Die Corona-Pandemie führt auch in eigentlich verhältnismäßig gut abschirmbaren Gebieten wie dem pazifischen Inselraum zu komplexen Problemen.

Zwar ist es auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden südpazifischen Insel Bougainville bisher noch nicht zu einem Nachweis des Virus gekommen. Von zuletzt 316 Verdachtsfällen konnten bisher 301 Personen wieder als Corona-frei eingestuft werden. Die übrigen stehen unter Beobachtung. Doch auf Bougainville existiert keine Infrastruktur, um Tests zum Nachweis des Virus durchführen zu können. Dies ist nur in Papua-Neuguineas Hauptstadt Port Moresby möglich. Flüge sind in Zeiten des Notstands jedoch rar: So musste das Covid-19-Team Bougainvilles sich gedulden, um die Proben von zwei Verdachtsfällen ausfliegen zu können.

Zwei Fälle bestätigt

In Papua-Neuguinea selbst sind bisher zwei positive Fälle bestätigt worden. Die Regierung in Port Moresby rief am 23. März den Notstand aus, nachdem ein ausländischer Mitarbeiter eines Minenunternehmens positiv getestet worden war. Der Mann war zehn Tage zuvor eingereist und hatte sich in Spanien aufgehalten.

Im autonom regierten Bougainville wurde am Mittwoch der Notstand um zwei Monate ausgedehnt. Ursprünglich hätte er am Montag enden sollen, nun dauert er bis Mitte Juni.

Bremsung auf dem Weg in die Unabhängigkeit

Die Seuche trifft Bougainville in einem entscheidenden Moment in seiner Geschichte: im Dezember war eine Abstimmung über die Unabhängigkeit von Papua-Neuguinea abgehalten worden, mehr als 98 Prozent stimmten dabei für die Abspaltung. Das Referendum ist Schlusspunkt einer nach einem blutigen Bürgerkrieg getroffenen Friedensvereinbarung. Es nicht rechtlich bindend, die letztgültige Entscheidung liegt beim Parlament von Papua-Neuguinea. Die Zentralregierung in Port Moresby und die autonome Regierung Bougainvilles befinden sich daher nun am Beginn eines Verhandlungsprozesses über das weitere Procedere.

Just in diese Zeit fällt jedoch der Termin für die alle fünf Jahre abzuhaltenden Generalwahlen in Bougainville, bei denen der Präsident und die Mitglieder des Parlaments neu bestimmt werden. Zuletzt wurde zwischen 11. und 25. Mai 2015 gewählt. Der Wahltermin im Mai fiel nun dem Notstand zum Opfer.

Wahl soll im Juni nachgeholt werden

Am Donnerstag will die autonome Regierung Bougainvilles ihre Entscheidung über einen neuen Wahltermin treffen. Der Minister für die Umsetzung der Friedensvereinbarung, Albert Punghau, erklärte, dass die Wahl wohl ab 8. Juni abgehalten werde. Damit würden sowohl der Wahlkampf als auch die Abstimmung noch in die Phase der Notstandsregelungen fallen.

Zusätzlich verkompliziert wird die Situation vor der Wahl durch den Umstand, dass Präsident John Momis nach zwei Amtszeiten eine weitere anhängen möchte – eine neuerliche Kandidatur ist aber gemäß der Verfassung nicht zulässig. Der Präsident agumentiert jedoch, dass Teile der Bevölkerung seinen Verbleib wünschten und für die Verhandlungen über die Unabhängkiet Kontinuität nötig sei. Eine Änderung der Verfassung hatte das Parlament Bougainvilles zuletzt aber abgelehnt. Momis versucht daher beim Höchstgericht Papua-Neuguineas in Port Moresby, die Entscheidung des Parlaments zu kippen.

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John Momis gibt beim Unabhängigkeitsreferendum seine Stimme ab. Der Präsident möchte ein drittes Mal für das Amt antreten.
Foto: aP

Diese sei ungültig, da der Parlamentspräsident Simon Pentanu bei der Abstimmung drei ehemalige Rebellen aus dem Bürgerkrieg teilnehmen ließ. Deren Mandat sei jedoch gemäß der Friedensvereinbarung mit der Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums erloschen. Außerdem sei nach dem Tod eines Abgeordneten ein Sitz vakant gewesen, weswegen die für einen Beschluss nötige Mehrheit mit 27 Abgeordneten falsch festgesetzt worden war.

Maßnahmenkatalog

Die autonome Regierung Bougainvilles veröffentlichte am Sonntag einen umfassenden Maßnahmenkatalog für die Zeit des Notstandes. Mit dabei sind Beschränkungen der Reisefreiheit ebenso wie Kontaktbeschränkungen und Auflagen für Handel und Serviceleistungen. Sogar der Handel und Transport von Betelnüssen wurde explizit bis zum Ende des Notstandes verboten.

Auf die Wirtschaft der Insel werden die Notstandsmaßnahmen desaströse Folgen haben. Schon jetzt ist Bougainville weitgehend von Geldern aus Papua-Neuguinea und internationalen Finanzierungen abhängig. Die Einschränkungen beim Transport führen nun auch zu Nahrungsmittelengpässen in dem Gebiet, das auf Importe angewiesen ist. Besonders betroffen sind dabei umliegende Inseln und Atolle wie die Insel Nissan, wo ungewöhnlich starke Regenfälle die Ernte zerstört haben. Mehrere Kinder haben sich hier schon verletzt, weil sie auf hohe Bäume kletterten, um Früchte zu sammeln. Auch im Süden Bougainvilles sind Menschen aufgrund von Überflutung auf Unterstützung angewiesen.

Giftiges Erbe in Panguna

Die seit Jahrzehnten stillstehende Kupfermine in Panguna, die der entscheidene Auslöser des Bürgerkrieges war, könnte Bougainville aus der Wirtschaftkrise helfen. Doch die für die Wiedereröffnung nötige Behebung der Altlasten der Mine – in den Bereichen der Menschenrechte, der Umwelt und natürlich der Verteilung der Einkünfte – wird bedingt durch Corona natürlich auch nicht gerade beschleunigt.

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Die durch die Pangunamine verursachten Schäden belasten bis heute die Umwelt und vergiften die Gewässer der Umgebung.
Foto: Reuters/Human Rights Law Centre

Während noch immer Unklarheit darüber herrscht, wie die künftigen Gewinne aus der Mine aufgeteilt werden müssen, sind die Umweltschäden aus der Zeit des Abbaus zwischen 1972 und 1988 durch den britisch-australischen Konzern Rio Tinto noch immer eine schwere Last für die Insel.

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Unterhalb der Pangunamine sind die Schäden in Form gewaltiger Abraumhalden entlang der Flüsse deutlich sichtbar.
Foto: Reuters/Human Rights Law Centre

Zwar hat Rio Tinto seine Anteile an der Tochterfirma Bougainville Copper Ltd (BCL) den Regierungen Papua-Neuguineas und Bougainvilles übertragen. Das australische Human Right Law Centre mahnte jedoch kürzlich, Rio Tinto sei immer noch für die Beseitigung der schäden verantwortlich. In dem Bericht "Nach der Mine: Leben mit Rio Tintos tödlichem Erbe" dokumentiert die Menschenrechtsorganisation die Folgen, mit denen die um die Mine ansässige Bevölkerung bis heute zu kämpfen hat.

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Für die ansässige Bevölkerung birgt das Erbe der Mine mannigfaltige Gefahren, unter anderem in Form von giftigem Wasser und rutschenden Hängen.
Foto: Reuters/Human Rights Law Centre

Rio Tinto steht auf dem Standpunkt, seinerzeit die geltenden rechtlichen Bestimmungen befolgt zu haben. Seit der durch den Bürgerkrieg erzwungenen Einstellung der Abbautätigkeit Ende der Achtzigerjahre sei die Mine für Konzernangehörige nicht mehr betretbar gewesen, hieß es in einer Reaktion auf den Bericht. (Michael Vosatka, 14.4.2020)