Mit strengeren Regeln wollen die Stadt Wien und andere wichtige Player im heimischen Asylwesen dafür sorgen, dass künftig weniger anerkannte Flüchtlinge mit Familie nach Wien ziehen. Ob solche neuen Vorschriften, etwa eine Wohnsitzauflage, wirken und ob sie rechtlich halten, sei dahingestellt. Fakt aber ist, dass eine ausgewogenere Verteilung der Schutzberechtigten eine Reihe von Vorteilen hätte – für sie selbst ebenso wie für die Gemeinden und Regionen, in denen sie sich ansiedeln.

Schüler in Klasse in Volksschule
Lehrerin mit Volksschülern: Auf dem Land sind die Klassen nicht so gedrängt voll wie derzeit in Wien.
Foto: APA / Hans Techt

Denn wo herrscht jedes Schuljahr aufs Neue wegen zu wenigen Schülern eine Zitterpartie, weil das Schließen des Schulstandortes droht – während die Schulen in Wien die vielen neuen Kinder nur mit Improvisationen meistern? Wo kämpfen Ortsobere um ihre Schulen, weil sie fürchten müssen, dass nach der Schließung mangels Schülerverkehrs die Öffi-Verbindungen weiter eingeschränkt und lokale Geschäftstreibende geschwächt werden – und das wiederum die Landflucht weiter antreibt? In kleinen Gemeinden und Städten. Ihnen wäre durch diesen Zuzug geholfen.

Niedrigere Mieten und Jobchancen

Auch die Flüchtlinge selbst hätten eine Reihe von Vorteilen: mehr Zeit der Lehrerschaft für ihre Kinder etwa. Detto leistbarere Wohnungen wegen eines meist niedrigeren Mietniveaus sowie mehr Jobchancen in einem Umfeld mit geringeren Arbeitslosenzahlen als in der Bundeshauptstadt. Überhaupt gelingt die Integration ausländischer Familien in kleineren Gemeinden vielfach gut: Der persönliche Kontakt hilft gegen Vorurteile, und zwar auf beiden Seiten.

Um zu dieser Win-win-Situation zu gelangen, müsste jedoch lange vor dem Zeitpunkt angesetzt werden, an dem den Flüchtlingen Asyl gewährt wird und sie ihre Familien nachholen. Gut geplant ist ein solcher Zuzug, wenn er schon im Asylverfahren des zuerst geflohenen Familienmitglieds beginnt, sprich: in der Grundversorgung. Würde etwa manches Bundesland seine Verweigerungshaltung gegenüber der Übernahme von Asylwerbenden aufgeben, ihnen gar schon während des Verfahrens verstärkt Deutschkurse und Ausbildungen ermöglichen, so entstünde eine Bindung der Flüchtlinge dorthin.

Pragmatismus statt Ideologie

Im Bund müssten Integrationsministerin Susanne Raab und andere ÖVP-Verantwortliche dazu von ihrer Prämisse abrücken, dass Integrationsmaßnahmen erst nach der Asylgewährung einzusetzen haben. Mehr Pragmatismus und weniger wählertaktisch eingesetzte Ideologie könnten den Andrang der Flüchtlinge in die Großstadt verringern, auch ohne Residenzpflicht. (Irene Brickner, 23.4.2024)