Wollte eigentlich bald die politische Pension antreten: Johannes Rauch.

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Nach etwa einem Jahr Pandemie ging Rudolf Anschober als Gesundheitsminister die Kraft aus, so auch seinem Nachfolger Wolfgang Mückstein. Am Donnerstagnachmittag trat der 47-Jährige zurück. Einen solchen Spitzenjob könne man nur ausüben, "wenn man jeden Tag 100 Prozent geben kann", erklärte Mückstein. Das sei für ihn nicht mehr möglich gewesen.

Nun steht mit Johannes Rauch bereits der dritte grüne Gesundheitsminister parat – DER STANDARD porträtierte ihn ausführlich. Der 62-jährige Vorarlberger Landesrat für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität wollte sich eigentlich mit Ende der Legislaturperiode 2024 vollends aus der Politik zurückziehen. Nun folgte allerdings der Ruf aus Wien.

Respekt für Mückstein

In "wahrlich bewegten Zeiten – eigentlich in dramatischen Zeiten" – präsentierte Grünen-Chef Werner Kogler Freitagmittag den neuen Gesundheitsminister Rauch, der kurz davor einstimmig vom erweiterten Bundesvorstand der Partei bestätigt worden war. Gerade in diesen Zeiten sei es wichtig, sagte Kogler, dass Entscheidungsträger ihr Amt in voller Kraft ausüben können. Er habe "tiefen Respekt und Bewunderung" für den einen Tag vorher zurückgetretenen Mückstein, dem er außerdem für seinen Einsatz dankte und seine Erfolge im Ressort nochmals kurz zusammenfasste.

Man müsse Mücksteins Entscheidung zur Kenntnis nehmen. Es sei sehr "eindrücklich und eindringlich," was er gesagt habe, ging Kogler auf die Bedrohungen gegen den ehemaligen Minister und seine Familie ein, von denen dieser in seiner Rücktrittsrede erzählt hatte. "So soll es in dem Land nicht weitergehen", sagte Kogler. In dem "feindseligen Klima" seien auch Wissenschafterinnen bedroht worden. Es seien "Folgen einer völlig fehlgeleiteten Auseinandersetzung", und da müsse man gemeinsam etwas dagegen tun.

Vorschusslorbeeren für Rauch

Dass Rauch einstimmig gewählt worden ist, zeige, dass die Grünen geschlossen seien. Rauch habe Tiefgang und Weitblick, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit. "Jemand, der klare Worte sprechen kann und wird", sagt Kogler, was wohl durchaus als eine Ansage an den Koalitionspartner verstanden werden kann. Rauch sei auch jemand, "der mit politischen Widerständen umzugehen weiß", beharrlich in der Sache. Der 62-Jährige sei ein "Urgestein" der Grünen und habe in Vorarlberg viel weitergebracht. Sieben Jahre lang habe er "sehr verbindend und sehr verlässlich" bereits mit der ÖVP in Vorarlberg zusammengearbeitet, stellte Kogler den neuen Minister der Öffentlichkeit vor.

Was hat dieser selbst zu sagen? Es sei ihm komplett unmöglich, damit zu beginnen, über sein Amtsverständnis oder seine Person zu sprechen, weil ihn tief bewege, was in der Ukraine passiere, so Rauch. "Dagegen verblasst ein Ministerwechsel. Die größten Herausforderungen liegen in den nächsten Tagen und Wochen außerhalb Österreichs." Er wolle das "auch aus Respekt vor den Menschen in der Ukraine" an den Beginn seines Statements stellen.

Maßnahmen: "So viel wie nötig und so wenig wie möglich"

Er übernehme ein herausforderndes Amt, "immer noch in der Pandemie, ich betone das. Den Fehler, diese vorschnell für beendet zu erklären, den mache ich sicher nicht", spielte der Landesrat auf die Aussagen von Ex-Kanzler Sebastian Kurz an. Er bedankte sich ebenfalls bei Mückstein. Sein Abgang habe "Format und Stil" gehabt, Mückstein habe ihm außerdem seine ganze Unterstützung bei der Übergabe angeboten.

Eine seriöse Vorbereitung auf Herbst und Winter sei die oberste Priorität, so Rauch. Man habe sich schon einmal in Sicherheit gewogen – "wir sollten dieselben Fehler nicht zwei- oder dreimal machen". Das Virus habe immer wieder überrascht – es gehe allen auf die Nerven, er bekomme das auch selbst im Bekanntenkreis mit. "Aber es nützt nichts, es ist noch da." Es sei deswegen sein Job, darauf zu achten, dass bei den Corona-Maßnahmen "so viel gemacht wird wie nötig und so wenig wie möglich". Es gelte, diese Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu halten. Das sei schwierig und werde den Dialog und das Gespräch brauchen – aber auch klare, nachvollziehbare und transparente Entscheidungen. "Wenn sich die Leute nicht auskennen, kann man keine Pandemie bekämpfen."

Die Politik müsse wissensbasiert, evidenzbasiert und auf der Basis von Fakten entscheiden, so Rauch. Er werde auch die Erfahrung der Bundesländer mitnehmen, die höchst unterschiedlich seien. Wenn man die Vorbereitung für Herbst und Winter schlussendlich nicht brauche, dann seien eh alle froh. Aber wenn man sie brauche, dann werde sie von der Bevölkerung erwartet.

Noch keine Statements zu Öffnungen oder Impfpflicht

Wie er zur Impfpflicht steht und was er von den breiten Öffnungsschritten am Wochenende hält, wollte Rauch noch nicht kommentieren. Nur so viel: Er trage so oft es geht Maske.

Rauch setze außerdem auf die Zusammenarbeit mit den Parteien im Parlament, zumindest mit denen, die sich an der konstruktiven Bewältigung der Pandemie beteiligt hätten. Es sei sicherlich nicht leicht für SPÖ und Neos gewesen, der Impfpflicht zuzustimmen, meinte der designierte Minister.

Abrüsten der Worte

Auch Rauch sprach das feindselige Klima an. Die Tonlage habe sich "massivst verschärft. Wir sind aber nicht im Krieg, Leute." Rauch plädierte für ein Abrüsten der Worte. Ja, es gebe Meinungsverschiedenheiten. Aber es gebe "eine zivilisierte Art und Weise, das auszutragen". Dass sich Menschen Anfeindungen und Bedrohungen aussetzen müssen, gehöre hingegen nicht in die Republik Österreich.

Politik als soziale Arbeit

Weil er aus der sozialen Arbeit komme, wolle Rauch außerdem auch klar als Sozialminister wahrgenommen werden. "Politische Arbeit muss immer auch soziale Arbeit sein." Er wolle jene in den Vordergrund stellen, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. "Armutsbekämpfung ist eine zentrale Aufgabe eines Sozialministers. Da kann man nicht wegschauen, wenn Kinder in Österreich noch immer in Armut leben."

Ein weiterer Schwerpunkt sei außerdem die Pflege. "Ich weiß, dass seit Jahren Reformen gefordert werden." Rauch habe auch die Leistung des Pflegepersonals wahrgenommen. Er wolle möglichst rasch Maßnahmen auf den Weg bringen, die für Entlastung sorgen – und die möglichst viele Menschen in den Beruf bringen, "und zwar zu guten Rahmenbedingungen". Auch die anderen Aufgaben seines Ressorts wie Tierschutz oder Konsumentenschutz seien nicht an den Rand gestellt. Das gelte auch für das Thema Gewalt gegen Frauen – dem könne man nicht achselzuckend zuschauen, sagt Rauch.

Wechsel "aus ganzem Herzen"

Er freue sich auf den Perspektivenwechsel, sagte Rauch zum Wechsel vom Landhaus in Bregenz nach Wien. "Und nein, es ist nicht so, dass ich mir das Amt antue. Wenn ich Ja sage, dann mache ich das aus ganzem Herzen und aus voller Kraft." Bedenkzeit für den Jobwechsel habe er nur eine kurze gehabt. "Ich habe dann aber gesagt, es ist Zeit, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen."

Er trete das Amt mit dem Anspruch an, mehr an Gemeinsinn, Solidarität und Gerechtigkeit herzustellen. Er wisse, dass es keine Schonfrist gebe – und auch, dass er nicht alle Probleme lösen könne. Er wolle aber sein Bestes geben.

Mit der ÖVP wolle er "konstruktiv, um es in einem Wort zu sagen", zusammenarbeiten. Er sei jemand, der Kompromisse suche. Er kenne die ÖVP außerdem gut, er habe in Vorarlberg mitregiert und wisse, was das bedeute. "Mit allen Schwierigkeiten." (Lara Hagen, Jan Marchart, 4.3.2022)