Ein Pandur-Panzer im Kosovo
Ein Pandur-Panzer auf Auslandseinsatz im Kosovo. Im Gegensatz zum älteren Modell im Bild verfügen die neuen "Pandur Evolution" auch über Schutz gegen Minen.
Bundesheer/Reich

Man hat es schon wieder völlig vergessen. Dabei ist es erst wenige Jahre her. Dass sich heute kaum noch jemand an die bemerkenswerte Episode erinnert, die sich im Juni 2020 zutrug, mag auch damit zu tun haben, dass sie aus heutiger Sicht so unvorstellbar scheint. Denn damals zitierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in die Hofburg. Der Präsident machte sich nämlich große Sorgen. Um die Zukunft des Bundesheers.

Zuvor hatte das Ressort – in Abwesenheit Tanners – in einem Hintergrundgespräch verkündet, dass das Heer seinen künftigen Fokus stark verändern werde. Konventionelle militärische Angriffe auf Österreich sah man im Verteidigungsministerium nicht mehr als "eintrittswahrscheinliche Bedrohung". Die militärische Landesverteidigung werde deshalb auf ein Minimum zurückgefahren, hieß es. Das Bundesheer solle sich stattdessen auf Cyberabwehr und Naturkatastrophen ausrichten und auf Blackouts und Pandemien vorbereiten.

So teuer wie die Eurofighter

Nur knappe vier Jahre später klingt das wie eine Geschichte aus einem anderen Zeitalter. Seit Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine rüsten die Streitkräfte quer durch Europa auf. Die militärische Landesverteidigung definiert man auch in Österreich wieder als Kernaufgabe der Armee. Und mit hohen Investitionen bereitet sich das Heeresressort heute wieder "auf die Gefahr konventioneller Kriegführung vor", wie Tanner kürzlich im STANDARD-Interview ausführte.

Jüngstes Kapitel aus dem 18 Milliarden schweren Aufbauplan des Bundesheers: die Bestellung von 225 neuen Pandur-Radpanzern – DER STANDARD berichtete. Am Montag stellt die Ministerin die Großbeschaffung gemeinsam mit Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) der Öffentlichkeit vor. Die genaue Stückzahl wie auch die Investitionssumme von 1,8 Milliarden Euro wollte das Ministerium im Vorfeld nicht bestätigen – dementierte sie aber auch nicht. Aber braucht Österreich wirklich mehr als 200 neue Panzer? Zu einem Investitionsvolumen, das fast genauso hoch ist wie bei der Beschaffung der Eurofighter?

Fehlende Debatte über Sicherheitspolitik

"Das Bundesheer muss einen enormen Finanzierungsrückstau aufholen", sagt Martin Senn, Leiter des Instituts für Politikwissenschaft in Innsbruck und spezialisiert auf Sicherheitspolitik, dem STANDARD. "Deshalb tut man gut daran, neue Investitionen anzugehen." Aber: "Es wäre wünschenswert, wenn die neuen Anschaffungen mehr in die Frage eingebettet wären, welche Rolle das Heer künftig spielen soll." Zentral ist für Senn dabei vor allem, wie Österreichs Beitrag zu einer EU-Beistandspflicht aussehen könnte. "Was wären wir fähig und willens, in diesem Fall zu leisten?" Die Bevölkerung werde auf diesen Fall nicht vorbereitet, wie auch die politisch schnell instrumentalisierte Debatte um österreichische Minenräumer in der Ukraine im Vorjahr gezeigt habe.

Die Pandur Evolution, die das Bundesheer nun in so großer Stückzahl ordert, sind Mannschaftstransportpanzer für bis zu acht Soldatinnen und Soldaten. Sie sind mit Schutz vor Beschuss durch Fußsoldaten und Minen ausgestattet, schnell und wendig; und auch bisher schon in Auslandseinsätzen bewährt. Aktuell verfügt das Heer bereits über 177 Pandur. Und auch auf Auslandseinsätze wie etwa im Kosovo dürften manche der neuen Panzer künftig geschickt werden – neben Übungen und denkbaren Einsätzen bei bestimmten Terrorszenarien im Inland.

Grundlagen wiederherstellen

Der Kauf weiterer Exemplare sei nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, um die Grundfähigkeiten der Armee wieder herzustellen, sagt Ulf Michael Steindl, Verteidigungsexperte vom Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES). "Vor dem Ukrainekrieg war das Bundesheer abseits von Katastrophenhilfe und begrenzten Auslandseinsätzen eigentlich nicht mehr einsatzfähig." Die neuen Radpanzer werden vor allem für die Jägertruppe angeschafft. Als schnelle Einsatzkräfte könne etwa die 3. Jägerbrigade eigentlich erst mit den gepanzerten Mannschaftstransportern ihren Auftrag erfüllen, sagt Steindl. Und der "Kampf der verbundenen Waffen" sei für moderne Streitkräfte zentral. Fehle ein wichtiger Teil, seien andere Teile der Truppe gefährdet.

Auch einer, der einst selbst an zentraler Stelle im Verteidigungsministerium werkte, heute aber nicht mehr die engsten Bande dorthin pflegt, stellt dem Beschaffungsprojekt grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus. Dass mit den vielen neuen Pandur "aus einer rein fußläufigen Infanterie jetzt eine leicht gepanzerte auf Rädern wird, ist beachtlich", sagt Gerald Karner, früher Leiter der Abteilung Militärstrategie im Heeresressort. Gerade auch wegen der Verwendbarkeit in Auslandseinsätzen hält er den Kauf für "vernünftig".

Entscheidend sei allerdings, dass der Ankauf Teil eines größeren strategischen Konzepts werde. "Sonst macht das keinen Sinn." Eine neue Sicherheitsstrategie der Bundesregierung steht nach wie vor aus. Und in welchen Szenarien Österreich sich künftig international einbringen wolle – oder eben nicht –, werde nach wie vor nicht ausformuliert, kritisiert Karner. Er gehe aber davon aus, dass die Beschaffung mit anderen Investitionsplänen "in den Schubladen" wie etwa der besonders zentralen Luftverteidigung abgestimmt sei.

Darabos: "Würde ähnlich entscheiden"

Noch etwas kritischer formuliert das der Sicherheitsexperte Franz Eder von der Uni Innsbruck. Auch er hält den Pandur zwar für ein "hervorragendes Gerät" und einen idealen Schutz für Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz. Eine große Investition wie diese könnte aber Teil einer "spannenden Gesamtstrategie" sein, argumentiert Eder. Etwa indem Österreich sich im europäischen Kontext verstärkt solidarisch zeige, indem es mehr Truppen zur Friedenssicherung auf Auslandsmission entsende. Strategien – welcher Art auch immer – würden aber nach wie vor nicht kommuniziert. "Mir fehlt die politische Diskussion darüber eigentlich komplett."

Und auch zwei ehemalige Verteidigungsminister hat DER STANDARD zum anstehenden Rüstungsgeschäft befragt – einen roten und einen schwarzen. Dass Werner Fasslabend die Investition als "absolut notwendig" sieht, was gerade die Erfahrungen des Ukrainekriegs gezeigt hätten, mag allein schon deshalb nur mäßig überraschen, weil er Parteikollege Tanners ist. Bemerkenswerter ist da schon die Aussage von Norbert Darabos: Es werde vielleicht überraschen, dass er das als Sozialdemokrat so "ungeschützt" sage, aber: In seiner Amtszeit von 2007 bis 2013 "war ich beim Budget sehr limitiert". Dass das Heeresressort die neue finanzielle Situation für Großbestellungen wie die aktuelle nützt, hält er für richtig. "Wäre ich jetzt Minister, würde ich wohl grundsätzlich ähnlich entscheiden." (Martin Tschiderer, 19.2.2024)