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Foto: AP/Strauss
Wien - "Ich war gegen eine Doppellösung, ich bin gegen eine Doppellösung. Es gibt wohl niemanden in Wien, der eine Doppellösung befürwortet": Michael Häupl, Wiener Bürgermeister und Vize-Chef der Bundes-SPÖ, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. "Dezidiert gegen meinen Willen", sagt Häupl, sei die Rochade an der Parteispitze über die Bühne gegangen.

Die "Doppellösung", die der Bürgermeister kritisiert, hatte Alfred Gusenbauer zu Wochenbeginn durchgedrückt: Er überließ Infrastrukturminister Werner Faymann den Job des Parteichefs und rettete seinen Posten als Kanzler. Doch wie viel ist der Coup wert, wenn die mächtigste Landesgruppe murrt? Am Mittwoch rief Häupl seine Funktionäre in den "Wiener Ausschuss" zur Lagebesprechung.

Jubel brach im Rathaus keiner aus. Immerhin rangen sich die Wiener Unterstützungserklärungen ab - aber nur für einen der beiden an der Parteispitze. "Wir stehen geschlossen hinter dem Werner", sagte Häupl und streute den Satz in der Folge in verschiedenen Variationen immer wieder ein. Ob Gusenbauer als Kanzler auch das Vertrauen ausgesprochen wurde? Häupl erklärte sich und seine Getreuen kurzerhand für unzuständig: "Das war eine Parteisitzung und keine Regierungssitzung."

Häupl rechnet mit Neuwahl

Eindeutig zweideutig beantworteten auch andere Genossen die Frage, was sie von der neuen Doppelspitze hielten. Landesparteisekretär Harry Kopietz setzte einen breiten Grinser auf: "Wir werden versuchen, das Beste daraus zu machen." Ums "Glücklichsein" gehe es nicht, meinte Gewerkschaftsboss Rudolf Hundstorfer: "Die Lösung ist, wie sie ist." Ob sie auch auf Dauer sei? "Sicher nicht!"

Faymann verteidigt die neue Rollenaufteilung pflichtschuldig als sinnvoll: "Sie soll auch so bleiben." De facto glaubt in der Wiener SPÖ aber kaum wer daran, dass das Tandem funktionieren werde. "Der Werner wird sich aufreiben", prophezeit einer. Faymann bekomme die undankbare Aufgabe, verkaufen zu müssen, was Gusenbauer in der Regierung aushandle: "Die ÖVP wird ihn ausrutschen lassen."

Im Koalitionsstreit um die Pensionsautomatik will der designierte SPÖ-Chef hart bleiben. Er werde diesen "VP-Vorschlag sicher nicht zustimmen", sagte er in der "ZiB2". Vor Neuwahlen fürchte er sich nicht.

Dass Gusenbauer trotz Demontage wie vorgesehen als Spitzenkandidat in die nächste Wahl gehe, unterschreibt in der Wiener SPÖ niemand. "Die Frage des Spitzenkandidaten ist noch nicht entschieden", sagt Häupl. Der Bürgermeister deutet an, dass sich diese Frage bald stellen könnte: "So wie es die Österreichische Volkspartei anlegt, haben wir uns auf Neuwahlen vorzubereiten." Häupl spielt damit auf Aussagen von ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer an, der - etwa im Standard - die umstrittene Pensionsautomatik als Bedingung für den Fortbestand der Koalition nannte und sich fragte, ob die Regierungsarbeit weiterhin Sinn mache.

Voves ungewohnt sanft

Ganz andere, ungewohnt sanfte Töne gibt es zur "Doppellösung" vom steirischen SP-Chef und Landeshauptmann Franz Voves, der am Mittwoch in Brüssel über Frühwarnsysteme bei atomaren Zwischenfällen verhandelte. "Eine Trennung an der Spitze ist nur dann sinnvoll, wenn die beiden agierenden Personen gut mit einander können", erklärt Voves dem Standard. Und davon hätten Faymann und Gusenbauer alle Skeptiker "in viereinhalb Stunden überzeugt". Sieben von neun Teilnehmern seien zu Beginn der Sitzung nicht begeistert gewesen, "auch ich nicht". Nur die SP-Chefs von Niederösterreich und Vorarlberg "fanden die Idee gleich gut". Doch nun zählten auch er selbst und - so glaubt Voves - Häupl zu den "Befürwortern dieser Lösung. Denn Bures, Faymann und Gusenbauer sind drei Menschen, die sich von Jugend an kennen und immer gut miteinander kooperiert haben." Faymann werde in den nächsten Wochen in alle Bundesländer reisen und auch die letzten Skeptiker begeistern. "Er wird das Bindeglied zwischen dem Kanzler und der Basis sein", glaubt Voves - und irgendwo "in dieser Kette ist auch Doris Bures". (Gerald John, Colette M. Schmidt/DER STANDARD Printausgabe, 18. Juni 2008)