Neuronale Netzwerke Technisches Museum Wien
Neuronale Netzwerke, wie sie im Technischen Museum Wien nachgestellt sind, beschäftigen auch die Fachhochschulen in Österreich.
APA/ROLAND SCHLAGER

Als vor ziemlich genau 30 Jahren die ersten Fachhochschul-Studiengänge eingeführt wurden, war die Skepsis groß, ob dieser ­– in anderen Ländern längst etablierte – akademische Bildungsweg eine Erfolgsgeschichte werden würde. Zumindest die Zahlen geben den Verfechtern des Fachhochschulkonzepts recht. Aus zehn Studiengängen mit gerade einmal 693 Studierenden im Wintersemester 1994 sind drei Jahrzehnte später über 530 Studiengänge mit knapp 60.000 Studierenden geworden. Fast die Hälfte davon werden als Master-Studien angeboten.

Die besseren Hochschulen?

Was die Fachhochschulen gerne als weiteres Argument für sie ins Treffen führen: Studierende schließen dort deutlich schneller und öfter ab, als es an Universitäten der Fall ist. Durch die praxisnahe Ausbildung und die in vielen Studiengängen enge Anbindung an Wirtschaft und Industrie gelten die FH-Absolventinnen und -Absolventen auch als gut vermittelbar am Arbeitsmarkt. Nur zwei Prozent seien arbeitslos gemeldet, heißt es in einer Statistik der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz (FHK), welche die Interessen des Sektors nach außen und insbesondere gegenüber der Politik vertritt.

Mit dem Image der rein praxisorientierten Kaderschmiede will man sich allerdings nicht mehr zufriedengeben. Das wurde auch auf dem diesjährigen Forschungsforum der österreichischen Fachhochschulen deutlich, das vergangene Woche in Krems stattfand. Denn was in der öffentlichen Wahrnehmung und damit auch der finanziellen Dotierung zu kurz komme, sei die exzellente Forschungsarbeit, die mittlerweile von und an Fachhochschulen geleistet werde. Auch dafür hatten die Verantwortlichen Zahlen bereit: 8000 Publikationen und 145 Patente seien in der kurzen Ära entstanden.

Mehr Geld und Doktoratsprogramme

Um in puncto Wertschöpfung nicht den Anschluss zu verlieren, brauche es dafür aber eine nachhaltige Finanzierung durch die öffentliche Hand. "Die Rahmenbedingungen für Fachhochschulen sind seit 25 Jahren gleich", kritisierte etwa FHK-Präsidentin Ulrike Prommer von der IMC Krems. Fehlende Eigenmittel, gepaart mit steigenden Kosten für die Infrastruktur und überbordender Bürokratie haben zuletzt dazu geführt, dass Fachhochschulen von Antragstellungen um Fördermittel absehen oder gar von bereits genehmigten Projektförderungen zurücktreten. Auch die Mitarbeit in internationalen Konsortien werde dadurch erschwert, sagte Prommer.

Krankenpflege
Im Bereich der Gesundheits- und Sozialwissenschaften sind FHs stark vertreten.
IMAGO/Arman Zhenikeyev

Als konkrete Forderungen nannte sie neben der gesicherten Finanzierung und der Entbürokratisierung der Förderprogramme auch die Möglichkeit, Doktoratsprogramme anbieten zu dürfen sowie eine Bündelung der Verantwortung beim Wissenschaftsministerium. Derzeit ist diese auf vier Ministerien aufgeteilt. Zumindest eine langjährige Forderung ist mittlerweile erfüllt. Mit der Novelle des Fachhochschulgesetzes dürfen sich die FHs nun "Hochschulen für angewandte Wissenschaften" nennen, wie es auch international üblich ist.

Was die Promotionsmöglichkeit an Fachhochschulen betrifft, signalisierte der anwesende Wissenschaftsminister Martin Polaschek Gesprächsbereitschaft. Offene Fragen zu Finanzierung und Qualität müssten diesbezüglich allerdings noch geklärt werden.

Technologischer Fortschritt

Welche Themen und damit Studienschwerpunkte an den FHs gerade angesagt sind, zeigte das umfassende zweitägige Programm. Als übergreifende Klammer fungierten Technologie und Digitalisierung, die in allen thematischen Tracks omnipräsent waren, von Biotechnologien und grüner Chemie bis hin zum Gesundheits- und Sozialwesen. Bei Letzterem verwies Gerhard Tucek, Institutsleiter für Therapiewissenschaften an der IMC Krems, auf das enorme Potenzial moderner Medizintechnik, aber auch Datenauswertung hin.

Als Beispiel nannte er ein Forschungsprojekt, das den Gang von Parkinson-Patienten mithilfe verbauter Sensoren in der Schuhsohle analysiert und so Therapieerfolge besser messen kann. Solche Projekte seien prädestiniert, um Lehre und Forschung zu verknüpfen. Darüber hinaus würden sie nicht nur konkret den Alltag von Betroffenen, sondern auch von Menschen in Gesundheitsberufen verbessern. Denn gerade Letzteres gehe beim Ruf nach der schnellen Technologisierung und Digitalisierung manchmal verloren.

"Im Gesundheits- und Sozialbereich würde ich das Beschleunigungs- und Ökonomisierungsparadigma, das für viele andere Zukunftsbereiche absolut valide ist, infrage stellen", führte Tucek aus. Aus Sicht von Patientinnen und Patienten sei die direkte persönliche Kommunikation für den Erfolg von Therapien bedeutsam. Was die Beschäftigten im Gesundheitssystem betrifft, gehe es vielmehr darum, wie man Druck und Geschwindigkeit aus dem System nehmen könne. "Es geht ja nicht nur darum, neue Therapeutinnen und Therapeuten anzuwerben, sondern vielmehr auch erfahrene nicht zu verlieren. Der derzeitige Braindrain ist schwer abzufangen", sagte Tucek.

KI ist in aller Munde

Spätestens seit ChatGPT steht Künstliche Intelligenz wieder hoch im Kurs, um junge Leute für ein FH-Studium zu begeistern. Das zeigten diverse Projekte, die im Rahmen des Forschungsforums vorgestellt wurden. An der MCI Innsbruck etwa wird daran geforscht, wie das Luftströmungsverhalten an Flugzeugtragflügeln vorhergesagt und optimiert werden kann. Ein weiteres Projekt will die perfekte Golftechnik ermitteln und untersucht mit maschinellem Lernen, an welchem Punkt der Schläger auf den Golfball treffen muss, um zum nächsten Tiger Woords zu werden.

Alexander Adrowitzer von der FH St. Pölten stellte ein KI-Modell für die Durchflussprognose von heimischen Gewässern vor. Im Auftrag des Landes Niederösterreich sollte anhand des Donaunebenflusses Erlauf herausgefunden werden, wie sich Künstliche Intelligenz gegenüber bestehenden hydrologischen Modellen schlägt. Dazu wurde das System unter anderem mit den Wasserstands-, aber auch den Niederschlags- und der Temperaturdaten der Geosphere gefüttert. Das überraschende Ergebnis: Auch wenn das KI-Modell gute Prognosen lieferte, war es dem klassischen hydrologischen Computermodell immer unterlegen. "Auch das ist eine Erkenntnis: Es muss nicht immer KI sein, manchmal sind konventionelle Modelle einfach besser für eine Problemstellung geeignet, auch was den Energiebedarf betrifft", sagte Adrowitzer. (Martin Stepanek, 26.4.2024)