Asiatische Freundinnen umarmen sich glücklich in einem Park
Wer den Menschen um sich herum auch sagt, wie dankbar man für sie ist, fühlt sich ihnen verbundener und weniger einsam.
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Das menschliche Gehirn ist darauf programmiert, erst einmal das Negative wahrzunehmen. Das ergibt sich schlicht aus unserer Historie. Unsere Vorfahren waren gezwungen, eher über Gefahren nachzudenken als über Positives. Menschen, die wachsamer gegenüber Bedrohungen waren, lebten länger, und so wurde dieses Denkmuster, vereinfacht gesagt, über ihre Gene weitervererbt.

Nun ist das im Alltag natürlich längst nicht mehr in dem Maß notwendig, und wir könnten mittlerweile ruhig ein bisschen mehr auf die schönen Dinge im Leben fokussieren, findet Cem Ekmekcioglu. Er ist eigentlich Ernährungsmediziner, hat sich aber auch immer schon mit Dankbarkeit und positiver Psychologie beschäftigt. "Das war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens, der mir auch in schwierigen Phasen geholfen hat, das Leben wertzuschätzen", sagt er.

Nach seiner Covid-19-Erkrankung im November 2020 hat Dankbarkeit für ihn neu an Bedeutung gewonnen – und Ekmekcioglu in der Folge das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet. "Zu Dankbarkeit gibt es in erster Linie Geschenkbücher oder Dankbarkeitstagebücher. Ich wollte mir aber vor allem den psychologischen Hintergrund genauer ansehen", erzählt er. Seine Erkenntnisse hat er in dem Buch Dankbarkeit – Die Quelle für ein gutes Leben zusammengetragen.

Mehr Wohlbefinden, weniger Stress

Zwei zentrale Aspekte gibt es hinsichtlich der Frage, welchen Einfluss Dankbarkeit auf die Gesundheit hat. Erstens führt Dankbarkeit zu mehr Wohlbefinden und höherer Lebenszufriedenheit, das haben Meta-Analysen klar gezeigt. Wer dankbar ist, fühlt sich insgesamt wohler und ist tendenziell weniger einsam, das ist gut belegt. Helfen können dabei Dankbarkeitstagebücher, in denen man täglich ein paar Dinge aufschreibt, für die man besonders dankbar ist. "Oder man schreibt einen Brief an jemanden, der oder dem man möglicherweise zu selten gesagt hat, wie dankbar man für die Person ist", schlägt Ekmekcioglu vor. Außerdem haben dankbare Menschen weniger Neidgefühle, die wiederum mit depressiven Verstimmungen assoziiert sind.

Und zweitens kann das Praktizieren von Dankbarkeit Stress reduzieren, zeigen Studien. Vor allem während der Pandemie habe man in Erhebungen gesehen, dass dankbare Menschen in dieser intensiven Zeit weniger gestresst waren. Neurologisch lässt sich dieser Effekt gut erklären: Denken wir an schöne Dinge, aktiviert das den Hypothalamus. Das ist jene Region im Gehirn, die am Stressmanagement, dem Schlaf und der Stoffwechselsteuerung beteiligt ist. Außerdem wird bei Gefühlen der Dankbarkeit wahrscheinlich der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet. Dieser Botenstoff wird nicht umsonst auch als Glückshormon bezeichnet, denn er sorgt dafür, dass im Gehirn ein Belohnungseffekt ausgelöst wird.

Auch körperliche Auswirkungen erwiesen

Dass Dankbarkeit der Psyche gut tut, ist also in der Wissenschaft unbestritten. Aber wirkt sich das auch auf körperlicher Ebene messbar aus? Zum Teil, berichtet Ekmekcioglu, "aber dazu gibt es bisher nur sehr vereinzelt Studien." Theoretisch könnte man eine mögliche Auswirkung gut ableiten: Das erhöhte Wohlbefinden reduziert Stress, etwa durch Auswirkungen auf den Parasympathikus. Das ist jener Teil des vegetativen Nervensystems, der für Ruhe und Entspannung zuständig ist.

Vereinzelt wurde dieser Effekt auch schon in der Praxis nachgewiesen. Eine Studie bei Herzpatientinnen und Herzpatienten belegte etwa, dass das Praktizieren von Dankbarkeit zu mehr Ruhe und Entspannung geführt haben. Und, auch das ist vereinzelt nachgewiesen, Dankbarkeit erhöht die Schlafqualität. Dankbarkeitsübungen vor dem Zubettgehen reduzieren negative Gedankenspiralen und nächtliches Grübeln, man kann in der Folge besser einschlafen.

"Ansonsten kann man hinsichtlich körperlicher Faktoren nur vermuten, dass etwa mehr Wohlbefinden und Stressreduktion sich möglicherweise positiv auf den Blutdruck auswirken", sagt Ekmekcioglu. Oder möglicherweise wirkt sich Dankbarkeit über Umwege positiv auf die körperliche Gesundheit aus, besagt eine Theorie. Je dankbarer man ist, desto wohler fühlt man sich, und in der Folge lebt man womöglich insgesamt gesünder. Man bewegt sich mehr, trinkt vielleicht weniger Alkohol. "Aber das sind alles nur Vermutungen", betont Ekmekcioglu. All das muss erst im Detail erforscht werden, in der Wissenschaft sind die körperlichen Auswirkungen von Dankbarkeit noch ein vergleichsweise junges Thema. Was man aber sicherlich schon sagen kann: Schaden tut ein bisserl mehr Dankbarkeit ganz sicher nicht. (Magdalena Pötsch, 23.5.2024)