Holocaustüberlebende Ari Rath, ..

Foto: Moritz Grewenig

Marko Feingold, ...

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Vilma Neuwirth, ...

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Rudolf Gelbard, ...

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Lucia Heilman.

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Die Zeitzeugin Ceija Stojka starb im Jänner 2013.

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Burgtheater. Probenvormittag. Auf der Bühne Mavie Hörbiger, Dörte Lyssewski, Peter Knaack und Daniel Sträßer, im Publikum ein paar Herren und Damen in fortgeschrittenem Alter. Ganz still hören sie zu, später werden sie selber auf der Bühne Platz nehmen, hinter zwei durchscheinenden Leinwänden aus Gaze, über die Videoprojektionen flimmern mit historischen Aufnahmen antisemitischer Schmierereien, überblendet mit privaten Erinnerungs- und Familienfotos.

Es sind ihre Lebensgeschichten, die auf der Bühne vorgetragen werden. Manches Mal klingen die Stimmen der Schauspielerinnen und Schauspieler brüchig und dünn, noch können sie den Horror nicht überspielen, der den Erinnerungen innewohnt: "Der Geruch der vielen Menschen, die verbrannt wurden, war immer süß. Manches Mal waren es so viele, dass sie nicht alle Platz in diesem Krematorium hatten."

Wer, wenn nicht wir?

Die eigene Geschichte – und die der anderen – zu hören, die Fotos zu sehen, das sei, sagt die ehemalige Ärztin Lucia Heilman und lächelt, schon sehr schwer zu ertragen: "Aber wer, wenn nicht wir?", fragt sie. "Wir müssen es tun!" Reinhold Duschka, der sie und ihre Mutter unter Lebensgefahr vor den Nazis versteckte, wird als einer der Gerechten unter den Völkern in Yad Vashem geehrt.

Es war die Lebensgeschichte der Mutter eines Freundes, die Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann zu diesem Theaterprojekt animierte: Sie war dem Warschauer Ghetto entkommen, weil sie sich, abgemagert und spindeldürr, unter die Frauenleichen gemischt hatte und so aus dem Ghetto transportiert wurde. "Bis zu ihrem Tod sprach sie nie mehr mit einem Deutschen. Ich fand es unendlich traurig, dass man keine Chance hat, die Hand zu reichen, weil der Mensch plötzlich nicht mehr da war. Andererseits stehen mir die Bretter, die die Welt bedeuten, zur Verfügung, um damit und darauf zu spielen – und sie für genau diese Lebensgeschichten zu öffnen."

Nun öffnet er die Burgtheaterbühne – 75 Jahre nach dem "Anschluss", über den der Journalist Ari Rath später schreiben sollte: "Alles, was mir lieb und wichtig war, wurde mir nach dem 11. März 1938 genommen, weil ich Jude bin. Über Nacht wurden wir vogelfrei." Sechs Holocaust-Überlebende sind bereit, auf der Bühne zu sitzen, ihre Lebensgeschichten preiszugeben – im Namen all jener, die nicht mehr reden können, weil sie von den Nazis umgebracht wurden; oder die nach dem Krieg nicht weiterleben konnten und sich selbst töteten. Die siebte Zeitzeugin, die Romni Ceija Stojka, starb heuer im Jänner. Für dieses sukzessive Verschwinden der Zeitzeugen hat Hartmann eine Bühnenmetapher gefunden: Ein Überlebender nach dem anderen steht auf und geht, wenn seine Geschichte zu Ende ist. Leere Sessel bleiben zurück. "Die Bühne ist ein ästhetischer Rahmen. Aber durch Ästhetisierungen kann man die Wahrheit auch verschleiern", benennt Hartmann die Gratwanderung des Projektes.

Vermächtnis

Die letzten Zeugen nennen Hartmann, der Regie führt, und der Schriftsteller Doron Rabinovici, der die sechs autobiografischen Texte zu einer chronologischen Erzählung des Schreckens collagiert hat, den Abend.

"Der Text steht immer im Zentrum, er wird weitergereicht, jüngere Leute, Schauspieler übernehmen ihn wie ein Vermächtnis. Es ist ein Stafettenlauf der Erinnerung", erklärt Rabinovici. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 17.10.2013)