Karl Nehammer
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) forderte zuletzt einen Bundestrojaner.
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Hörte man der ÖVP in den vergangenen Monaten aufmerksam zu, so scheint es, als wäre die Polizei bei so ziemlich jeder schweren Straftat handlungsunfähig. Blind und taub sei die Exekutive, wenn es etwa um die Ausforschung von Terrorismusverdächtigen gehe, trommelt Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) regelmäßig – und fordert mehr Befugnisse für den Staatsschutz. Nun verkündet auch ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer: Um Spione zu enttarnen, brauche es Möglichkeiten, Messengerdienste zu überwachen – sprich: einen Bundestrojaner.

Hintergrund ist der Spionageskandal rund um den Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott, der jahrelang für Russland gearbeitet haben soll. Eine Erklärung, inwiefern dieser mithilfe einer Überwachungssoftware hätte enttarnt werden können, bleibt Nehammer schuldig. Die heimischen Behörden waren bereits 2017 alarmiert worden, die Indizien lagen auf dem Tisch – nämlich im Gmail-Account von Ott. Doch sie mussten geprüft werden. Die Überführung von Ott, so lautet eine plausible Erklärung eines seiner Vorgesetzten, scheiterte in erster Linie am Personal, von dem zu wenig vorhanden war, um es effektiv einsetzen zu können.

Ansehen schwer beschädigt

Der Umstand, dass Ott dennoch Beamter blieb, wenn auch nicht an seinem alten Arbeitsplatz, dass er über Jahre hinweg weiterspionierte – das ist eine Katastrophe für das Ansehen des Staats. Dennoch will Nehammer spionieren, um Spione zu enttarnen. Durch Verfassungsschützer, von denen noch bis vor wenigen Jahren einer – mutmaßlich – für einen anderen Staat spionierte. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen.

Mehr Überwachung durch die Exekutive erfordert großes Vertrauen der Bevölkerung. Mit dem aktuellen Fall ist das Ansehen der Behörden auf einem Tiefpunkt. Was es nun braucht, ist Aufklärung – nicht noch mehr Instrumente, die potenziell missbraucht werden können. Wer weiß, was Ott für Russland hätte herausfinden und weitergeben können, wenn er Zugang zu einem Staatstrojaner gehabt hätte. (Muzayen Al-Youssef, 7.4.2024)