Drei Jahrzehnte hat es gedauert, nun könnte der ANC bei den Wahlen am Mittwoch seine erste Quittung für seine desaströse Regierungsleistung in Südafrika bekommen. Die Umfragen prognostizieren den Verlust der absoluten Mehrheit. Es wäre eine neue Erfahrung für die einstige Befreiungsorganisation, die mit Verdiensten der Vergangenheit nicht länger Misswirtschaft der Gegenwart kaschieren kann.

Die ANC-Alleinherrschaft könnte einer Koalition weichen.
REUTERS//Siphiwe Sibeko

Doch so wie immer in Südafrika begleiten apokalyptische Prognosen die anstehende Ära der Koalitionen. Die Oppositionsführer der DA warnten vor einer möglichen "Weltuntergangskoalition" zwischen dem ANC und den linkspopulistischen EFF. Und brachte sich heroisch selbst als Regierungspartner des von ihnen vielkritisierten ANC ins Spiel, um dieses Szenario verhindern.

Turbulente Zukunft

Der Nation dürfte eine turbulente Zukunft bevorstehen. Aber die gäbe es angesichts der größten Einkommensunterschiede der Welt auch ohne ANC-Korruption. Während in West- und Zentralafrika ein Volk nach dem anderen seine demokratischen Ambitionen freiwillig – mit Ausnahme des Sudans – Generälen vor die Füße wirft, werden die Spaltungen in Südafrikas Gesellschaft demokratisch verhandelt. So wollen es (fast) alle, wenngleich die Zahl der Nichtwähler erschreckend hoch ist.

Es gehört zum politischen Einmaleins, sich dabei als letzte Chance des Landes zu inszenieren. Das ist nicht wahr, die wahren Stabilisatoren sind die starke Zivilgesellschaft, eine weise Verfassung und die Justiz, die so schwach nicht sein kann, wenn sie die Untergrabungsversuche der Zuma-Jahre überstanden hat.

Solange das so bleibt, gehört die Entwicklung Südafrikas zwar mit Sorge beobachtet, aber nicht mit Weltuntergangsstimmung. (Christian Putsch aus Kaptstadt, 27.5.2024)