Bundespräsident Van der Bellen spricht sich weiterhin für eine militärische Neutralität aus.
APA/EVA MANHART

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht das Ansehen Österreichs durch die jüngsten Spionageenthüllungen um den früheren Staatsschützer Egisto Ott nicht beschädigt. "Die Aufklärung ist in vollem Gange. Das finde ich beruhigend", sagte das Staatsoberhaupt dem deutschen "Spiegel". Die Verbindung zum Wirecard-Skandal, zu Jan Marsalek, das sei "schon peinlich".

Im umfangreichen Gespräch mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin zeigt sich Van der Bellen gelassen angesichts der erstarkten FPÖ. "Ich würde vorsichtig sein mit zu düsteren Prognosen", sagte er – und verwies auf seine erfolgreiche Wahl 2016 gegen einen den blauen Kandidaten Norbert Hofer.

Kritik an Umgangston

Angesprochen darauf, ob er nach der anstehenden Nationalratswahl FPÖ-Chef Herbert Kickl als Bundeskanzler angeloben würde, fragte der Bundespräsident: "Warum sollte ich alle meine Karten jetzt schon auf den Tisch legen?" Er verwies darauf, dass er formal in der Auswahl des Bundeskanzlers "vollkommen frei" sei. "Aber natürlich kommt es am Ende auch darauf an, wofür es eine Mehrheit im Parlament geben wird."

Van der Bellen kritisierte den Umgangston zwischen den politischen Akteuren. Der Ton sei "zum Teil schrill", sagte er. Seit Monaten führt er Gespräche mit Vertretern aller Parteien inklusive Kickl. Dabei appelliert er an alle: "Leute, denkt nicht nur an den Wahlsonntag, sondern auch an den Montag danach. Wir brauchen ja danach eine Koalition."

Förderung des EU-Militärs

Mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine räumte der Bundespräsident ein, den russischen Staatschef Wladimir Putin falsch eingeschätzt zu haben. Van der Bellen warnte vor weiteren imperialen Ambitionen des Kreml-Chefs: "Wenn ihm der erste Coup gelingt, fragen sich unsere Freunde im Baltikum nicht zu Unrecht, wer als Nächstes dran ist." Aus der Sicht Van der Bellens ist Putins Denken rückwärts gewandt. "Er lebt im 18. Jahrhundert", sagte er. "Russland muss in Putins Augen sprichwörtlich groß sein, damit er sich selbst ernst nehmen kann als Führer."

Van der Bellen sprach sich dafür aus, dass die Europäische Union ihre militärische Stärke ausbaut. "Wir müssen lernen, uns zu wehren." Vor allem sei eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik nötig. Was man unterschätzt habe, sei die Zersplitterung der europäischen Rüstungsindustrie. Europa halte auch die Einsicht zusammen, dass "27 weltpolitische Zwerge ihre Interessen nur als Union verteidigen können". Van der Bellen verteidigte das weitere Bestehen der militärischen Neutralität Österreichs. Man könne zwar alles ändern, "wenn man will", sagte Van der Bellen. "Aber ich denke, wir leben gut mit der Neutralität." (Oliver Das Gupta, 17.4.2024)