zwei Wochen und mehr liegen. Die "Pille danach" muss aber innerhalb von 24 Stunden nach eiener Verhütungspanne eingenommen werden, sonst wirkt sie nicht mehr.

Polens Präsident Andrzej Duda sorgt sich, Mädchen könnten gleich mehrere Abtreibungspillen gleichzeitig nehmen, und erschwert daher den Zugang.
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Mit solchen Tricks versuchte die PiS die Geburtenrate in Polen in die Höhe zu treiben. Zu diesem Zweck wurde auch das Abtreibungsecht verschärft. Legal sind Abtreibungen in Polen nur noch, wenn Ärzte und Staatsanwältinnen eine Vergewaltigung bestätigen, wenn es zu einem Inzest kam oder wenn der Frau ein bleibender Gesundheitsschaden durch Schwangerschaft oder Geburt drohen. Mehrfach forderten hunderttausende Polinnen in sogenannten "schwarzen Märschen" die Liberalisierung die restriktiven Abtreibungsrechts.

Bei Männern wenig Bedenken

Doch die Diskriminierung der Frauen und Mädchen in Polen hört nicht bei der "Pille danach" oder dem Abtreibungsrecht auf. Während polnischen Frauen eine Sterilisation gesetzlich verboten ist, können Männer sie jederzeit durchführen lassen. Männer jeden Alters können auch in der Apotheke rezeptfrei das Erektionsmittel Viagra kaufen. Sie müssen weder zum Urologen noch zum Psychiater oder Kardiologen, um sich ein Rezept ausstellen zu lassen. Präservative können sogar in Kiosken und Lebensmittelläden gekauft werden. Polens Präsident scheint keine Bedenken zu haben, dass Männer fünf Viagra-Pillen auf einmal schlucken könnten, um nur ja eine Erektion zu bekommen. Oder aber fünf Präservative übereinander anziehen könnten, um nur ja die gewünschte Wirkung zu erreichen.

Empörung über Präsident Duda gibt es nicht nur bei Aktivistinnen.
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Dennoch gibt es Hoffnung für Polens Frauen: Izabela Leszczyna, die neue PO-Gesundheitsministerin, kündigte einen "Plan B" an, mit dem sie das Veto des Präsidenten umgehen will. Sie will Apothekern und Apothekerinnen das Recht geben, selbst Rezepte für die "Pille danach" auszugeben. Dafür reiche eine einfache Verordnung aus. Nach einer kurzen Beratung über die Wirkungsweise der "Pille danach" und den Vorteilen einer regelmäßigen Verhütung könne die Packung mit der einen Pille dann über die Theke gehen. Schon allein der Preis in Höhe von 40 bis 130 Zloty (ca 9 bis 30 Euro ) werde dafür sorgen, dass Frauen die "Pille danach" nicht einfach so mehrfach hintereinander einnehmen würden. Schon am 1. Mai könne die Verordnung in Kraft treten, so Leszczyna.

Warten auf 2025

Die Abschaffung des restriktiven Abtreibungsrechts war eines der großen Wahlkampfversprechen der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) und der Neuen Linken gewesen. Doch nach 100 Tagen Regierungszeit ist noch nichts geschehen. Neben dem Präsidenten, der bereits sein Veto gegen eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts ankündigte, blockiert auch der christlich-agrarische Koalitionspartner "Dritter Weg" die Gesetzgebung. Die Dritte Weg-Abgeordneten sind überzeugt, dass eine Polin unfähig sei, selbstverantwortlich über sich und ihren Körper zu entscheiden. Dies müssten Kontrollpersonen wie Politiker, Priester und Ärzte tun. Die frauenfeindliche Politik des Dritten Wegs könnte sich schon bei den Kommunalwahlen am 7. April und dann auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni rächen. Bei Duda hingegen warten die meisten nur noch auf das Ende seiner Amtszeit Mitte 2025. (Gabriele Lesser aus Warschau, 1.4.2024)