Wenn es aussichtslos ist, ein Ziel auf direktem Weg zu erreichen, muss man einen Umweg gehen. Diese Überlegung steckt hinter dem Vorschlag von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem zufolge die Teilnehmerstaaten im EU-Schengenraum ein neues Format einführen sollen: den informellen Schengen-Rat.

Emmanuel Macron möchte den informellen Schengen-Rat einführen.
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Er will die Sicherheit in Europa erhöhen und eine besser geregelte Asyl- und Migrationspolitik erreichen. Die Idee ist, dass sich die Innenminister der betroffenen Länder mit offenen Binnengrenzen und gemeinsamen Außengrenzen jenseits des formellen EU-Ministerrats treffen. Einer oder eine von ihnen soll für längere Zeit zum Gruppenchef gewählt werden.

Als Vorbild schwebt Paris die "Eurogruppe" der Finanzminister vor. Diese Formation war in EU-Verträgen nicht vorgesehen, als sie vor 20 Jahren eingeführt wurde, und war zunächst umstritten. Länder, die den Euro nicht einführten, Großbritannien voran, fürchteten eine Abwertung des EU-Finanzministerrats. Vertreter der reinen EU-Lehre warnten vor der Schwächung von Kommission und Gemeinschaftsrecht.

Aber in der Finanzkrise ab 2008, bei Milliardenhilfen für Griechenland, zeigte die Eurogruppe, dass Umwege manchmal besser sind als ständige Blockaden in EU-Räten. Letztere gibt es seit Jahren bei allem, was mit Migration, offenen Grenzen, Außengrenzschutz, Verteilung von Asylwerbern, Kampf gegen kriminelle Banden oder geregelter Zuwanderung zu tun hat. Wenn ein Schengen-Rat nationale Lähmungen überwindet und Kompromisse der Regierungen bringt, wäre er sinnvoll. (Thomas Mayer, 4.2.2022)