Die SPÖ-Minister stellten sich am Freitag hinter Gusenbauer und Faymann. "Volle Zustimmung" gibt es von Sozialminister Erwin Buchinger. Es sei das Bedürfnis der Bürger, dass die EU mehr ist als ein "Europa der Konzerne", sie müsse auch eine Sozialunion werden. Auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied steht hinter dem Schwenk der SPÖ in Sachen EU-Volksabstimmung. Über die Kommunikation des SPÖ-Schwenks will sich Schmied "kein Urteil anmaßen": "Das möchte ich nicht kommentieren." Die Wahl des einzelnen Kommunikationsweges bleibe jedem selbst überlassen.

SP-Geschwentner "skeptisch"

Kritisch äußert sich am Freitag der Tiroler SP-Vorsitzende Hannes Gschwentner. Dass auf die wachsende EU-Ablehnung der Bevölkerung reagiert werde sei richtig, "skeptisch" sei er allerdings, ob der Volksabstimmungsweg richtig sei, sagte Gschwentner zur APA.

Bundespräsident wird "desavouiert"

Harsche Kritik übt Altbundeskanzler Franz Vranitzky, unter dessen Kanzlerschaft Österreich der EU beitrat, an Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, am geschäftsführenden SPÖ-Chef Werner Faymann und deren neuen EU-Linie. "Ich halte die Initiative der beiden Herren für einen Denkfehler", sagte er am Freitag dem Ö1-"Mittagsjournal". Empört äußerte sich der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Herbert Bösch: "Das ist nicht die Linie der SPÖ."

"Einzelmeinungen"

Vranitzky kann sich nicht vorstellen, "dass man mit der bloßen Ankündigung einer Volksabstimmung die Europaskepsis der Österreicher abschafft". Gusenbauer und Fayman würden aber derzeit auch bloß "Einzelmeinungen" vertreten: "Ich habe nicht gehört oder gelesen, dass irgendwelche Parteibeschlüsse gefasst worden wären." Jene SP-Politiker, die stets die "bisher richtige Parteilinie" zur EU vertreten hätten, "müssten sich ja verschaukelt vorkommen, wenn sie über Nacht das Gegenteil vertreten müssen", so Vranitzky weiter: "Ganz abgesehen davon, dass der Bundespräsident, der sehr klar, sehr ruhig, sehr besonnen immer wieder den richtigen Standpunkt vertreten hat, dass der von der Spitze der stimmenstärksten Partei im Parlament so ohne weiteres desavouiert werden kann - da kann man auch nicht zur Tagesordnung übergehen."

"Kapitaler Missgriff" Das "einzig Richtige" sei jedenfalls, "diesen Vorstoß zu revidieren und zurückzugehen zu einer EU-Politik, in der sich die österreichischen Staatsbürger wiederfinden". Dass Gusenbauer und Faymann ihren Überraschungs-Schwenk per "Kronen Zeitung" verkündeten, ist nach Ansicht des Altkanzlers "vielleicht auch die Erklärung für die Doppelspitze, weil einem allein ein so kapitaler Missgriff gar nicht gelungen wäre".

Ähnlich harte Worte findet Bösch zur Veröffentlichungspolitik der SPÖ-Führung: "In Form von Leserbriefen an irgendwelche Zeitungsherausgeber, da gibt sich die Politik selbst auf", schimpfte er. "Ich bin nicht der 'Kronen Zeitung' beigetreten, sondern der Sozialdemokratischen Partei Österreichs." Auch er spricht von "Einzelmeinungen des Herrn Faymann und des Herrn Gusenbauer" gegen die SP-EU-Linie, die ein fatales Signal seien. "Eine Partei ist dazu da, ihres Erachtens richtige Dinge den Menschen zu erklären. Wenn sie dazu nicht mehr in der Lage ist, dann muss sie sich auflösen. Das haben wir nicht vor. Ich erwarte, dass sich die beiden Herrschaften an der Spitze der Partei von dieser Vorgangsweise, die sie selber unnötigerweise gewählt haben, distanzieren."

Burgstaller: Menschen für Europa gewinnen

Der Wiener Bürgermeister und SP-Landeschef Michael Häupl stärkt der Bundesparteispitze in Sachen EU den Rücken: In Zukunft könne es bei Verträgen einen "Volksentscheid" geben, so Häupl in einer Aussendung. Denn angesichts der gesunkenen Zustimmung zur EU sei es legitim und notwendig, zu überlegen, "wie man die Europäische Idee wieder näher an die Menschen heranbringen und eine positive Stimmung für dieses größte Friedensprojekt in der Geschichte Europas erreichen könne".

"Die überzeugte pro-europäische Haltung der Wiener SPÖ ist bekannt und verändert sich sicher nicht", versicherte Häupl am Freitag.

In Salzburg, der Steiermark, Kärnten, Niederösterreich, Vorarlberg und dem Burgenland begrüßten die dortigen SP-Vertreter den Vorstoß von Alfred Gusenbauer und Werner Faymann.

Salzburgs SP-Obfrau LH Gabi Burgstaller sah am Freitag einen "Versuch, die Menschen in Österreich und Europa besser in den Vertiefungsprozess der EU einzubeziehen und sich verstärkt um die Zustimmung der Bevölkerung zu bemühen".

Der steirische Landeshauptmann Franz Voves meinte, man habe gesehen, dass die Bevölkerung über zentrale europäische Fragen oft zu wenig aufgeklärt sei. "Die Volksabstimmung kann daher eine durchaus sinnvolle Maßnahme sein, um den diesbezüglichen Informationsstand der Bürger zu erhöhen und die Menschen stärker in den Entscheidungsprozess einzubeziehen", so Voves. Auch die SPÖ-Kärnten "unterstützt und begrüßt den neuen Kurs der SPÖ zur EU", so Landesgeschäftsführer Gerald Passegger zur APA.

Sorgen der Menschen

Sepp Leitner, Chef der SPÖ NÖ, verstand ganze die Aufregung gar nicht: "Was soll falsch daran sein, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und sie in demokratische Prozesse einzubeziehen?", fragte er. Auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl versicherte, die neue Position von Gusenbauer und Faymann habe "voll und ganz" seine Zustimmung. (APA)