Keine Skipiste, kein See, keine Berge. In der Buckligen Welt geht es touristisch gesehen ruhig zu, man könnte fast sagen, es tut sich nichts. Genau das wollte Thomas Heissenberger (ÖVP), Bürgermeister der 1600 Einwohner großen Marktgemeinde Hochneukirchen-Gschaidt im Dreiländereck von Niederösterreich, dem Burgenland und der Steiermark ändern.

Im Vordergrund eine Plattform aus Holz mit Sitzmöbeln darauf, im Hintergrund ein Wiese und ein Weitblick in die Bucklige Welt.
Der schönste Fleck in der Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt wurde durch engagierte Menschen vor einer Verbauung bewahrt.
Rettet den Hutwisch

Mit einem Chaletprojekt wollte er die guten alten Zeiten heraufbeschwören, denn in den 1960er- und 1970er-Jahren, sagt er, sei die Region beliebt gewesen bei Sommerfrische-Gästen. Heute gibt es in der ganzen Gemeinde keinen einzigen Beherbergungsbetrieb. Für ein Feriendorf mit gleich 230 Betten sollten daher auf einem der schönsten Plätze der Gemeinde, dem Hutwisch, einer Erhebung mit Rundumblick, Flächen umgewidmet werden.

Doch relativ rasch bekam auch die Bevölkerung Wind von der Sache, wie Gerald Flickinger erzählt. Er hat daraufhin mit einigen Mitstreitern die Bürgerinitiative "Rettet den Hutwisch" gegründet, die sich gegen die Verbauung einsetzt. Diese kritisiert, dass das Projekt für den Ort viel zu groß sei, die schönste Aussicht im Ort vernichtet werde, und der Verkehr massiv ansteigen würde. Außerdem sieht die Initiative die Gefahr, aus dem Feriendorf könnte ein Geisterdorf werden. Gerade weil es in der Region keinen Tourismus gibt, sei fraglich, wer die Chalets überhaupt besuchen solle. Laut der Initiative sei "das wirtschaftliche Konzept vollkommen unklar".

Der Bürgermeister hingegen sah in den mangelnden Attraktionen kein Hindernis: Die Region biete Thermen, Wanderwege und Mountainbike-Strecken, außerdem würden sich die Urlaubsgäste ohnehin nach Erholung und Ruhe sehnen.

Projekt abgesagt

Und ruhig wird es nun auch bleiben auf dem Hutwisch. Denn nach den starken Protesten der Initiative, die im Vorfeld über 500 Unterschriften gegen das Projekt sammeln konnte, hat der Bürgermeister die Umwidmungen und das gesamte Chaletdorf Mitte April abgesagt. "Als Bürgermeister hat man auch eine Verantwortung, dass in einer Gemeinde Ruhe herrscht, und dieses Thema hat einfach zu sehr polarisiert", sagt er heute.

Gebaut hätte die Chalets die Almdorf Bauträger GmbH, die bereits 30 solcher Projekte in ganz Österreich errichtet hat. Geschäftsführer Johannes Arneth ist überrascht, wie der Fall sich entwickelt hat: Man habe das Projekt auf Anfrage des Bürgermeisters geplant und es sei keineswegs "still und leise" über die Bühne gegangen, es habe sogar eine Anrainerinformation gegeben.

Bezüglich der Wirtschaftlichkeit gibt Arneth zu, das Projekt wäre wohl keine "gmahde Wiesn" geworden, "das aufsperrt, und alles ist gut". Doch es hätte seiner Meinung nach eine Initialzündung für die Region sein können, um den Tourismus weiterzuentwickeln. Sein Unternehmen habe schon Projekte mit ähnlichen Ausgangslagen in strukturschwachen Regionen entwickelt, die heute gut gebucht seien.

Später Zweitwohnsitze?

Immer wieder stehen Chaletdörfer in der Kritik. Sie seien deshalb erfolgreich, weil die Errichtungskosten meist auf mehrere Investoren aufgeteilt und die Chalets einzeln abverkauft werden können, weiß Arthur Schindelegger, Experte für Raumpanung an der Universität für Bodenkultur. Bauträger hätten durch diese Vorgehensweise "ein leichtes Spiel". Auch in Hochneukirchen-Gschaidt habe es schon Interessenten gegeben, die in das Projekt investieren wollten, sagt Almdorf-Chef Arneth.

230 Betten für eine kleine Gemeinde wie jene in der Buckligen Welt hält Schindelegger für überdimensioniert, zumal es in der Region schon gut etablierte Betriebe im Vier-Sterne-Bereich gebe. "Man baut sich da in eine Konkurrenzsituation und es besteht die Gefahr, dass langfristig Zweitwohnsitze daraus werden", sagt der Experte. Oftmals hätten die Gemeinden nach einer Widmung keine Handhabe mehr, was auf einem Grundstück geschehe. Vor allem im Osten Österreichs gebe es hier oft keine oder nur wenig Regularien.

Schindelegger sieht im Fall Hochneukirchen-Gschaidt ein gutes Lehrstück: "Es ist schön, zu sehen, dass sich Bürgerinitiativen gründen und tatsächlich etwas bewirken können." Er hält es für fraglich, ob solche Bauprojekte in Zeiten viel zu hohen Bodenverbrauchs überhaupt noch argumentierbar sind. Und dabei ist letztlich auch egal, ob eine Skipiste, ein See oder Berge in der Nähe sind. (Bernadette Redl, 25.5.2024)