Als Kind kam mir einmal der Gedanke: Warum muss ausgerechnet am Tag der Arbeit niemand in die Arbeit? Oder andersherum gedacht: Warum heißt der 1. Mai nicht Tag des Nichtstuns, wenn eh (fast) alle freihaben? Meine Eltern erklärten mir natürlich, dass es nicht ums Hackeln an sich geht, sondern um die hart erkämpften Errungenschaften der Arbeiterbewegung. Dass geregelte Arbeitszeiten und das Recht auf gerechte Entlohnung nicht überall selbstverständlich sind. Heute kann der neugierige Nachwuchs die Hintergründe zum Staatsfeiertag auch im "STANDARD für Kinder" nachlesen.
Auch in der Tierwelt läuft ohne Arbeiterinnen und Arbeiter nichts. Am faszinierendsten finde ich die Arbeitsaufteilung bei Ameisen (Formicidae). Grundsätzlich gibt es drei Zuständigkeiten: Königinnen, Arbeiterinnen und Männchen. Geflügelte Männchen spielen ausschließlich bei der Fortpflanzung eine Rolle, sie sterben sehr bald nach dem sogenannten Hochzeitsflug, bei dem Königinnen befruchtet werden. Nach dem Date werfen die Königinnen ihre Flügel ab, verkriechen sich im Bau und legen fortan nur mehr Eier.
136 freilebende Arten in Österreich
Eine Queen kann diese anstrengende Arbeit bis zu zehn Jahre oder länger durchhalten. Dabei schenkt sie auch immer wieder künftigen Königinnen das Leben. Diese richten sich dann entweder im alten Bau einen eigenen Flügel ein oder erobern mit ihren Truppen ein anderes Nest. Arbeiterinnen wiederum spezialisieren sich auf verschiedenste Tätigkeiten wie Angriff und Verteidigung, Futterbeschaffung, Nestbau, Facility-Management oder Pflege des Nachwuchses.
Weltweit gibt es laut einem aktuellen Report des Umweltbundesamtes 16.576 Arten von Ameisen. In Österreich sind 136 freilebende Arten bekannt und zehn weitere, die bisher nur in Gebäuden (meist in Gewächshäusern) gesichtet wurden. Unsere Ameisen im Garten – ich glaube, es handelt sich um die häufigen Schwarzen Wegameisen (Lasius niger) – bauen ihre Nester in lockerer Erde, die Hügel sind klein und unauffällig. Einen richtig großen Waldameisenhügel haben wir zuletzt im Herbst auf der Bürgeralpe bei Mariazell bestaunt. Er muss inzwischen schon längst wieder aus dem winterlichen Lockdown aufgewacht sein.
Highway der Ameisen
In der Karibik konnten wir auf unserer jüngsten Urlaubsexpedition Blattschneiderameisen beobachten. Die standen schon ewig auf meiner Wunschliste. Auf dem Ameisenhighway war die Hölle los. Die Insekten transportierten unablässig zerteilte Blätter und Blüten ins Nest. Dabei wuchteten sie die Ladung geschickt mit ihren Mandibeln auf Kopf und Rücken. Das organische Material wird nicht gefressen, sondern nur zerkaut. Der Brei ist Nährstoff für Pilze, die dann als Futter dienen. Ameisen, die Schwammerln züchten – man lernt nie aus.
In unseren Breiten versuchen sich Ameisen auch als Cowgirls. Konkret sind es Blattläuse, die gehütet werden. Ameisen lieben den Honigtau, wie die süße Ausscheidung von Blattläusen genannt wird. Als Gegenleistung wird die Blattlausfarm beschützt. Ein einzelner Marienkäfer etwa, der sich schon im Larvenstadium am liebsten mit Blattläusen den Magen vollschlägt, hat gegen die Ameisen keine Chance.
Ameisensäure aus Alkohol
Dass Ameisen zwicken können, ist bekannt. Wirklich schmerzhaft wird es aber erst, wenn eine Ameise Ameisensäure in die Wunde spritzt. Das tun nicht alle. Aber die Roten Waldameisen (Formica rufa) beispielsweise schon, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Meine Wade sah aus, als ob ich durch ein Brennnesselfeld gelaufen wäre. Panik ist aber nicht angebracht, allergische Reaktionen sind sehr selten. Ameisensäure ist in der Natur keine Seltenheit. Auch Quallen, Bienen, Käfer und Skorpione vertrauen auf das Abwehrgift. Weil es aber zuerst bei Ameisen entdeckt wurde, fungierten die Hautflügler als Namensgeber. Und jetzt kommt's: Auch der menschliche Körper kann Ameisensäure produzieren. Sie entsteht bei der Aufspaltung von Alkohol. Prost, auf die Working-Class-Heros! (Michael Simoner, 1.5.2024)