Der Ruf nach Entlastung von hohen Energiepreisen wurde zuletzt immer lauter. Bei einem runden Tisch im Bundeskanzleramt diskutierten Wirtschaftsforscher, Vertreter der Energiewirtschaft und die Spitzenpolitik über mögliche Maßnahmen zur Abfederung. Ein "Faktencheck" wie es nach dem Gipfel hieß. "Im nächsten Schritt beraten wir in den kommenden Tagen auf politischer Ebene, welche Maßnahmen wir setzen können, um diese Teuerung abzufedern", richtete Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) danach aus.

Die hohen Energiekosten sind nicht nur für einkommensschwächere Haushalte ein Problem, sie setzen auch Betriebe gehörig unter Druck. Die Regierung will neuerlich Maßnahmen ergreifen.
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Die SPÖ warf Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) Untätigkeit vor. "Seit Dezember ist Brunner nun im Amt, bisher ist nichts passiert", kritisierte der SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried. Die Neos pochen einmal mehr auf die Abschaffung der Kalten Progression und lehnen die "Gutschein"-Mentalität der Regierung ab.

Die Industriellenvereinigung (IV) drängt auf rasche Strompreiskompensation, Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer auf eine Kombination aus Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer zur Entlastung und die Umweltschutzorganisation WWF auf sinnvolle Auswege aus der fossilen Preisfalle, die Think Tank Momentum Institut fordert einen "Energiepreisdeckel" und eine Verdoppelung des Klimabonus.

Wie sehen also die Optionen aus, die Ökonomen und Ökonominnen bereits diskutierten?

STEUERSENKUNG

Eine generelle Senkung der Mehrwertsteuern oder der Mineralölsteuern, wie sie SPÖ, FPÖ oder Arbeiterkammer fordern, wäre rasch und ohne großen Aufwand umzusetzen. Dagegen sprechen sich aber praktisch alle Fachleute aus. Wohlhabendere Haushalte, die viel Energie konsumieren, würden davon am meisten profitieren. Zudem wäre keineswegs gewiss, dass eine Mehrwertsteuersenkung auch bei den Haushalten ankommen würde, argumentiert etwa das Wifo. Eco-Chefin Monika Köppl-Turyna gibt zudem zu bedenken, dass eine Mehrwertsteuerreduktion die Kaufkraft aller befeuern würde, was wiederum die ohnehin hohe Inflation anheizen könnte. Um sozial Schwächere zu entlasten, schlägt das Wifo die temporäre Senkung der Tarifsätze im unteren und mittleren Bereich der Einkommenssteuer vor. Gegen eine Verschiebung der mit 1. Juli geplanten CO2-Steuer sprechen sich alle Fachleute aus, die erwünschten Lenkungseffekte wären perdu.

DIREKTE ZUSCHÜSSE

Eine direkte Unterstützung der Haushalte ist mit dem Energiekostenzuschuss von 150 Euro für alle Haushalte (abgesehen von Topverdienern) bereits auf den Weg gebracht. Für besonders Einkommensschwache gibt es noch 150 Euro dazu. Diese direkte Unterstützung könnte man erhöhen. Aber auch beim Klimabonus, der ohnehin erst in der Vorbereitungsphase ist, könnte man eine höhere Summe einsetzen. Was dagegen spricht: Derzeit gibt es eine leichte Entspannung bei den Energiepreisen, nachdem der Ölpreis gesunken ist. Damit dürfte auch der Strompreis, der etwas zeitversetzt auf die rückläufigen Gaspreise reagiert, sinken. Wie sehr die Haushalte in Österreich die Preissteigerungen spüren, ist also noch gar nicht klar.

ABGABENBREMSE

Dass eine Abfederung angesichts der Preisanstiege schon vor der Eskalation durch den Krieg nötig ist, erkennen alle Ökonomen und Ökonominnen an. Eine indirekte Entlastung der Haushalte wäre nicht nur über Steuern möglich – so könnten die Krankenversicherungsbeiträge vorübergehend gesenkt werden, schlägt das Wifo vor. Eine Entlastung ärmerer Haushalte wäre aber auch sozial gestaffelt über die Familienbeihilfe oder die Arbeitslosenunterstützung denkbar, sagt Eco-Chefin Monika Köppl-Turyna.

Unterstützen, aber dabei die erwünschten Lenkungseffekte im Sinne der Klimaziele nicht konterkarieren und die Inflation nicht zusätzlich befeuern: Die Lage ist komplex.
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Aus Sicht der Fachleute würden solche Schritte der Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale entgegenwirken. Denn auf den Gewerkschaften würde dann weniger Druck lasten, hohe Lohnabschlüsse auszuverhandeln, was die Inflation noch mehr anfachen würde.

ENERGIEABGABE

Besonders wichtig wäre es, Unternehmen zu entlasten, sagt Monika Köppl-Turyna. Denn der hohe Gaspreis, der die hohen Stromkosten verursacht, trifft nicht nur, aber ganz besonders die energieintensive Industrie. Abgesehen vom kurzfristigen Schock für die Betriebe würden die hohen Energiekosten über kurz oder lang bei den Verbrauchern landen. Wie die Kollegen vom Wifo schlägt Köppl-Turyna eine Senkung der Elektrizitätsabgabe vor, auch wenn es dabei EU-rechtliche Vorgaben zu bedenken gilt, wie sie einräumt. Denkanstöße kommen auch aus Brüssel: Energiekommissar Kadri Simson etwa hat vorgeschlagen, die EU-Länder sollten eine Sondersteuer auf Energieunternehmen einheben, die aktuell an den stark steigenden Preisen mitverdienen. Davon hält Finanzminister Magnus Brunner nichts, wie er in der ORF-Pressestunde erklärt. Brunner kann sich allerdings vorstellen, den Einbau von Gasheizungen, früher als 2025 wie im Regierungsprogramm vereinbart, zu verbieten.(Regina Bruckner, 14.3.2022)