In Hamtramck, Michigan, siedelten sich in den vergangenen Jahren hauptsächlich muslimische Einwanderer an.

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Freitagsgebet in der Al-Islah-Moschee.

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Sonntagsmesse in der katholischen Kirche.

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Eine Demo in Hamtramck gegen den "Islamischen Staat" sowie politischen und religiösen Extremismus im Dezember des Vorjahres.

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Einst zogen Bauern aus Deutschland in diese Gegend, später Arbeiter aus Osteuropa, hauptsächlich aus Polen, als die Autoindustrie in dem nördlichen Vorort von Detroit die ersten Fabriken errichtete. Zuerst verließen die Bauern die Stadt, und nach der Krise der Autoindustrie zogen auch die Arbeiter weg. In den vergangenen 15 Jahren siedelten sich hauptsächlich muslimische Einwanderer aus Bangladesch, Jemen und aus dem ehemaligen Jugoslawien an. Von den 22.000 Einwohnern sind heute etwa die Hälfte Muslime.

Es gibt hier mehr Moscheen pro Einwohner als in irgendeiner anderen Stadt in den USA, und vier der sechs Vertreter im Stadtparlament sind Mitglieder der muslimischen Glaubensgemeinschaft. Einstimmig beschloss die Stadtregierung vor einem Jahr, dass eine Moschee auch per Lautsprecher zum Beten aufrufen darf, so wie jede Kirche mit ihren Glocken läutet. Die Demonstranten, die damals dagegen protestiert haben, kamen mit Bussen aus anderen Städten, die Einwohner aus Hamtramck hatten kein Problem damit.

Unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Traditionen

Karen Majewski, Bürgermeisterin von Hamtramck mit polnischen Wurzeln, versteht die Aufregung nicht. Hamtramck habe keine religiös-muslimische Mehrheit in der Stadtregierung, so wie es zuvor keine katholische hatte. Die Einwanderer aus Asien, Europa und den arabischen Ländern würden – wenn sie auch alle Muslime sind – völlig unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Traditionen vertreten.

Saad Almasmari, 28 Jahre alt, aus Jemen kommend, mit einem Universitätsabschluss in Ökonomie und neugewähltes Mitglied der Stadtregierung, sieht sich als Vertreter aller Bewohner, egal welche Herkunft sie haben und welche Religion sie praktizieren. Es gebe keine muslimische Fraktion, die Religion spiele in der Verwaltung keine Rolle. Die Stadt habe 15 Prozent Arbeitslose, im US-Durchschnitt seien es sechs Prozent. Es gehe um die Reparatur von Straßen, das Funktionieren der Müllabfuhr und einen ausgeglichenen Finanzhaushalt der Stadt – hier sehe er seine Verantwortung. Amerika werde sich daran gewöhnen müssen, dass in dieser multikulturellen Gesellschaft Vertreter aller Religionen politische Ämter übernehmen.

Wir sind alle Amerikaner

Wir sind alle Amerikaner, sprechen auch zu Hause Englisch und versuchen, unseren Kindern eine optimale Ausbildung zu ermöglichen, meint ein anderes muslimisches Mitglied der Stadtverwaltung.

Die Statistik gibt ihm recht. Es gibt kaum Einkommensunterschiede zwischen Katholiken, Protestanten und Muslimen in den USA. Im Unterschied zu Europa konzentriert sich die Herkunft nicht auf wenige Länder: Muslime aus 77 verschiedenen Ländern sind in die USA emigriert. Es gibt muslimische Pfadfindergruppen, muslimische Ärzteorganisationen und eine Gruppe, die sich mit Frauenrechten beschäftigt. In der US-Armee sind 3.500 Muslime. Auch wenn sich die USA wie auch Europa nicht hundertprozentig vor islamischen Terrorgruppen schützen können, unterscheidet sich der Alltag verschiedener Religionsgruppen von jenem in anderen Ländern.

Wer zum Beispiel in Chicago eine der zahlreichen Synagogen, Moscheen, Kirchen oder einen der buddhistischen Tempel besuchen möchte, dem wird ein Unterschied zu Europa sofort auffallen: Vor keinem der Gotteshäuser wird man bewaffnete Sicherheitsorgane finden. (Peter Sichrovsky, 4.11.2016)