Als Flugreisender, Wirtschaftsvertreter oder Stadtpolitikerin kann man dieser Tage nur mit wachsendem Ärger zusehen, wie der Arbeitskampf zwischen der Gewerkschaft Vida und der AUA eine der Stützen des Standortes Wien zugrunde zu richten droht. Es gibt genügend andere Airlines, die den Flughafen Schwechat anfliegen – und viele von ihnen bieten günstigere Preise als die rot-weiß-rote Lufthansa-Tochter. Dennoch buchen viele bei der AUA, weil sie viele Destinationen direkt anfliegt, die sonst nur mit Umstieg erreichbar wären, und weil sie trotz des starken Kostendrucks noch etwas mehr Service und ein Stück Heimatgefühl bietet.

Die AUA hat weniger Geschäftsreisende als die Lufthansa in Frankfurt und München – und steht dadurch mehr im Wettbewerb.
Die AUA hat weniger Geschäftsreisende als die Lufthansa in Frankfurt und München – und steht dadurch mehr im Wettbewerb.
APA/ROBERT JAEGER

Aber Wien ist im europäischen Vergleich kein Finanz- und Industriezentrum mit vielen Geschäftsreisenden; wer hier ins Flugzeug steigt, schaut auf den Preis. Das dichte Osteuropanetz ist immer noch eine Nische. Die AUA ist in der Kostenstruktur daher als Konzern im Mittelfeld angesiedelt, zwischen den Billigfliegern und der Kernmarke Lufthansa, die einen Gutteil ihrer Gewinne in Frankfurt und München macht. Und auch der Flughafen Wien kann trotz Wachstums mit den Großen in Europa nicht mithalten.

Nun ist es das Recht jeder Gewerkschaft, für die Belegschaft die besten Einkommen herauszuschlagen. Aber im sozialpartnerschaftlichen Österreich hatten die Arbeitnehmervertreter auch immer die Ertragskraft und Zukunftsfähigkeit der Unternehmen im Auge. Die Vida und ihr streitbarer Chef Roman Hebenstreit sehen sich hingegen in einem Nullsummenspiel. Ihre Rhetorik und ihre Verhandlungstaktik sind auf Maximierung ausgerichtet, mit dem Ziel, die Gehälter auf das höhere Niveau der Lufthansa anzuheben, die allerdings ganz andere Wettbewerbsbedingungen hat.

Abstimmung als Farce

Die Vida verfügt über einen starken Hebel, weil sie mit ihrer Streikbereitschaft dem Unternehmen mehr Schaden zufügen kann, als es ihre Mitglieder kostet. Und den nützt sie aus. Die Abstimmung unter den Mitgliedern über das AUA-Angebot war eine Farce, nur dazu gedacht, den Druck weiter zu erhöhen und die nächsten Streiks vorzubereiten.

Nun kann man sich fragen, ob nicht auch die Luftlinie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in der Corona-Krise große Abstriche machen mussten, mehr entgegenkommen könnte. Ja, sie kann, und ihr Verhandlungsstil war vor allem in der Anfangsphase nicht sehr konstruktiv.

Die Verlierer wären ...

Aber der Belegschaft muss eines klar sein: Je mehr sie sich mit ihren Forderungen am Ende durchsetzt, desto weniger attraktiv wird es für die Konzernleitung, in ihre Österreich-Tochter langfristig zu investieren. Mit ihren zahlreichen Töchtern, darunter auch mehrere Diskont-Airlines, kann die Lufthansa das Streckennetz der AUA verringern, mit anderen Fluglinien Wien anfliegen und stärker auf ihre Drehkreuze Frankfurt und München setzen. Verlierer wären heimische Passagiere, die heimische Wirtschaft und am Ende auch die AUA-Belegschaft.

Mit einer Wiederverstaatlichung kann dieses Problem nicht gelöst werden: Allein wäre die AUA schon lange nicht mehr lebensfähig. Aber so wichtig die Tarifautonomie ist, wäre dennoch ein wenig Druck auf die Gewerkschaft wünschenswert, dass sie den Bogen nicht überspannt. Weitere Streiks sind ärgerlich. Eine nationale Fluglinie, die nicht mehr wettbewerbsfähig ist, wäre schlimmer. (Eric Frey, 17.4.2024)