Sie können sich ein Leben lang mit Reiswein beschäftigen und immer noch nicht alles über ihn wissen. Weil das eine Koch- und keine Trinkkolumne ist, geht es hier vor allem um chinesischen Reiswein zum Kochen oder das, was ich hier oft als "Shaoxing-Wein" bezeichne (siehe weiter unten).

Shaoxing-Wein kann Saucen Tiefe und Komplexität verleihen, als natürlicher Geschmacksverstärker wirken, oder kantige Aromen mit seiner herben Süße zähmen. Nicht schlecht für etwas, was wenige Euro den halben Liter kostet und in fast jedem Asialaden zu haben ist.

Er schmeckt deutlich oxidiert (wie etwa Sherry oder Madeira), leicht nussig, ein wenig süß, mitunter ein wenig salzig, sehr "umami" – kurz, nach vielem, was man gern in seinem Essen haben will.

Was ist Shaoxing-Wein?

Shaoxing-Wein ist eine bestimmte Art von Reiswein. Wie schon bei der Sojasauce gibt es auch bei Reiswein grob zwei große Schulen: die chinesische und die japanische. Und wie schon bei der Sojasauce haben die Japaner die Technik zwar von den Chinesen gelernt, sie dann aber perfektioniert und auf die Spitze getrieben.

Das, was bei uns im Asiashop steht, ist fast immer chinesischer Huangjiu, sogenannter "gelber Wein", der seine Farbe entweder der Zugabe von Karamell (billige Ware) oder längerer Lagerung (Qualitätsprodukte) verdankt.

Foto: Tobias Müller

Shaoxing-Wein ist eine Form des Huangjiu, die aus Klebreis gemacht wird. Er verdankt seinen Namen der Stadt Shaoxing, ein paar Stunden südwestlich von Schanghai. Stadt und Umland sind sumpfig, von zahlreichen Kanälen durchzogen und seit Jahrhunderten eines der wichtigsten Zentren der chinesischen Reisweinproduktion.

Japanischer Reiswein wird unter dem Begriff Sake zusammen gefasst. Wer sich näher dafür interessiert, kann sich diese schöne Doku anssehen.

Wie wird Reiswein hergestellt?

Wie so oft bei asiatischen Köstlichkeiten beginnt alles mit Getreide und Schimmel. Geschälter Reis (also kein Naturreis) und gelegentlich weitere Getreidekörner, etwa Weizen oder Hirse, werden gedämpft oder gekocht, dann mit verschiedenen Schimmelkulturen und Hefen geimpft und mit Wasser gemischt.

Foto: Tobias Müller

Die Schimmelpilze zerlegen die Stärke im Reis in Zucker, die Hefen verdauen diesen Zucker und wandeln ihn in Alkohol um. Wie immer, wenn Mikroorganismen am Werk sind, entsteht dabei jede Menge Geschmack und Aroma.

Foto: Tobias Müller

Die Gärung dauert je nach Qualität des Weins ein paar Tage bis Monate. Je kälter die Temperatur dabei ist (und je langsamer damit die Gärung läuft), desto besser wird der Wein – die traditionelle Zeit für die Herstellung von Reiswein ist daher der Winter.

Foto: Tobias Müller

Nach der Gärung wird die Flüssigkeit – der Reiswein – abgepresst, die Maische kann etwa für Desserts oder zum Würzen verwendet werden. Wie es dann mit dem Wein weitergeht, kommt darauf an, was damit geschehen soll: Billige Reisweine und solche zum Kochen werden pasteurisiert, mitunter mit Karamell gefärbt (für die braune Farbe), manchmal mit Salz gewürzt und abgefüllt – fertig ist die Würze.

Gute chinesische Reisweine hingegen dürfen mehrere Jahre, mitunter Jahrzehnte, reifen, bis sie auf den Markt kommen. Anders als für Traubenwein werden dafür meist Ton-Amphoren verwendet, die ein wenig an Urnen erinnern. Auch diese Weine sind braun, allerdings haben sie ihre Farbe nicht vom Karamell, sondern von Maillard-Reaktionen, die über die Jahre ganz langsam ablaufen.

Foto: Tobias Müller

Sake wird ähnlich hergestellt wie chinesischer Reiswein, allerdings gibt es drei wesentliche Unterschiede: erstens werden für chinesische Reisweine drei verschiedene Schimmelpilze verwendet, während Sake nur mit Aspergillus oryzae gemacht wird. Zweitens wird der Reis für Sake meistens viel mehr poliert als für chinesischen Reiswein – kurz, es wird mehr Stärke, weniger Schale verwendet. Und drittens wird Sake traditionell nicht gereift, sondern jung getrunken.

Ist Reiswein dann nicht eher Reisbier?

Jein. Reiswein machen ist dem Prozess des Bierbrauens ähnlicher als dem des Weinmachens: in beiden Fällen wird aus Getreide und Wasser ein alkoholisches Getränk gemacht. Der Unterschied ist, dass beim Reiswein Schimmelpilze (bzw. deren Enzyme) dafür sorgen, dass die Stärke in Zucker zerlegt wird. Beim Biermachen übernehmen getreideeigene Enzyme diesen Job (Reiswein verhält sich damit zu Bier ein wenig wie Fischsauce zu Sojasauce).

Beim Reisweinmachen wird außerdem die Maische mitvergoren, der Reis bleibt bis zum Schluss der Gärung in der Flüssigkeit, erst danach wird er abgepresst. Beim Biermachen hingegen wird nur die Flüssigkeit ohne die Feststoffe vergoren.

Welches Genie ist zuerst auf die Idee gekommen, Reiswein zu machen?

Die Ursprünge des Reisweins liegen, wie auch jene des Traubenweins, ein wenig im Dunklen. Ziemlich sicher ist, dass Reiswein als Hirsewein begonnen hat und wahrscheinlich nicht ganz so alt ist – Schätzungen schwanken zwischen viertausend und dreitausend Jahre (Traubenwein: 5000). Hirse war lange das wichtigste Getreide Südostasiens, bis heute wird daraus in China Wein und vor allem Schnaps (Baiju, der meistgetrunkene Schnaps der Welt) gemacht.

Um 300 vor Christus dürfte die Technik des Reisweinmachens von China nach Japan gekommen sein. Manche Historiker spekulieren, dass sich seine Erfindung einem Zufall verdankt: Irgendwann dürften Menschen bemerkt haben, dass gekochtes Getreide, das zu schimmeln begonnen hat, angenehm süßlich und alkoholisch schmeckt. Der Rest ist eine Frage von Experiment, Geduld und einem starken Magen.

Wie erkenne ich guten Shaoxing-Wein?

Koch-Reiswein muss, so wie Kochwein, glücklicherweise nicht großartig sein – nicht übel reicht völlig aus. Wie immer gilt: Lesen Sie die Zutatenliste. Der Reiswein sollte möglichst nichts enthalten außer Reis, Wasser, und eventuell etwas Weizen. Ein wenig Karamel und Salz sind auch kein Drama.

Ich bestelle meinen Shaoxing-Wein zum Kochen gern hier, ansonsten greife ich zu jenen Produkten im Asiashop, die möglichst wenige Zusätze enthalten.

Gibt es auch richtig gute Reisweine?

Und wie! Die Großen brauchen sich geschmacklich vor der Traubenkonkurrenz nicht zu verstecken: Ich habe einen besonderen Reiswein einmal einer Runde sehr erfahrener Weinkoster zur Blindverkostung mitgebracht. Sie konnten sich nicht einigen, worum es sich handelte (die meisten tippte auf Madeira) – aber keiner zweifelte daran, dass es sich um Traubenwein handelte.

In Österreich ist so was sehr schwer zu bekommen. Groszer Wein verkauft einen jahrgangsreinen, spontan vergorenen, biologisch hergestellten, zwölf Jahre gereiften Single Rice Field Wein aus Shaoxing in einer spektakulären Tonflasche. Er schmeckt nach gerösteten Walnüssen und Marzipan, mit einer zartbitteren Würze, sanfter Säure und lieblichen Molasse-Tönen, ohne unangenehm süß zu sein. Er hat feine oxidierte Noten und einen süchtig machenden Umami-Ton. Kostet allerdings auch 124 Euro die Flasche.

Kann Reiswein schlecht werden?

Kaum. Im Gegensatz zu Wein schmeckt er von Haus aus oxidiert, wenn er länger offen herumsteht, schadet ihm das also nicht sehr. Wie bei den Saucen gilt aber auch hier: Besser wird er mit der Zeit auch nicht. Circa sechs Monate ist ein gutes Zeitfenster, um ihn aufzubrauchen, wenn die Flasche einmal offen ist. Schimmelt er, muss er natürlich weg (in den Abguss, nicht den Koch).

Was mache ich mit Shaoxing-Wein?

Wenn er gut ist: trinken. Sowohl in Japan als auch China werden günstige Land-Reisweine meist warm serviert, hochwertige Reisweine werden eher kalt getrunken.

Shaoxing-Wein zum Kochen ist im Glas eher nicht erfreulich, dafür kann er im Topf hervorragend sein. Er gibt Gerichten eine angenehm alkoholisch-würzige Note, ähnlich unserem Sherry, der auch gern als Ersatz empfohlen wird. Im Umkehrschluss macht er überall dort eine gute Figur, wo sonst Sherrry hineinkommt.

In China wird er gern verwendet, um starke, als etwas unangenehm empfundene Aromen wie intensives Schwein oder getrocknete Shrimps zu bändigen – beides wird oft vor dem Kochen/Braten/Dämpfen im Wein mariniert.

Foto: Tobias Müller

Besonders reichlich wird er für eine Klasse an Gerichten verwendet, die als "betrunken" bezeichnet werden. Dafür werden Meresfrüchte, etwa Shrimps und Muscheln, lebend in Reiswein mariniert. Der Alkohol tötet die Tiere, über die folgenden Tage saugen sie sich immer mehr mit der Flüssigkeit voll. Wem das zu wild ist: hier eine wie immer unvollständige Liste an Verwendungsmöglichkeiten.

  • Zum Marinieren von Zutaten, vor allem Schweinefleisch, Fisch und Meeresfrüchte (oft gemeinsam mit anderen Gewürzen)
  • Zum Ablöschen der Pfanne für eine schnelle Pfannensauce
  • Als Teil einer Sauce
  • Zum Schmoren von Gerichten
  • Zum Würzen von Suppen
Foto: Tobias Müller

"Gruß aus der Küche"-Rezepte mit Reiswein:

Die Woche gibt's leider kein eigenes Rezept, dafür aber wie gewohnt einiges aus dem Archiv:

Rot gekochter Schweinebauch

Hausgemachte Baozi mit Stelzenfüllung

Nudeln mit Frühlingszwiebel-Öl

Speckbohnen, fast serbisch

Coq au Reiswein

Selbst gemachte Wontons

Gedämpfter Fisch, Teochew Art