Wien – Die Erkenntnisse sind nicht neu: Bürgermeisterin oder Bürgermeister zu sein wird zunehmend belastender. Die Aufgabenlast nimmt zu, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird immer schwieriger – die Zeiten des gelassenen "Ortskaisers" sind schon länger vorbei. Das zeigt auch die neueste Umfrage des Gemeindebundes unter Österreichs Ortschefinnen und Ortschefs. An der Umfrage haben 451 (Vize-)Bürgermeisterinnen und -Bürgermeister teilgenommen.

Große Sorgen machen sich die kommunalpolitisch Verantwortlichen laut den Ergebnissen vor allem um die finanzielle Lage ihrer Gemeinde. Auch die steigende rechtliche Verantwortung sehen die Ortschefinnen und Ortschefs als zunehmende Belastung im Amt, gefolgt von steigenden Ansprüchen vonseiten der Bürgerinnen und Bürger. Dabei gibt es Unterschiede in den Wahrnehmungen von Männern und Frauen: Männliche Bürgermeister sehen etwa bürokratische Hürden als herausfordernder an, Frauen wiederum die Zeitbelastung des Jobs.

Zwiegespalten sind weibliche und männliche Amtsträgerinnen und Amtsträger auch in der Frage, ob unterschiedliche Erwartungen an Männer und Frauen im Amt gestellt werden: 85 Prozent der Männer sehen keine Unterschiede, 58 Prozent der Frauen hingegen schon. Ein Problem für weibliche Bürgermeisterinnen ist auch die herrschende Rede- und Sitzungskultur. Diese nehmen die männlichen Amtsinhaber wiederum weniger als Belastung wahr.

Im Gemeindeamt gibt es lautBürgermeisterinnen und Bürgermeistern immer mehr zu tun.
Christian Fischer

Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind für Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle, die teilweise die Befragung für den Gemeindebund durchgeführt hat, wenig überraschend. "Laut der Umfrage sehen weibliche Kommunalpolitikerinnen etwa die männliche Parteienkultur als Problem", betont Stainer-Hämmerle. Männer sehen wiederum ein mangelndes Interesse der Frauen an dem Job – Frauen hingegen sehen das zu einem Großteil nicht so.

Frauen und auch junge Menschen lassen sich auch immer weniger für das Bürgermeisteramt begeistern, das zeigen neben der Gemeindebund-Umfrage auch andere Studien (DER STANDARD berichtete). Es brauche mehr Ermutigung und Vertrauen, das Frauen entgegengebracht werden muss, betont Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl. "Das muss auch innerhalb der Parteien stärker passieren. Der Bürgermeisterjob ist zum Teil noch immer nicht frauenfreundlich."

Rechtliche Verantwortlichkeit

Abschreckend sind auch die rechtliche Verantwortung und die Komplexität des Bürgermeisterjobs. Gemeinden holen sich denn auch immer öfter juristische Hilfe. Der Gemeindebund will laut Pressl eine Initiative starten, um auf die Verantwortlichkeiten von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aufmerksam zu machen und ihnen unter die Arme zu greifen. Die Finanzen der Gemeinde seien ebenfalls ein Hauptgrund für Sorgen im Amt. Man habe deshalb als Gemeindebund die Forderung an die Bundesregierung gestellt, ein Paket in der Höhe von einer Milliarde Euro für die Kommunen zu schnüren, erklärt Pressl.

Frauen sind auf Gemeindeebene unterrepräsentiert.
Der Standard

Selten eine Frau an der Spitze

Gemeinden sind noch immer jene politische Ebene, wo Frauen am stärksten unterrepräsentiert sind. Rund 26 Prozent der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sind Frauen – der Anteil der Bürgermeisterinnen liegt in Österreich gar nur bei elf Prozent, wie eine Erhebung des Städtebunds im März ergab. Besonders selten ist eine Kombination aus weiblicher Bürgermeisterin und Stellvertreterin: Nur in 14 Kommunen gibt es eine weibliche Doppelspitze. Im Gegensatz dazu gibt es in 68 Prozent der 2.094 Gemeinden eine männliche Doppelspitze. In 453 Gemeinden ist eine Frau im Amt der Vizebürgermeisterin. Bei den Gründen für den niedrigen Frauenanteil sind sich Frauen und Männer gleichermaßen einig: die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Frauen müssten laut der Politologin oft dazu überredet werden, ein politisches Amt auf kommunaler Ebene auszuüben. "Es braucht deshalb gezielte Mentoring-Programme, damit sich mehr Frauen engagieren. Natürlich müssen aber auch die Rahmenbedingungen des Jobs geändert werden. Hier spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine große Rolle", betont Stainer-Hämmerle. Letztlich sei die Gleichstellung auf kommunaler Ebene auch eine demokratische Frage, denn: "Der Anspruch auf eine repräsentative Demokratie kann nur dann erfüllt werden, wenn auch mehr Diversität herrscht." (Max Stepan, 11.4.2024)