Der Termin möglicher Neuwahlen rückt näher. Zumindest nimmt die ÖVP den neuen SPÖ-Chef Werner Faymann stärker ins Visier; der läßt sich das nicht gefallen und gibt zurück.

Gestern kritisierte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein die Abwesenheit des Verkehrsministers beim Ministerrat. Dies habe gezeigt, dass Faymann die Partei offensichtlich wichtiger sei als die Arbeit im Ministerrat. "Das macht nicht Mut für eine bessere Zukunft. Aber so wie in den letzten Monaten kann es nicht weitergehen, das ist den Wählerinnen und Wählern nicht zumutbar", sagte er.

Faymann schoss unterdessen mittels eines Interviews in der Kleinen Zeitung gegen ÖVP-Chef Wilhelm Molterer zurück. Er sei "enttäuscht", dass Molterer nicht in der Lage sei, "ein klares Nein zu Neuwahlen zu formulieren", sagt Faymann. Angst davor, dass die Koalition zerbrechen könnte, habe er allerdings nicht. "Warum soll sie zerbrechen? Aus meiner Sicht zerbricht sie nicht. Man soll lieber arbeiten, als Drohungen in den Raum stellen. Wir werden nicht die Pensionen verschlechtern aus Angst vor Drohungen des Herrn Molterer."

Noch-Frauenministerin Doris Bures äußerte sich bei ihrer heutigen Bilanz-Pressekonferenz zurückhaltend zum Koalitionsstreit: "Kein Mensch will Neuwahlen." Allerdings: "Wenn Willi Molterer die Nationalratswahl vor 2010 will, dann soll es halt passieren."

Ansprechpartner für Molterer

Vizekanzler Molterer hat die SPÖ erneut aufgerufen, ihre interne Parteiführung zu klären. "Die Klärung in der SPÖ-Führungsfrage ist aus meiner Sicht nicht gegeben. Diese Diskussion erschwert das Arbeiten", sagte Molterer vor einem Treffen christdemokratischen EVP-Parteichefs am Donnerstag vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Die Pensionsregelung sei neben der Budget- und Steuerreformvorbereitung eine von vielen zu klärenden Fragen in der Koalition. "Ich brauche einen Ansprechpartner in der SPÖ, mit dem ich das vereinbaren muss. Derzeit ist mir nicht ganz klar, wer das ist", so Molterer.

Der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger befürchtet, dass der Koalitions-Streit rund um die Pensionsautomatik eskalieren könnte. "So sieht es das Regiebuch der SPÖ offensichtlich vor", meinte er auf eine entsprechende Frage der "Wiener Zeitung" (Freitag-Ausgabe). Zur Zukunft der Koalition meinte er, die Frage sei, ob der geschäftsführende SPÖ-Obmann Werner Faymann den Willen habe, das Regierungsprogramm abzuarbeiten - hier habe er "Zweifel angesichts seines Neins zur Pensionsautomatik". In diesem Fall würde niemand etwas davon haben weiterzumachen. (APA/red/lis/derStandard.at, 19. Juni 2008)