ORF Chat Fit Philipp
Auch im Fokus: Philipp Jelinek, Vorturner bei "Fit mit Philipp".
Foto: Heribert Corn

"Die Rosenheim-Cops", antworteten meine Kinder spontan, als ich sie fragte, was ihnen zum ORF einfällt. In den Osterferien hatten sie eine Episode an einem Abend mit den Großeltern gesehen. Doch Radio und Fernsehen spielen nur eine marginale Rolle in ihrem Leben. Am ehesten gibt es in der Familie noch Diskussionen darüber, welcher Sender beim Autofahren gehört werden soll. Wenn ich mich dabei einmal durchsetze, ziehen die Kinder die Kopfhörer aus der Tasche. Ihr jugendlicher Medienkonsum findet hauptsächlich auf digitalen Plattformen wie Youtube, Netflix und Twitch statt, Tiktok haben wir ihnen verboten.

Das Gespräch über den ORF kam auf, weil ich beim Abendessen verärgert von den Chats zwischen einem ehemaligen FPÖ-Politiker und einem Fernsehfitnesstrainer erzählt hatte. Die Enthüllungen über Versuche der politischen Einflussnahme rund um Personalentscheidungen im ORF zeigen einmal mehr, wie problematisch der Umgang der politisch Mächtigen mit dem öffentlichen Rundfunk ist.

Der Blick auf die Gehaltsstruktur des ORF legt den Verdacht nahe, dass noch immer politischer Klientelismus in der Organisation herrscht. Sind manche (meist Männer) in die oberen Etagen gekommen, weil sie sich politisch arrangiert und angepasst haben? Dies hat auch nach innen eine negative Wirkung und demotiviert all jene (viele davon Frauen), die mit Engagement im Sender arbeiten und keine Riesengehälter bekommen. Diese Probleme sind lange bekannt, und es ist offensichtlich, dass der ORF entpolitisiert gehört und dringend eine unabhängige Governance braucht. Passiert ist jedoch bisher wenig.

Kein Bezug

Ich befürchte, dass es in Zukunft noch schwieriger wird, öffentlichen Druck für eine Reform des Senders aufzubauen. Wie meine Kinder hat eine immer größer werdende Gruppe an Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen keinen Bezug zum öffentlichen Rundfunk und der Marke ORF. Der Radiosender FM4 war 1995 die letzte große und mutige Gründung, mit der der ORF diese Zielgruppe angesprochen hat. Doch die Festivaljugend von damals schiebt heute auch schon Kinderwägen und hört dabei Spotify.

Alle traditionellen Medien stehen im digitalen Zeitalter vor extremen Herausforderungen, und die Macht digitaler Oligopole scheint ungebrochen voranzuschreiten. Doch anders als private Medienkonzerne, denen kurzfristiger Profitdruck langfristiges Handeln erschwert, verfügt der ORF glücklicherweise über eine stabile Grundfinanzierung, und das sollte so bleiben. Die Organisation muss sich dringend überlegen, wie sie als Medium im 21. Jahrhundert relevant und dabei ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag treu bleibt. Dass der ORF seine Nachrichten auf Instagram "sendet" und dort eine Million Follower hat, ist zu wenig. Es bedarf kreativer Allianzen und mutiger Experimente, um eine junge Generation an Medienkonsumentinnen zu erreichen und zu begeistern.

Doch der ORF ist in einem Dilemma: Er ist träge geworden und wird von Managern ohne Fantasie geführt. Er bräuchte dringend visionäre Führungskräfte an der Spitze, die sich dieser Zukunftsfrage stellen, sonst droht ihm die Irrelevanz oder ein Schicksal als täglicher Seniorenklub. (Philippe Narval, 8.4.2024)