Stephan Nitzl ist Rechtsanwalt bei DLA Piper Weiss-Tessbach.

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Bei Leibesvisitationen am Arbeitsplatz wird die Menschenwürde nicht bloß berührt, sondern sogar verletzt.

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Frage: Darf ein Dienstgeber Taschenkontrollen und Leibesvisitationen bei Mitarbeitern vornehmen?

Diese Frage hat einen sehr aktuellen Bezug, da gerade eine große Elektronik-Handelskette mit ihren Praktiken in das Kreuzfeuer der Kritik geraten ist. Der Grund sind Leibesvisitationen und Taschenkontrollen von Mitarbeitern. Aber auch eine mittlerweile nicht mehr existente Drogeriekette und eine amerikanische Modekette sind bereits in der Vergangenheit mit solchen Vorgehensweisen aufgefallen.

"Menschenwürde"

Grundsätzlich ist zu sagen, dass derartige Praktiken sehr stark in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter eingreifen und daher nicht so ohne weiteres zulässig sind. Taschenkontrollen sind zwar nicht grundsätzlich unzulässig, allerdings handelt es sich dabei aus arbeitsrechtlicher Sicht um Kontrollmaßnahmen, die die "Menschenwürde" berühren. Solche Kontrollmaßnahmen durch den Arbeitgeber sind nur mit Zustimmung des  Betriebsrats zulässig.

Üblicherweise knüpft der Betriebsrat seine Zustimmung an bestimmte Bedingungen, die in der Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festgehalten werden. Beispielsweise vereinbarten Dienstgeber und Betriebsrat einer amerikanischen Modekette in Deutschland (die Rechtslage in Deutschland ist hierbei der in Österreich ähnlich), dass die Mitarbeiter beim Verlassen des Geschäftslokals würfeln mussten. Bei den Dienstnehmern, die eine 4 würfelten, konnte eine Taschenkontrolle vorgenommen werden.

Ohne Betriebsrat muss jeder Mitarbeiter zustimmen

In Betrieben, in denen kein Betriebsrat existiert, ist die Zustimmung eines jeden betroffenen Mitarbeiters einzuholen. Eine derartige Taschenkontrolle ohne Betriebsvereinbarung bzw. ohne Zustimmung des Mitarbeiters, sofern kein Betriebsrat vorhanden ist, ist rechtswidrig.

Noch schwerwiegender ist der Eingriff bei Leibesvisitationen. Hierbei wird die Menschenwürde nicht bloß berührt, sondern sogar verletzt. Derartige Kontrollmaßnahmen sind daher generell unzulässig und rechtswidrig, selbst wenn der Betriebsrat dieser Maßnahme zustimmen würde.

Kündigung oder Entlassung rechtswidrig

Sofern ein Arbeitgeber daher Taschenkontrollen ohne Zustimmung des Betriebsrats bzw. (in Betrieben in denen kein Betriebsrat besteht) ohne Zustimmung des Dienstnehmers, oder aber generell Leibesvisitationen durchführen möchte, hat der Arbeitnehmer das Recht, dies zu verweigern. Eine Kündigung oder Entlassung durch den Arbeitgeber aufgrund dieser Weigerung wäre rechtswidrig und unwirksam. Der Arbeitnehmer könnte in diesem Fall die Kündigung oder Entlassung erfolgreich bei Gericht anfechten. (Stephan Nitzl, derStandard.at, 20.1.2014)