Junge Frau mit Laufoutfit hat Knieschmerzen
Wenn das Kniegelenk schmerzt, ist oft eine schlechte Muskeldehnung der Auslöser. Sehnen und Bänder reiben dann über das Gelenk und entzünden sich dadurch.
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Der Frühling liegt in der Luft, und es treibt einen förmlich in den Laufschuhen nach draußen. In Parks, entlang von Flussufern und auch auf Hügeln und Bergen werden die Sportbegeisterten ständig mehr. Doch mit dem Lauf-Elan spürt man auch das eine oder andere Wehwehchen, allen voran ein schmerzendes Knie. Und wenig vergällt einem die Lauflust so sehr wie ein Gelenk, das man bei jedem Schritt spürt. Doch woher kommt dieser Schmerz? Bedeutet das, man muss sich in absehbarer Zeit unters Chirurgenmesser legen?

Nein, beruhigt Orthopäde Leo Pauzenberger, "das Knie ist an sich ein sehr stabiles und widerstandsfähiges Gelenk, das kann man ordentlich belasten". Das tut man auch recht intensiv, schon bei leichtem Jogging überträgt sich bei jedem Schritt das Sechs- bis Siebenfache des Körpergewichts auf das Knie. "Hat man sich im Winter wenig bewegt oder macht man eine ungeschickte Bewegung, kann es dann doch schnell zu einer Verletzung oder zu Überlastung kommen."

Doch nicht immer ist das Knie der Auslöser für den Schmerz. Klingt absurd, doch ganz oft liegt die Ursache woanders. "Man muss den Körper immer als Ganzes sehen, nicht aufgeteilt in seine einzelnen Teile, über die Muskel- und Faszienketten hängt alles zusammen", betont Pauzenberger. Diese Verbindung beginnt beim Fußgewölbe, das quasi ein Stoßdämpfer nach unten ist, setzt sich fort über das Sprunggelenk, geht über das Knie in Hüfte, Becken und den Rücken bis hinauf zur Halswirbelsäule.

Schwache Hüfte

Am Kniegelenk trifft dabei vieles zusammen. Dieses besteht aus mehreren Komponenten, insgesamt sind drei Knochenstrukturen daran beteiligt, Oberschenkel, Schienbein und Kniescheibe, die Patella. Anders als etwa beim Hüftgelenk sind diese Knochen aber nicht strukturell über eine Gelenkspfanne miteinander verbunden. Die Knochenstrukturen laufen über Meniskus und Knorpel zusammen und werden durch mehrere Bänder stabilisiert.

Die häufigsten Auslöser, warum nun das Knie "beleidigt" ist, sind eine zu schwache Hüftmuskulatur oder eine Instabilität im Knöchel, weiß Physiotherapeut René Bakodi. "Das führt dazu, dass beim Laufen oder auch beim Wandern die Beinachse nicht korrekt gehalten werden kann, dann driftet das Knie in der Regel nach innen weg und das Knie wird anders belastet, als es eigentlich belastet werden sollte."

Deshalb ist der erste Therapieansatz, dass man die Beinachse analysiert. Das sollte ein Profi tun, aber einen Schnellcheck kann man mit einem Blick auf die eigenen Schuhsohlen machen: Sind die an der Hinterseite, bei der Ferse, innen oder außen stärker abgenützt, ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Beinachsen nicht passen.

Von Knacken bis Stechen

Wie wirken sich solche Achsenprobleme nun konkret aus? Etwa durch entzündete Sehnen. Oberhalb und unterhalb der Kniescheibe setzen Quadrizeps und Patellasehne an. Der Quadrizeps zieht sich über den gesamten Oberschenkel, die Patellasehne verbindet die untere Spitze der Kniescheibe mit dem Schienbein. Ist der Quadrizeps ständig unter Druck, wirkt sich das auf die Patellasehne aus, sie kann sich entzünden. "Das ist einfach ein mächtiger Muskel, das kann schnell zu einer Überlastung führen", erklärt Pauzenberger. Sitzt man beispielsweise den ganzen Tag und wird er generell wenig bewegt, kann er "verkürzen". Geht man dann am Abend laufen, ist das ein recht plötzlicher Belastungswechsel. "Deshalb sollte man den Muskel darauf vorbereiten, also ordentlich aufwärmen, damit die Kraftübertragung gut funktioniert."

Spürt man es an der Innenseite, kann das durchaus am Meniskus liegen. Aber auch die Seitenbänder und umgebenden Muskelstrukturen können überlastet sein. An der Außenseite wiederum kann eine schlechte Dehnung des Tractus iliotibialis – das ist ein mehrere Zentimeter breiter Faserzug, der vom Becken bis unter das Knie reicht – der Auslöser sein. Dieser Faserzug reibt dann nämlich am äußeren Gelenksrand und kann sich dabei sogar entzünden, das sogenannte Läuferknie oder Runner's Knee entsteht.

Im mittleren Alter, also etwa ab den 40ern, können sich auch erste Abnützungserscheinungen am Knorpel bemerkbar machen. "Der meldet sich dann episodenartig einmal mehr, einmal weniger", weiß Pauzenberger. Das spürt man meist direkt hinter der Kniescheibe, wo diese in einer Rinne gleitet bzw. bei Abnützung reibt.

Keine Sorgen müsse man sich im Normalfall machen, wenn es im Kniegelenk knackt: "Das kommt meist von Schleimhautfalten oder leichten Unebenheiten der Gleitgewebe des Kniegelenks. Das hat fast jeder Mensch", weiß Pauzenberger. Grundsätzlich gilt: Hat man beim Knacken auch ein Gefühl der Reibung oder tut es weh, sollte man das unbedingt abklären lassen.

Individuelle Lösungen

Pauschale Allheilmittel gibt es dabei nicht, der Lösungsansatz ist immer individuell: "Bei einer Person können das Einlagen sein, jemand anderer braucht Muskeltraining. Wenn es eine Gemeinsamkeit gibt, dann ist es die, dass sehr oft nicht das Knie selbst der Auslöser ist, auch wenn es dort wehtut", sagt Orthopäde Pauzenberger.

Und er ergänzt: "Man muss nicht immer gleich operieren, viele Probleme bekommt man in den Griff, wenn man der Struktur die Zeit gibt, die sie braucht, um sich zu erholen." Sechs Wochen nennt er als Zeitraum, in dem sich viele Entzündungen oder kleine Verletzungen üblicherweise deutlich bessern, "und auch wenn das mühsam ist, diese Geduld muss man aufbringen".

Einen spannenden Therapieansatz sieht Pauzenberger übrigens auch in neuen Entwicklungen wie Eigenblut- oder Stammzellentherapie. "Das ist noch in den Kinderschuhen, und man muss es sich individuell anschauen, aber ich denke, da steckt viel Potenzial drin."

Langsam angehen

Will man sich solche Probleme ersparen, sollte man es langsam angehen und Pausen einplanen, damit sich Muskeln, Sehnen und Knochen erholen können – vor allem, wenn man sie länger nicht belastet hat. Pauzenberger ergänzt: "Die Belastung ist das eine, aber es kommt auch auf die Muskelkoordination an. Und auch die wird schlechter, wenn man sich über längere Zeit weniger bewegt hat." Deshalb empfiehlt er, langsam zu beginnen und dann zu steigern – also genau das, was man im Grunde ohnehin weiß, aber wo einem die eigene Ungeduld oft in die Quere kommt.

Der einzige wirkliche Fehler, den man machen kann, ist, sich nicht zu bewegen, betont Physiotherapeut Bakodi. Eine Untersuchung zeigt etwa, dass 3,5 Prozent der Freizeitläufer eine Arthrose in Knie oder Hüfte haben, aber zehn Prozent der Menschen, die vorwiegend sitzen. "Das heißt, wenn man nichts tut, ist die Gefahr, dass man eine Abnützung im Knie bekommt, deutlich höher."

Das liegt daran, dass durch die Belastung der Knochen gefordert ist, seine Struktur zu stärken – wird sie nicht genutzt, degeneriert sie im Umkehrschluss rascher, weil der Knochen die Botschaft bekommt, man brauche sie nicht. Das Gleiche gilt für den Knorpel: "Der wird nicht durchblutet, die nötigen Nährstoffe werden deshalb aus der Gelenksflüssigkeit in den Knorpel gepresst, und das passiert nur in Bewegung."

Videoanalyse und Krafttraining

Wie weiß man nun, ob man falsch belastet? Bakodi empfiehlt, sich beim Laufen filmen zu lassen und diese Aufnahme zu analysieren. Sieht das gerade aus? Oder erkennt man ein leichtes Hinken, falsches Abrollen oder Ähnliches? Und man solle sich überlegen, ob es eventuell auch andere Bereiche gibt, die schmerzen, auch wenn man keinen Verdacht hat, dass diese zusammenhängen könnten, wie eben die Hüfte. Aufmerksam muss man dann werden, wenn man tatsächlich Veränderungen am Knie sieht, Schwellungen etwa oder Rötungen.

Wer sein Knie unterstützen und stabilisieren will, hat genau eine Möglichkeit: Krafttraining. "Viele Menschen, die wegen Kniebeschwerden beim Laufen zu mir kommen, haben einfach zu wenig Kraft in den Beinen", berichtet Bakodi. Er empfiehlt den klassischen Ausfallschritt und die Kniebeuge.

Sind die Beschwerden nicht so schlimm, reicht es oft, wenn man die Intensität etwas reduziert und beispielsweise langsamer läuft. Wird es trotzdem nicht besser, dann sollte man das Problem aber auf jeden Fall abklären lassen, sagt Bakodi. Und niemals sollte man einfach über Schmerzen drübergehen. (Pia Kruckenhauser, 21.3.2024)