Im Rechnungshof hat man mit der Überprüfung des Corona-Managements gut zu tun.

Foto: Matthias Cremer

Eigentlich, so stellte der Rechnungshof (RH) fest, hätte Österreich eine gute Ausgangslage gehabt, um den Überblick über das Pandemiegeschehen zu behalten. Nur: Die Möglichkeiten wurden nicht ausgeschöpft. Und nicht nur das, wie der neueste Bericht mit dem Titel "Gesundheitsdaten zur Pandemiebewältigung im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie" zeigt.

Als das Prüforgan einen Blick darauf warf, wie in Österreich gegen die Pandemie gekämpft wurde und wie man sie im Auge behielt, stieß man auf einige Mängel; etwa im Contact-Tracing, in der Bezahlung von Amtsärztinnen und Amtsärzten und – wie so oft in Österreich – in föderalistischem Vorgehen. DER STANDARD fasst an dieser Stelle zusammen, wo der RH Probleme sieht und woraus man lernen kann.

Die Eckpunkte des Berichts

  • Im Epidemiologischen Meldesystem (EMS) habe man das Potenzial zur Erfassung und Beobachtung der Krankheitsverläufe und der Absonderungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft, schreibt der RH: "Insgesamt wurde das EMS nicht ausreichend befüllt." Es hätte etwa geholfen, wenn der Beginn einer Absonderung verpflichtend im EMS zu erfassen gewesen wäre. Nachdem das nicht passiert sei, sei es wesentlich erschwert gewesen, einen Überblick über die Virusausbreitung zu behalten.

  • Eng damit verknüpft ist auch, dass das Contact-Tracing in Österreich monatelang quasi nicht existent war. Besonders im Herbst 2020 war bei den allermeisten Corona-Fällen nicht mehr klar, welchem Cluster sie zuzuordnen sind. Grund dafür sind laut RH technische und personelle Probleme, dadurch seien viele Anrufe nie bearbeitet worden: "In Oberösterreich kamen zum Beispiel im März 2020 von 126.000 Anrufversuchen nur 55.600 tatsächlich zustande." Doch auch im Sommer 2020 habe man es noch verabsäumt, "eine hinreichende Personalplanung" aufzustellen.

  • Der RH kritisiert außerdem, dass das Epidemiegesetz – es stammt aus dem Jahr 1950 und wurde zu Beginn der Pandemie quasi reaktiviert – nicht einheitlich umgesetzt wurde. Er nennt Beispiele: "Während der Bescheid der BH Salzburg-Umgebung Besuche untersagte, verbot der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ungeschützten Kontakt zu nicht im selben Haushalt lebenden Personen. Der Bescheid des Magistrats Wien ordnete an, Kontakte generell zu vermeiden." Der RH schlägt klare Vorgaben und eine einheitliche Bescheidpraxis vor.

  • Noch immer kommen die Corona-Zahlen in Österreich teilweise unvollständig oder gar nicht. Der laxe Umgang mit Daten zur Pandemie habe laut RH auch das Vertrauen der Bevölkerung geschmälert. "Unterschiedliche Stellen des Bundes und die Länder veröffentlichten in unterschiedlichen Formaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten Daten", das habe das Vertrauen in die Richtigkeit der Daten geschmälert – und damit die Glaubwürdigkeit der Behörden. Daten sollte abgestimmt veröffentlicht werden. Das galt lange auch für die Zahlen zu Bettenkapazitäten. Auch da seien bis November 2020 die kommunizierten Daten bundesweit uneinheitlich gewesen – bis es zu einer Umstellung der Meldeschiene gekommen sei.

  • Der RH griff außerdem neuerlich das Thema Personalmangel bei Amtsärzten und Amtsärztinnen auf. Denen käme eine "zentrale Rolle bei der Bewältigung der Pandemie" zu, dennoch seien Stellen oft nicht zu besetzen. Gründe dafür: das Gehaltsniveau und die "fehlende Modernisierung des Berufes". Das amtsärztliche Personal könnte allerdings im Zuge der Impfpflicht noch weiter unter Druck kommen: Immerhin ist noch nicht völlig vom Tisch, dass sie allein dafür zuständig sein könnten, Impfpflicht-Befreiungsatteste auszustellen.

  • Vor allem in der ersten Pandemiewelle wurden deutlich weniger ärztliche Behandlungen in Anspruch genommen als normalerweise. Was das für Konsequenzen hat, vermag der RH allerdings nicht zu beurteilen. Er schreibt: "Mangels Routinedaten und mangels eines Konzepts zur Begleitforschung konnten weder das Gesundheitsministerium noch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) Angaben zu den gesundheitlichen Folgeschäden machen." Doch er liefert Zahlen. So fanden 2020 etwa 6,55 Millionen ärztliche Konsultationen und rund 135.000 Vorsorgeuntersuchungen weniger statt als noch im Jahr davor. Am stärksten war der Rückgang der E-Card-Konsultationen mit 12,5 Prozent in der Kinder- und Jugendheilkunde. Außerdem waren die fondsfinanzierten Krankenanstalten um ganze 1,8 Millionen Tage weniger belegt als im Jahr davor – davon betreffen 32.000 Tage Intensivstationen. 14 Prozent betragen Krebserkrankungen.

Bisherige Berichte und Selbstkritik

Schon im September berichtete DER STANDARD über den unveröffentlichten Rohbericht, der dem nun publizierten Bericht inhaltlich zugrundeliegt – in der Zwischenzeit wurden auch die Stellungnahmen der betroffenen Stellen zur Kritik aus dem Rohbericht eingeflochten. So stimmte etwa das Gesundheitsministerium dem RH zu, dass es "Verbesserungen in Bezug auf eine erleichterte und qualitative, vollständige Erfassung von Meldungen zu erreichen" brauche. Außerdem räumte das Ministerium ein, es sei "unvermeidbar, dass es zu leicht unterschiedlichen Prozessabläufen komme" – es brauche aber auch Flexibilität und regionale Spielräume. Der Dachverband der Sozialversicherungsträger hielt in seiner Stellungnahme fest, "die Weiterentwicklung von strukturierten Gesundheitsdaten unter Berücksichtigung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Regelungen zu befürworten".

Und auch zuvor beschäftigte der RH sich mit Corona-Themen: Im August kritisierte er die schwer verständliche Berechnung des Härtefallfonds und die mehrfachen Änderungen von Förderrichtlinien. Und vor der Pandemie? Da forderte der RH jahrzehntelang dazu auf, die Zahl der Akut- und Intensivbetten in den heimischen Spitälern zu reduzieren – allerdings wurden die Ratschläge nur ansatzweise befolgt. Das hatte dennoch Folgen, so konnte etwa im März 2020 das Bundesheer bei der damals drohenden Knappheit an Spitalsbetten nicht mit militärischen Notfallbetten aushelfen – diese hatte man auf Drängen des Rechnungshofes vor Jahren abgebaut.

Der RH kündigte kurz darauf an, man wolle die eigenen bisherigen Ansätze neu bewerten. "Ganz Österreich wird seine Lehren aus der Corona-Krise ziehen müssen. Da ist der Rechnungshof keine Ausnahme", hieß es von RH-Präsidentin Margit Kraker. Zum aktuellen Bericht heißt es von Kraker: "Es geht mir als Rechnungshof-Präsidentin nicht darum, besserwisserisch Kritik zu üben. Wichtig ist aber, dass wir für die Zukunft lernen." (Gabriele Scherndl, 17.12.2021)