Für einen High-Speed-Zug in China wurde unter anderem eine Studie für ein fahrendes Chinarestaurant entworfen.
Moodley

Man hat das Gefühl, Daniel Huber spricht gern über Züge, über alte, neue und am liebsten über solche der Zukunft. Ideen hat er viele, der Designer, der als Managing Partner bei Moodley den Bereich Industrial Design & Innovation leitet. Besonders am Herzen liegt ihm, den Zug als etwas zu verstehen, das weit abseits vom Massenverkehrsmittel liegt. Gemeinsam mit seinem Team konzipiert und realisiert Huber Innovationsstrategien und setzt diese in nachhaltiges Design für Mobilitätslösungen und Produkte um. Der Industriedesigner gründete 1993 Spirit Design, stieg dort 2018 aus, um Moodley Industrial Design zu gründen. Unter seiner Federführung entstanden zahlreiche Bahnprojekte, darunter der ÖBB-Railjet, der ÖBB-Cityjet (Flottendesign), der VVT – Cityjet Tirol, die Westbahn oder die Badner Bahn.

STANDARD: Haben Sie als Kind gern mit der Modelleisenbahn gespielt?

Huber: Ja, ich hatte eine Märklin-Eisenbahn. Aber Autos waren mir unterm Strich lieber.

STANDARD: Wie kamen Sie dann auf den Zug?

Huber: Erst durch meinen Beruf, als ich 1999 meine ersten U-Bahnen entworfen habe. Auftraggeber war Siemens, und die Züge waren für Kaohsiung in Taiwan bestimmt.

STANDARD: Wie entwirft man einen Zug? Welche Freiheiten gibt es und welche Beschränkungen?

Huber: Die Technik und die Normvorgaben beschränken einen sehr. Das Korsett ist ein enges. Die Kunst liegt darin, sich in diesem maximal kreativ zu bewegen.

Daniel Huber hat schon vieles auf Schiene gebracht. Angefangen hat es 1999 mit einem U-Bahn-Auftrag für Taiwan. 
Daniel Huber hat schon vieles auf Schiene gebracht. Angefangen hat es 1999 mit einem U-Bahn-Auftrag für Taiwan.
Moodley

STANDARD: Die Züge haben sich im Vergleich zu früher sehr verändert.

Huber: Das stimmt. Früher ist es sehr darum gegangen, einen Zug mit Sitzplätzen vollzustopfen. Seinerzeit entstand ja auch der Begriff Massenverkehrsmittel. Ein Begriff, den ich überhaupt nicht mag.

STANDARD: Warum nicht?

Huber: Er erinnert mich an Viehtransport. Jeder Mensch ist ein Individuum, und die jeweils unterschiedlichen Bedürfnisse versucht man mittlerweile zu befriedigen.

STANDARD: Aber man kann es nicht jedem und jeder recht machen. Wie schafft man es, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen?

Huber: Indem man sich die unterschiedlichen Zielgruppen genauer anschaut, also die Jungen, die Älteren, die Pendler, die Businessreisenden. Die Frage lautet also: "Wie lauten deren Bedürfnisse, außer dass sie von A nach B gelangen wollen?"

STANDARD: Aber wie kann ich es einer 18-Jährigen genauso recht machen wie einer 80-Jährigen?

Huber: Indem man unterschiedliche Zonen schafft und die Sitzmöglichkeiten verschieden gestaltet. Der allgemeine Trend geht ja schon länger zu den Großraumwagen und auch Doppelstockwagen. Manche weinen den Abteilen nach. Die Angelegenheit hat oft mit Intimität zu tun.

STANDARD: Wie denken Sie über Waggons mit Abteilen?

Huber: Die sind im Bau wesentlich teurer, schwerer und auch klimatechnisch komplizierter. Es hat alles Vor- und Nachteile. Wenn man mit Menschen in einem Abteil sitzt, die einem nicht sympathisch sind, kann das ein großer Nachteil sein.

Traindesign, Moodley
Studie für einen High-Speed-Zug von Moodley.
Moodley

STANDARD: Und die Lösung lautet?

Huber: Es geht um Zonenlösungen. Wir gestalten Züge so, dass es Viererkonstellationen gibt, in Pendlerzügen denken wir an Stehsituationen, wobei man lehnen und gut kommunizieren kann. Es geht um Bereiche, in denen man arbeiten oder in Ruhe telefonieren kann et cetera. Schallschutz ist ein Riesenthema. Ich kenne Menschen, die ziehen das Auto dem Zug vor, weil sie im Auto in Ruhe telefonieren können. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Schon klar. Aber man kann der Befriedigung der Bedürfnisse näher kommen.

STANDARD: Was wäre denn der optimale Zug?

Huber: Einer, der mir verschiedene Möglichkeit gibt, je nachdem, ob ich mit meiner Familie verreise oder eine Geschäftsreise unternehme. Auf jeden Fall einer, in dem nicht alle wie in einem Hühnerstall zusammengepfercht sitzen. Das Angebot muss einfach ein breites sein.

STANDARD: Das klingt ja alles schön und gut. Wenn man sich die Situation anschaut, wird viel geschimpft über Zuspätkommen, Ausfälle, Platznot et cetera. Auch wenn das Design an und für sich daran nicht wirklich schuld sein kann.

Huber: Sie sprechen vor allem die Situation in Deutschland an, auch wenn es in Österreich zu vielen Verspätungen kam. In Deutschland wurde die Bahn sehr lange sehr stiefmütterlich behandelt. Es wurde zu wenig investiert, die ganze Infrastruktur ist veraltet. Hierzulande ist das nicht so, allerdings ist das Bahnfahren so modern geworden, dass es an Hardware und Material fehlt. Man hinkt einfach allgemein der Entwicklung hinterher und wurde vom Ansturm überrascht. Gleichzeitig wird Bahnfahren als sehr attraktiv wahrgenommen.

STANDARD: Sie haben U-Bahnen, Straßenbahnen, Züge, den Railjet und alles Mögliche gestaltet. Worauf sind Sie besonders stolz?

Huber: Ich lobe mich nicht gern selbst. Aber was mir schon sehr taugt, ist, dass wir mit Westbahn, Cityjet, Railjet, Badner Bahn, CAT und dem Tirol-Cityjet das Erscheinungsbild von Zügen in Österreich in den letzten Jahrzehnten maßgeblich so geprägt haben, wie es sonst keiner getan hat. Das finde ich cool. Und wenn Bahnfahren attraktiv gestaltet ist, dann kriegt man die Leute aus den Autos raus.

Train Design, Moodley
Für einen türkischen Bahnbetreiber wurden dieses Waggon-Interieur und ein ganzer Zug entworfen.
Moodley

STANDARD: Können Sie sich an Ihre erste Zugfahrt erinnern?

Huber: Als ich ein kleiner Bub war, hat meine Tante in Graz studiert. Ich bin in Salzburg aufgewachsen. Damals gab es einen Zug, der hieß der blaue Blitz. Ich wollte also die Tante besuchen, damit ich mit diesem Blitz fahren konnte. Ich fand es dann aber furchtbar langweilig.

STANDARD: Was muss ein guter Speisewagen können?

Huber: Gutes Essen servieren. Auch das ist vernachlässigt worden. Wir hatten einmal die Idee für einen Zug, der aus einer Aneinanderreihung verschiedener Speisewagen besteht, also einem chinesischen, einem italienischen, einem griechischen und so weiter. Aber um im Alltag zu bleiben, ich denke, auch bei dieser Frage hängt es von der Art der Reise ab. Manchmal will man vielleicht nur ein Bier trinken oder ein Sandwich essen. Ein guter Speisewagen hat sauber zu sein, und der Service muss passen. Da fängt es einmal an.

STANDARD: Und über Steckdosen sollte er auch verfügen, oder?

Huber: Genau. Neulich war ich mit der Deutschen Bahn unterwegs. Ich habe etwas gegessen, Kaffee getrunken und den Laptop aufgeklappt. Es gab allerdings keine Steckdose. Ich fragte also den Kellner, warum es keine Steckdosen gebe. Er meinte: "Wir wollen nicht, dass die Leute hier ihr Büro aufschlagen." Dabei ist doch gerade das das Angenehme. Man konsumiert doch sowieso.

STANDARD: Sie halten auch Vorträge. Was sagen Sie den Menschen über die Anatomie eines Zuges?

Huber: Ich erkläre ihnen, dass der Zug ein rollendes Gefäß mit einem gewissen Volumen ist, das man optimal ausnutzen soll. Wir verstehen ihn bei uns im Büro als mobilen Lebensraum, nicht als ein Ding, das es möglichst vollzustopfen gilt.

STANDARD: Aber auch Ihre Züge werden doch bestimmt vom einen oder der anderen wenig wertgeschätzt.

Huber: Klar, gerade hierzulande gibt es viele Raunzer. Aber auch die muss man ernst nehmen. Auch sie sind eine Inspirationsquelle.

STANDARD: Was stört Sie persönlich am meisten beim Zugfahren?

Huber: Eigentlich die mangelnde Intimität. Aber das gilt auch fürs Flugzeug. Mir wären mehr Abteile oder angedeutete Abteile lieber. Da ließe sich besser schlafen, aber auch kommunizieren.

Moodley, Badner Bahn, Train Design
Ein aktuelles Beispiel für einen Entwurf von Moodley ist die Badner Bahn in neuerem Outfit.
Moodley

STANDARD: Die Krux liegt ja auch oft im Detail. Sie haben vorher die Steckdosen angesprochen. Ein Kollege von mir beschwerte sich, dass der Zug, mit dem er in Deutschland unterwegs war, keine Rollos an den Fenstern hatte und die Kleiderhaken völlig deplatziert waren.

Huber: Keine Rollos? Das geht gar nicht. Vielleicht war es ein älterer Zug. Und wenn ein Kleiderhaken so montiert ist, dass mir mein Sakko die Sicht versperrt oder mich sonst wie stört, ist das natürlich auch ein No-Go. All das zählt zu den sogenannten Begeisterungsfaktoren. Wenn einen ein solcher ärgert, hat man als Transporteur schon wieder verloren.

STANDARD: Was wäre denn noch so ein Faktor?

Huber: Ein sauberes WC. Es gibt Menschen, die gehen im Zug nicht aufs WC.

STANDARD: Da kann aber der Entwerfer nichts dafür.

Huber: Das stimmt. Aber dabei geht es um ein Zusammenspiel. Der Designer und die Betreiber haben dafür zu sorgen, dass die Hardware und das Umfeld funktionieren. Der Betreiber ist auch für den Service zuständig. Wenn man einen guten Service erfährt, ist das ein wunderbares Marketingtool. Man fühlt sich geliebt, wenn der Service passt. Denken Sie nur daran, wie unfreundlich die Schaffner früher oft waren. Das war frustrierend. Heute ist das auch dank des Wettbewerbs anders. (Michael Hausenblas, 13.4.2024)