Hochrangige Militärangehörige haben es derzeit unter Wladimir Putin nicht leicht.
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Jewgeni Prigoschin lebt! Nicht wirklich natürlich, der berüchtigte Chef der Wagner-Söldner kam bei einem Flugzeugabsturz unter mysteriösen Umständen zu Tode. Aber seine Gedankengänge, seine Kritik an Russlands Armeeführung setzt Kreml-Chef Putin jetzt wohl um – und das in rasender Geschwindigkeit. Geradezu in Serie werden hochrangige Militärs verhaftet. Die Beschuldigung: Bestechung. Missmanagement und Korruption, genau dies hatte Prigoschin mit harschen Worten immer wieder kritisiert.

Zu den prominentesten Opfern der jüngsten Verhaftungswelle zählt Wadim Schamarin, einer der Stellvertreter von Generalstabschef Waleri Gerassimow, den Prigoschin besonders hart angegriffen hatte. Der 52-jährige Schamarin leitete im russischen Verteidigungsministerium die Hauptabteilung Kommunikation. Laut der Zeitung Nesawisimaja Gaseta werfen ihm die Ermittler vor, Bestechungsgelder in Höhe von 36 Millionen Rubel (rund 360.000 Euro) erhalten zu haben, so deren Sprecherin Swetlana Petrenko. Bewiesen ist der Vorwurf bislang nicht, ein Militärgericht in Moskau ordnete zunächst für zwei Monate Untersuchungshaft an. Schamarin muss aber mit einer Verurteilung rechnen.

Arbeiten gar nicht geleistet

Am Abend seiner Inhaftierung bestätigte dann das Ermittlungskomitee Medienberichte über eine weitere Festnahme im Verteidigungsministerium. Wladimir Wertelezki, der Chef der Abteilung für die Sicherstellung staatlicher Ankäufe von Waffen und militärischer Ausrüstung, werde Amtsmissbrauch vorgeworfen, heißt es. Er habe Forschungs- und Konstruktionsarbeiten für das Ministerium abgenommen, die gar nicht geleistet worden seien, und damit dem Staat einen Schaden von umgerechnet rund 700.000 Euro zugefügt.

Bereits zuvor waren Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow und der Chef der Kader-Hauptabteilung, Juri Kusnezow, verhaftet worden. Iwanow, Stellvertreter von Ex-Verteidigungsminister Schoigu, war für den Bau militärischer Einrichtungen zuständig. Er wird der Annahme von Bestechungsgeldern "in besonders großem Umfang" beschuldigt, teilte die Ermittlungsbehörde mit. Auch Iwanow musste in Untersuchungshaft. Iwanow hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen, gegen die U-Haft haben seine Anwälte Berufung eingelegt. Russischen Medienberichten zufolge drohen dem 48-Jährigen bis zu 15 Jahre Haft.

Vorwürfe von Nawalny

Iwanow gilt als Vertrauter von Russlands Ex-Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Das Team des im Straflager ums Leben gekommenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hatte bereits Ende 2022 Korruptionsvorwürfe gegen den 48-jährigen Politiker geäußert: In einer Recherche beschuldigten Nawalnys Mitstreiter Iwanow, er habe sich den Bau von Immobilien in mehreren russischen Regionen durch Auftragnehmer des Verteidigungsministeriums finanzieren lassen.

Anders gelagert scheinen die Hintergründe der jüngsten Festnahme von General Iwan Popow zu liegen. Zwar wird auch ihm "Betrug in besonders großem Umfang" vorgeworfen, so sein Anwalt. Anklage sei aber noch keine erhoben worden. Popow galt als fähiger Militär, der allerdings ähnlich wie Prigoschin immer wieder die Armeeführung kritisierte. Im Juli letzten Jahres wurde er entlassen.

Lob für Popow

Für ihn in die Bresche sprang Andrej Kartapolow, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament. Dieser kommentierte laut der Zeitung Kommersant, Popow sei "ein vielversprechender General". Und weiter: "Die wichtigste Fähigkeit eines jeden Chefs besteht darin, Probleme zu sehen und seine Untergebenen anzuhören."

Säuberungen in der russischen Armee: Kreml-Sprecher Dmitri Peskow weist zurück, dass es eine umfassendere Kampagne gegen die Beamten des Verteidigungsministeriums gebe. "Der Kampf gegen Korruption ist eine dauerhafte Arbeit", sagte er. Das gehöre zu den grundlegenden Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden. Sicher ist: Russlands frisch wiedergewählter Präsident Wladimir Putin baut seine Armee um. Sie soll schlagkräftiger, effizienter werden.

Ökonom als Ersatz

Unmittelbar nach seiner Wiederwahl ersetzte er seinen langjährigen Verteidigungsminister Sergej Schoigu durch den Wirtschaftswissenschafter Andrej Beloussow. "Das Verteidigungsministerium muss absolut offen für Innovationen und die Einführung aller fortschrittlichen Ideen sein, um Bedingungen für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen", sagte damals Kreml-Sprecher Peskow. Nun ernannte er den Ökonomen Oleg Saweljew zum stellvertretenden Verteidigungsminister. Die Ernennung gilt unter Experten als weiteres Zeichen für Putins Absicht, die Effizienz des Militärs und der russischen Kriegswirtschaft zu verbessern und die Ausgaben besser zu kontrollieren. (Jo Angerer aus Moskau, 24.5.2024)