Schillernder ORF-Manager Pius Strobl: Mit Boni liegt seine Gage über der des Generaldirektors.
Lukas Ilgner / VGN Medien Holdin

An diesem Abend trafen sich die vielen Leben des Pius Strobl. Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler war da, dessen Partei Strobl Jahrzehnte zuvor gegründet hatte. Medienmediziner Siegfried Meryn, der wie Strobl – und doch anders – Politik, Prominenz und ORF zu nützen weiß, hielt die Laudatio auf Strobl.

ORF-Langzeitgeneral Alexander Wrabetz war da. Strobl half ihm einst an die Spitze des größten Medienkonzerns im Land. Wrabetz gab ihm jenen ORF-Vertrag, der Strobl nun einen Spitzenplatz in der Liste der ORF-Gehälter eintrug, mit fast 426.000 Euro brutto pro Jahr vor dem ORF-Generaldirektor.

Ö3-"Wecker" Robert Kratky, als Einziger mit noch höherer ORF-Gage, war auch da, als Strobl am 23. November 2023 den Berufstitel Professor erhielt. Viele andere erwiesen ihm zudem die Ehre – Partnerinnen und Partner in geschäftlichen und persönlichen Lebensabschnitten aus 67 unglaublichen Jahren zwischen Gendarm, Gefängnis und Gagenkönig, zwischen Politik, Profit und Porsche, zwischen sozialem Engagement, Empathie und Eigennutz, zwischen Aufdecker und Absahner.

Ein Teil im Leben des Pius Strobl aber zeigte sich nicht an diesem lauen Abend im November. Jener Teil, der ihn wahrscheinlich am besten erklärt: seine bitterarme Kindheit.

1. Das Waisenkind

Pius Hans Viktor Strobl wird am 28. Juni 1956 im Burgenland geboren. Der Vater hat sich aus dem Staub gemacht. Die Mutter stirbt an einer Lungenentzündung in Folge der Asiatischen Grippe*, weil ihr der Arzt ohne Geld kein Penicillin geben wollte. Pius ist damals 16 Monate alt. Er wächst bei seiner Großmutter bei Mattersburg auf, eingekleidet bei der Altkleidersammlung. Nie wieder will er in Armut leben, schwört er sich damals.

2. Der Gendarm

Strobls Familie ist tiefrot, daher ist Pius bei den Roten Falken und der Sozialistischen Jugend. Er geht zur Polizei. Der rote Personalvertreter wird zurück zur damals tiefschwarzen Gendarmerie ins Burgenland versetzt.

3. Der rote Revoluzzer

Die Jungsozis Strobl und der spätere Parteimanager Josef Cap nehmen sich den damals mächtigen Burgenlandeshauptmann Theodor Kery vor. Caps legendäre Frage an Kery auf einem SPÖ-Parteitag: "Stimmt es, dass du mehr verdienst als der Bundeskanzler?" Das tut Strobl Jahrzehnte später längst.

4. Der Gründer der Grünen

Strobl bricht mit der SPÖ, lernt Öko-Vordenkerin Freda Meissner-Blau kennen und leitet ihren Präsidentschaftswahlkampf 1986. Im selben Jahr wird die grüne Partei gegründet. Formaler Parteigründer ist Strobl, er hinterlegt die Satzungen im Innenministerium. Die Grünen schaffen es in den Nationalrat, Strobl wird ihr Geschäftsführer. Der Ex-Gendarm mit Sinn für Publicity ignoriert seinen Einberufungsbefehl und geht als Wehrdienstverweigerer ins Gefängnis.

5. Die ORF-Connection

Ab 1989 sitzt Pius Strobl im ORF-Aufsichtsrat, mit offenem Ohr ins Haus als schlagkräftige Einmannfraktion. Ihm zugespielte Unterlagen tragen dazu bei, dass Programmintendant Ernst Wolfram Marboe gehen muss – Verwandte wurden mit Produktionen beauftragt. Hat Strobl da gelernt? Firmen in seinem Umfeld machen Geschäfte mit dem ORF, er erfindet 1996 den ORF-promoteten "Wiener Eistraum", sichert sich 1998 ORF-Rechte für Public Viewing, zieht sie als Großevents auf. 1999 verlässt er den ORF-Rat.

6. Der Immo-Entwickler

Schon 1990 hat sich Strobl aus der Politik verabschiedet. Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) will den heruntergekommenen Spittelberg in Wien-Neubau entwickeln. Strobl übernimmt, zusammen mit dem Immounternehmer Günter Kerbler. Eine Vielzahl von Lokalen dort betreibt er, später auch die Rennbahn Krieau als Eventlocation, auch mit ORF-Events.

7. Der Generalsmacher

Die "Grüne Mamba", so wird Strobl auch von ORF-Kontrahenten genannt, schlägt ab 2004 wieder im ORF-Aufsichtsrat zu. 2006 organisiert Strobl die Ablöse der ÖVP-nahen Führung durch Wrabetz mit. Der holt Strobl als Kommunikationschef in den ORF. Wie so oft schießt er übers Ziel, etwa mit der "größten Programmreform aller Zeiten", die viel zu hohe Erwartungen weckt. Strobl muss gehen, als er Gespräche von Direktoren und Journalisten am Rand einer Sitzung mitschneiden lässt. Strobl reaktiviert seine Agentur PS nun als P+S, weil zunächst auch seine damalige Frau Eva Pölzl (Guten Morgen Österreich) beteiligt ist. Mit ihr hat er einen Sohn, zwei erwachsene Kinder stammen aus erster Ehe.

8. Der Mann fürs Große

Als Conchita Wurst den Song Contest 2015 nach Wien holt, der schon andere TV-Sender ins finanzielle Unglück gestürzt hat, holt Wrabetz Strobl als Eventmanager. Und als 2016 das 303-Millionen-Bauprojekt ORF-Zentrum aus dem Ruder läuft, holt er ihn als obersten Projektleiter – erst als Berater, nach Kritik des Rechnungshofs angestellt. Strobl wollte nicht weniger verdienen als mit seiner Agentur, Noch-General Wrabetz sorgte dafür.

9. Der ORF-Multifunktionär

Unter 400.000 Euro Grundgehalt hat er, fix bis Ende 2026 und nur voll ausbezahlt einseitig kündbar. Den ORF-Bau brachte der hemdsärmelige, trickreiche und sehr durchsetzungsfreudige Manager in Budget- und Zeitplan, er ist weitgehend abgeschlossen. Mit dafür vereinbarten Boni liegt sein Gehalt nun knapp vor dem ORF-Chef. Nebenbei managt er entschlossen mehrere Bereiche von Sicherheit, Corona-Maßnahmen im ORF inklusive, bis Licht ins Dunkel.

10. Der nächste Neustart

Mit 67 Jahren denkt er nach, was er nach seinem ORF-Vertrag unternimmt. Er kann zu viel, befindet er, um aufzuhören, und hat zu viel Spaß am Tun. Die Agentur gibt es ja noch. (Harald Fidler, Michael Völker, 6.4.2024)