444.000 Euro für einen Starmoderator, rund 426.000 Euro für den Manager eines 303-Millionen-Bauprojekts, ähnlich viel für den Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Medienhauses: Mit der namentlichen Offenlegung der ORF-Spitzengehälter haben ÖVP und Grüne, parallel zur Umstellung auf den verpflichtenden ORF-Beitrag, eine erwartbare Empörungswelle losgetreten. Das trägt zwar zur Transparenz im großteils öffentlich finanzierten ORF bei – ist aber die falsche Debatte.

ORF-Logo vor dem ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg.
Erst Aufgabe, Sinn und Strukturen klären: ORF-Logo vor dem ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg.
APA Eva Manhart

Erst Sinn und Aufgabe klären

Eine ernstgemeinte Diskussion über den ORF beginnt bei Grundlegenderem: Braucht es 2024 ein von allen finanziertes öffentliches Medienunternehmen? Wenn ja, wie kann eine Regierungsmehrheit im Nationalrat sicherstellen, dass öffentliche Kontrolle nicht Kontrolle im Interesse der Politik bedeutet? Was soll, was kann ein öffentlich-rechtliches Medienunternehmen leisten im Interesse der Allgemeinheit? Welche Strukturen sind dafür nötig? Welche Angebote und Kanäle braucht es, um diese Aufgaben zu erfüllen? Und wie stellt man sicher, dass dieses Medienunternehmen nicht durch schiere Marktdominanz die Vielfalt auch privater Medien massiv erschwert?

Wenn verantwortungsvolle Medienpolitik diese Fragen geklärt hat, wäre es an der Zeit, die Finanzierung für diese Aufgaben festzulegen und zu überlegen, mit wie vielen Menschen sie professionell zu bewerkstelligen sind – und wie viel man ihnen zahlen muss, damit sie überhaupt für den ORF arbeiten.

Gerechte Gehälter sind nicht alleine eine ORF-Frage

Man kann und muss über die Bezahlung von Führungskräften diskutieren, insbesondere in öffentlichen Unternehmen. Aber soziale Gerechtigkeit oder, besser, Rechtfertigbarkeit geht weit darüber hinaus in die Privatwirtschaft.

Die Privatwirtschaft hat Rückwirkungen auf öffentliche Unternehmen. Wer kundiges Personal sucht, steht in Konkurrenz zu anderen Unternehmen derselben Branche. Der neue ORF-Chefredakteur Johannes Bruckenberger etwa erklärt, sein jetziges Gehalt liege unter jenem als Chefredakteur der APA zuvor. In der jüngeren Mediengeschichte hätten manche Medienmanager teils deutliche Gehaltseinbußen erlebt, wären sie, wie ab und an kolportiert, ORF-Chef geworden.

Wer überwiegend öffentlich finanziert wird, muss seine Gehaltsstruktur offenlegen und noch besser erklären. Das gilt nicht nur für Medienunternehmen wie den ORF oder die nun rein digitale "Wiener Zeitung"-Gruppe, sondern für alle öffentlichen Unternehmen.

Die Koalition aus ÖVP und Grünen beließ es lieber beim ORF.

Vielzahl alter Kollektivverträge

Dem wieder muss man vorwerfen: Er hat über Jahrzehnte alle fürstlichen Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträge aus den goldenen öffentlich-rechtlichen Monopolzeiten bis auf kleinere Valorisierungen nie wesentlich angetastet. Nur rund die Hälfte der Beschäftigten ist im ungünstigeren KV von 2014, die übrigen haben ältere, bessere. Einige von ihnen stehen in der Liste der Topverdiener. Und auch der ORF sollte sich, wie die Medienpolitik, die grundlegenderen Fragen nach Strukturen und Angeboten stellen.

ÖVP und FPÖ gab die Veröffentlichung der ORF-Spitzengehälter die Gelegenheit, deren Obszönität anzuprangern. Die SPÖ fordert immerhin ein im Innenverhältnis gerechteres System. Wer immer in der nächsten Regierung sitzt, sollte sich erst den richtigen Fragen zum ORF zuwenden. (Harald Fidler, 2.4.2024)