Vösendorf – Er sei froh, dass der Bericht des Landes noch vor der Gemeinderatswahl am kommenden Sonntag fertig wurde, sagte Hannes Koza (ÖVP) am Freitag. Rückblickend ist das überraschend.

Denn der Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Vösendorf präsentierte bei einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag zwar nur ausgewählte Erkenntnisse der Gemeindeaufsicht. Aber selbst die fielen äußerst kritisch hinsichtlich der politischen Führung der Marktgemeinde aus. Einige Stunden später veröffentliche Koza den vollständigen Bericht.

Hannes Koza, lehnend
Hannes Koza ist stolz auf seine Gemeinde. Die Aufsicht beim Land Niederösterreich hat viel an seiner Politik auszusetzen.
Regine Hendrich

Fälschung als Anlass

SPÖ und Neos haben die Sonderprüfung per Antrag im Landtag angestoßen, nachdem Kozas gefälschte Rechnung aufgeflogen war: Der Bürgermeister hatte nach einem verlorenen Rechtsstreit rund um einen privaten Tweet die Anwaltskosten der Gegenseite übernehmen müssen. Doch statt selbst zu bezahlen, hat er die Rechnung so manipuliert, dass er sie vom Feuerwehrkonto der Gemeinde bezahlen hätte lassen können. Koza hat einen Fehler eingestanden, die Staatsanwaltschaft das Verfahren im Zuge einer Diversion eingestellt.

Nun liegt der Prüfbericht des Landes also vor. Der Sukkus: Koza hat im Jahr 2020 eine schwer verschuldete Gemeinde übernommen – und dann weiter Geld ausgegeben. So kritisieren die Prüferinnen und Prüfer in Kozas Darstellung die hohen Ermessensausgaben. Das sind freiwillige Ausgaben einer Kommune jenseits ihrer gesetzlichen Pflichten.

Land mahnt Sparkurs ein

In Vösendorf handelt es sich dabei etwa um Extra-Zuschüsse für Musikschule und Hort, Subventionen für Vereine und verschiedene Sozialleistungen. Die Summe dieser Ausgaben sei pro Kopf mitunter dreimal so hoch wie in ähnlich wohlhabenden Gemeinden und müssten dringend reduziert werden, mahnt das Land.

Die finanzielle Situation Vösendorfs sei deshalb angespannt. "Die Gemeinde wird aufgrund der Kritik der Prüfer nachschärfen müssen und ist gezwungen, hier Einsparungen vorzunehmen", sagt Koza am Dienstag. "Ob das im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ist, wage ich zu bezweifeln."

"Einfach zu sozial"

Auf Nachfrage des STANDARD, wie er die hohen Ausgaben trotz Schuldenbergs erklärt, rechtfertigt sich der Bürgermeister: Erst in den vergangenen Jahren hätten hohe Kosten für Zinsen, Energie und Gehälter finanzielle Probleme gebracht. Insgesamt "waren wir einfach zu sozial".

Wand mit der Aufschrift
Hannes Koza hat viele Ideen für Vösendorf, doch das Land Niederösterreich kritisiert: Sie waren mitunter zu teuer.
Heribert Corn

Schon im Vorfeld waren die Spesen des Bürgermeisters in die Kritik geraten. Auch das Land Niederösterreich sah ein Problem in dem Posten, der ca. 7500 Euro pro Jahr ausmache. Die Erklärung des Bürgermeisters: Weil die Gemeinde keine eigene Kreditkarte habe, habe er oft Ausgaben vorgestreckt und dann rückerstattet bekommen. Von einer "Küche für eine bedürftige Frau" bis zu Rindenmulch für den Schlosspark hat ihm die Gemeinde seine Auslagen meist in bar zurückbezahlt.

Schlampige Buchhaltung

Besonders oft kritisiert die Gemeindeaufsicht einen grundsätzlich schlampigen Umgang mit Geld in Vösendorf. Vielfach wurden Rechnungen von der Gemeinde bezahlt, denen wesentliche Informationen fehlten. Auf mehreren Wirtshaus-Rechnungen fehlen außerdem übliche Angaben zu den konsumierten Speisen und Getränken. Zum Beispiel: "diverse Getränke Anzahl 1" um 219,60 Euro. Bei der Abrechnung solcher Kosten fehlte darüber hinaus oft der genaue Zweck dieser Bewirtungen, etwa die eingeladenen Personen. Mehrmals stand im entsprechenden Feld nur: "Bürgermeister".

Schloss Vösendorf.
Die Gemeinde Vösendorf residiert im Schloss.
Heribert Corn

Und während sich Koza durch den Bericht vom Vorwurf weiterer Rechnungsfälschungen reingewaschen sieht, zeigt das Papier sehr wohl weitere Ungereimtheiten auf. So zählten die Prüferinnen und Prüfer in Kozas Amtszeit 43 Zahlungen an die Firma von Kozas Frau. Sie betreibt den Schlossheurigen. Und: Auch Koza ist mit einer kleinen Haftungssumme an diesem Betrieb beteiligt.

Lückenhaftes Fahrtenbuch

Koza zahlte sich also auch selbst Geld aus, wenn er als Bürgermeister seine Frau beauftragte. Und das verbietet die niederösterreichische Gemeindeordnung explizit. In solchen Fällen hätte immer die Vizebürgermeisterin die Auszahlung erledigen müssen. Das geschah aber nur in zwei der 43 Fälle.

Auch die Kilometergeldabrechnungen des Bürgermeisters (in Summe immerhin 10.000 Euro) waren für die Prüferinnen und Prüfer vielfach nicht nachvollziehbar: Es fehlte etwa besonders oft der Zweck der Fahrt. Und das, obwohl Koza seiner Gemeinde auch 7,99 Euro für eine Fahrtenbuch-App in Rechnung gestellt hat. Mittlerweile fährt Koza einen Dienstwagen.

200 Euro zu viel verdient

Wegen eines Berechnungsfehlers hat Koza außerdem in den ersten drei Jahren seiner Amtszeit rund 200 Euro zu viel verdient. Dieser Fehler wurde mittlerweile korrigiert. Wie es dazu kam, kann sich der Bürgermeister selbst nicht erklären.

Koza räumt im STANDARD-Gespräch ein, dass es in der Buchhaltung seiner Gemeinde Mängel gegeben habe und er diese Fehler auf sich nehme.

Hannes Koza von hinten vor der Kirche in Vösendorf
Hannes Koza gibt zu, dass es in der Buchhaltung seiner Gemeinde Mängel gegeben hat.
Heribert Corn

Bei den Pauschalrechnungen aus dem Wirtshaus sei auch immer eine Aufstellung beigelegt worden, die sich aber in der Buchhaltung nicht wiedergefunden habe. Natürlich hätte er bei den Zahlungen an die Firma seiner Frau besser aufpassen müssen, aber er gebe jede Woche "hunderte Rechnungen frei und vertraue darauf, das ich nur Rechnungen bekomme, die ich abschließend freigeben soll".

Gebühren ohne Grund erlassen

Zu Kozas Glück hat die Gemeindeaufsicht des Landes aber noch viel weiter in die Vergangenheit geschaut und zwar bis ins Jahr 1996 – DER STANDARD berichtete. Damals wurde Vösendorf noch von der SPÖ regiert und der "Seepark Vösendorf", eine Wohnsiedlung am Wasser errichtet. Offenbar im Zuge eines gängigen Gegengeschäfts hat der damalige Bürgermeister der Baufirma die Aufschließungsabgabe erlassen. Allerdings ohne Rechtsgrundlage, bemängeln die Prüferinnen und Prüfer.

Die Aufschließungsabgabe bezahlen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer der Gemeinde für den Anschluss etwa ans Straßen- und Kanalnetz. Weit verbreitet ist es vor allem bei gewerblichen Bauträgern, sie diese Arbeiten selbst machen zu lassen und im Gegenzug als Gemeinde auf die Abgabe zu verzichten.

Heute werden solche Deals über legale Raumordnungsverträge abgewickelt. Aber: 1996 gab es keine Rechtsgrundlage dafür. Koza behauptet, den aktuellen Eigentümerinnen und Eigentümern drohen jetzt Nachzahlungen in Höhe von 20.000 Euro und mehr, kundige Juristinnen und Juristen bezweifeln das allerdings.

Gebührenerlass für Politikerkind

Und auch in einem weiteren Fall wurde die Aufschließungsabgabe nicht eingehoben: Und zwar bei einem einzelnen Häuslbauer, der ein naher Verwandter einer Person aus der SPÖ-Führungsriege zu dieser Zeit war. Er hat bei seinem Gartenhaus nach erfolgter Umwidmung einen Zubau genehmigen lassen. Da wäre eine Abgabe fällig geworden, aber nicht eingehoben. DER STANDARD konnte die betroffene Person am Dienstag nicht für eine Stellungnahme erreichen.

In Vösendorf gibt es also viel aufzuräumen. Ob Koza das in den nächsten Jahren erledigen wird, wird am Sonntag klar sein. Dann wählt die Gemeinde einen neuen Gemeinderat. (Sebastian Fellner, 30.4.2024)