Ältere Frau hält sich zwei Orangenhälften vor die Augen.
Ab dem 60. Lebensjahr verliert man immer schneller Muskelmasse. Und weniger Muskeln bedeuten auch weniger Energieverbrauch.
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In den 20ern kann man noch so viel essen, wie man will, ohne dass sich gleich jede Cremeschnitte auf den Hüften absetzt. Rund um den 30. Geburtstag sieht das bei vielen schon anders aus. Und mit jedem weiteren Jahrzehnt hält man das Hüftgold gefühlt schwerer in Schach. Das ist dabei nicht nur ein Gefühl, sondern tatsächlich die Realität, bestätigen Fachleute den individuellen Eindruck. "Bereits ab dem 30. Lebensjahr reduziert sich der Grundumsatz und sinkt dann alle zehn Jahre um weitere zwei bis drei Prozent", erklärt Florian Kiefer, Professor für Endokrinologie und Metabolismus an der Med-Uni Wien.

Die Gewichtsformel ist dabei in jedem Alter ganz einfach: Wer mehr Kalorien zu sich nimmt, als er verbraucht, wird mit der Zeit zunehmen. Der Gesamtenergieverbrauch setzt sich aus drei wichtigen Komponenten zusammen: dem Grundumsatz, das ist jene Energie, die vor allem die Organe in unserem Körper verbrauchen, der physikalischen Aktivität und der diätinduzierten Thermogenese. Das ist, vereinfacht gesagt, jene Energie, die der Körper für alle Verdauungsvorgänge braucht. Die wichtigste Komponente in dieser Formel ist der Grundumsatz. Er macht 50 bis 70 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus.

Energieverbrenner Gehirn und Leber

Sinkt der Grundumsatz, benötigt der Körper also auch weniger Kalorien. Aber warum wird der Grundumsatz im Laufe der Zeit immer geringer? Schuld daran ist vor allem die Muskelmasse, die ab 30 kontinuierlich abnimmt. Sie trägt einen großen Teil zum Grundumsatz bei. "Besonders rasch schreitet der Verlust der Muskelmasse dann ab dem 60. Lebensjahr voran. Zum einen nimmt ab diesem Alter häufig das Aktivitätslevel ab, und zum anderen kommt es zu hormonellen und metabolischen Veränderungen, die ebenfalls den Muskelabbau beschleunigen", erklärt Kiefer.

Neben der Muskulatur verbrauchen aber noch andere Organe, insbesondere das Gehirn und die Leber, einiges an Energie. Und das vor allem in jungen Jahren. Kiefer sagt: "Gemessen an ihrer Organmasse sind Leber und Gehirn sogar die größten Energieverbraucher. Wie bei anderen Organfunktionen nimmt aber auch die Stoffwechselaktivität von Gehirn und Leber im Alter ab. Das hat ebenfalls einen Effekt auf den Grundumsatz."

Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Man kann den Grundumsatz im Alter weiter hoch halten. Allen voran bedeutet das, etwas gegen den Muskelabbau zu tun. Das klappt am besten mit regelmäßigem Krafttraining. Zusätzlich sollte man auf eiweißreiche Ernährung achten. Denn gerade die kommt in späteren Jahren oft zu kurz, weiß Endokrinologe Kiefer: "Viele ältere Menschen haben weniger Hunger oder Appetit und ernähren sich dann zu eiweißarm. Das treibt den Muskelschwund zusätzlich voran." Neben tierischen Eiweißquellen aus Fisch und Milchprodukten sollten vor allem auch pflanzliche wie Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan stehen.

Braunes Fett erhöht Energieumsatz

Muskeln, die weniger werden, Organe, die weniger arbeiten: alles Gründe dafür, dass wir im Alter weniger Kalorien verbrauchen. Aber Forschende sind bei dieser Frage auch noch einem anderen Aspekt auf der Spur: dem braunen Fett. Menschen haben nämlich zwei Arten von Fettgewebe, das weiße und das braune. Während das weiße ein Energiespeicher ist, kann braunes Fett den Energieumsatz sogar erhöhen. Kiefer, der selbst am braunen Fett forscht, erklärt: "Braunes Fett ist im Gegensatz zum weißen ein Organ, das Energie verbrennt. Das steigert sich noch, je kälter es ist."

Doch nicht alle Menschen verfügen über braunes Fett. Es ist vor allem bei jüngeren Menschen vorhanden, allen voran bei Babys. "Sie benutzen das braune Fett, um ihre Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Verbraucht man Energie, wird nämlich gleichzeitig Wärme freigesetzt. Diesen Prozess nennt man Thermogenese", erläutert der Experte. Für Babys ist das ein überlebensnotwendiger Mechanismus, sie besitzen noch relativ wenig Muskelmasse. Darum ist es ihnen nicht möglich, allein durch Zittern genügend Wärme zu produzieren. Diese Rolle übernimmt das braune Fett für sie.

Mit der Zeit geht das braune Fett jedoch verloren. Das hat vermutlich evolutionäre Gründe, erklärt der Experte: "Unsere Vorfahren hatten immer wieder mit Lebensmittelknappheit zu kämpfen. Dann war es wichtig, vor allem viel weißes Fett zu haben, weil es die Energie speichert. Erst seit wir Nahrung im Überfluss haben und viele Menschen mit Adipositas kämpfen, würden wir uns mehr von dem energieverbrennenden als vom energiespeichernden Fett wünschen." Es wäre also wünschenswert, das braune Fett so lange wie möglich zu erhalten. Wie das gelingen könnte, darauf hat die Wissenschaft aber leider noch keine Antwort. (Jasmin Altrock, 26.10.2023)