Draußen auf dem Land gehört mir ein Stück Rasen zwischen ein paar alten Apfelbäumen. Letztes Jahr beschloss ich, den Rasen nicht mehr zu mähen. Als Schockreaktion auf die Gärten des Grauens, eine Facebook-Seite, die dokumentiert, wie Menschen den Boden um ihre Häuser dicht mit Schotter und Kies bedecken, Metallblumen pflanzen und Bächlein aus Glassplittern fließen lassen: Kein Grashalm, kein Blümlein macht Arbeit, kein Insekt nervt, keine Biene summt, kein Vogelgezwitscher stört. Das ist immer noch nicht verboten, ganze Ortschaften sind schon verschottert, man will weinen.

Ich beschloss, meinen Rasen in eine Blumenwiese zu verwandeln, in der Bienen sich laben, Insekten sich tummeln, Singvögel Nahrung finden können. Allium, Akeleien und Anemonen sollten blühen, Margeriten und Mohn, Goldgarben und glänzend gefiederte Gräser. Ich besorgte Samensäckchen mit den entsprechenden Bildern darauf, verstreute alles auf dem Rasen und ließ die Natur arbeiten.

Zuerst wuchsen Gänseblümchen, Vergissmeinnicht, Himmelschlüssel, leuchtender Löwenzahn, der silbern zerbarst. Schön, schön, wunderschön, der Rasen wurde zu Gras, zu Wiese, der Löwenzahn wucherte, Blumen blühten, nicht unbedingt die von der Saatpackung, aber auch schön.

Wilde Blumenwiesen erfreuen Singvögel, Bienen und andere Insekten.
Foto: Frank Robert

Über allem das gewünschte Bienensummen, Vogelgezwitscher in den Bäumen; ja, genau so. Zwischen den Blumen ein paar saftige Brennnesseln und attraktiv blühende Disteln. Viele Disteln, mehr Brennnesseln, vor allem von den Seiten her, an denen die Wiese an verwachsene Natur grenzt, die mit wilden Brombeeren grüßte.

Stachelige Übermacht

Von der anderen Seite begannen der Flieder und die Zier quitte, sich unterirdisch zu ver mehren, schnell, hoch und dicht. Eine weiße Garbenart machte sich breit, Riesen-Bärenklau, aha, schön eigentlich, leider führt die Berührung bei Sonnenlicht zu schweren Verbrennungen. Mannshohe Brennesseln, Disteln und dornengespickte Brombeeren hatten zwischenzeitlich den größten Teil meiner Wiese über wuchert und verschluckten jeden Apfel, der von den Bäumen fiel. Nur das Drüsige Springkraut blühte tapfer dagegen an, ein eingeschlepptes invasives Gewächs.

Wussten Sie, dass wilde Brombeeren an ihren kilometerlangen Trieben neue Wurzen bilden, mit denen sie sich in die Erde graben? Ich weiß es, seit ich mit zwei Paar Schutzhandschuhen dagegen ankämpfte und verlor. Ich rief schließlich einen Mann an, der das Gestrüpp tagelang mit verschiedenen motorisierten Werkzeugen beschnitt. Danach sah es nicht schön aus, und ich mähte oft, bis das Gestoppel wieder zu einer Art Rasen wurde.

Jetzt habe ich einen Deal mit der Natur: Im Frühjahr blüht’s ein bissl, dann wird gemäht, und Bienen und Insekten müssen sich mit Rosen und Apfelblüte zufriedengeben und mit den stets wuchernden Rändern des Grundstücks.

Für die Vögel gibt es eine Art Running Sushi: eine gekalkte Hauswand, die für Bremsen unsichtbar zu sein scheint. Sie rasen mit vollem Tempo in sie rein und plumpsen dann auf die lange Holzbank davor, auf der von früh bis Sperrstund Vögel verschiedener Arten laut zwitschernd herumhopsen und darauf warten, dass die Wand ihnen frische Bremsen serviert. Die Mahlzeit ist stets reichlich: Bon appétit. (Doris Knecht, 21.7.2019)

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