ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer (SPÖ) sieht die Kapazitäten der ORF-Redaktionen "am Limit".

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Wien – An die 600 ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, auch in den Redaktionen, gehen in den nächsten Jahren in Pension, hunderte sind zu rekrutieren. Sie werden den ORF und seine Inhalte in den nächsten Jahrzehnten prägen. Strategische Personalentwicklung und eine aktive Rolle des obersten ORF-Gremiums mahnt Stiftungsrat Heinz Lederer da schon lange ein. Am Donnerstag richtet der Stiftungsrat eine eigene Arbeitsgruppe für die Personalstrategie ein.

"Cultural Change, Diversity, Frauenförderung im ORF" heißt die Arbeitsgruppe nun nach einigen Diskussionen im Stiftungsrat schon über ihren Titel.

"House of Excellence" ORF

"Da geht es um die nächste Generation im ORF", sagt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD vor der Sitzung des Stiftungsrats am Donnerstag, um Personal für das Streamingprojekt ORF-Player etwa, in Technik wie Inhalt. Die Projektleitung für den Player hat der ORF zuletzt ausgeschrieben.

Nach Lederers Vorstellungen soll der Stiftungsrat eine aktivere Rolle im Personalbereich spielen, wie schon bei der Erarbeitung der Unternehmensstrategie mit Alexander Wrabetz als ORF-General 2020. Wie dort soll der Stiftungsrat interne und externe Experten zurate ziehen, sagt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD: "Ein House of Excellence, wie es der öffentlich-rechtliche ORF sein muss, lebt von ausgezeichneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern."

Redaktionen "am Limit"

Die Kapazitäten der Redaktionen im ORF sieht Lederer schon jetzt "am Limit" – noch bevor sie den neuen Newsroom beziehen. Dort sollen die bisher getrennten Redaktionen von TV, Radio, Online plus Social Media medienübergreifend zusammenarbeiten.

Für Lederer ist die gemeinsame Führung dieses größten Newsrooms im Land mit voraussichtlich mehr als 400 Journalistinnen und Journalisten noch nicht ausreichend geklärt. "Ich erwarte von Generaldirektor Roland Weißmann, dass er die Organisationsanweisung noch klarer formuliert, bevor er sie in Kraft setzt."

Das noch von Vorgänger Wrabetz (mit Weißmann) entworfene Konzept, über das Weißmann noch mit Betriebsrat und Redakteursrat verhandelte, sieht vor, dass drei Chefredakteure für TV, Radio und Online den Newsroom gemeinsam führen. Für Lederer ungeklärt: "Wer entscheidet am Ende im multimedialen Newsroom?" – insbesondere bei Dissens im Kollektiv der drei Chefredakteure.

Bei der Besetzung des Newsrooms warnt Lederer den ORF-General vor "Sherpa-Diensten für die ÖVP". Der von der SPÖ entsandte Stiftungsrat: "Weißmann kann hier den Beweis antreten, wie er die in seinem Bewerbungskonzept angekündigte Unabhängigkeit lebt."

"Stiftungsrat arbeitet"

Der Stiftungsrat ist – wie der ORF-Publikumsrat – in den nächsten Wochen turnusmäßig neu zu besetzen, im Mai sollen sich die Gremien neu konstituieren. Voraussichtlich wieder mit Mehrheit der ÖVP und großer Mehrheit der Regierungsparteien – die Grünen dürften drei Mandate mehr als bisher (über den Publikumsrat) bekommen.

Lederer betont – auch nach Kritik von "ZiB 2"-Anchor Armin Wolf und des ORF-Redakteursrats an der großteils von Regierungsparteien bestimmten Besetzung – die Funktionsfähigkeit des Stiftungsrats. "Die Strategie-Arbeitsgruppe hat gezeigt, dass der Stiftungsrat inhaltlich sehr gut arbeitet", erklärt er in Richtung "wohlmeinender Kritiker".

Nachsatz: "Der Stiftungsrat muss seine Legitimation verstärkt darstellen." Das zeige er mit dem Schwerpunktthema Personalentwicklung.

Zentrale Fragen und Themen für Lederer sind hier:

  • Neuzugänge, Trainees und Qualifikation in der Belegschaft und auch "Weiterqualifikation". Da gehe es etwa um Perspektiven und neue Betätigungsfelder, er nennt als prominente Beispiele Roland Weißmann und Ingrid Thurnher, die aus dem Journalismus ins Management gewechselt und nun ORF-General und Radiodirektorin sind.
  • "Säumig" ist der ORF-General aus Lederers Sicht bei der Sanierung prekärer Arbeitsverhältnisse im ORF insbesondere für jüngere Journalistinnen und Journalisten. Weißmann müsse hier "zu seinem Wort stehen, dass diese Arbeitsverhältnisse der Vergangenheit angehören".
  • Der Stiftungsrat fordert einen "vernünftigen Umgang mit Leiharbeitskräften" und eine Reduktion dieser Arbeitsverhältnisse. Er verlangt eine Offenlegung der Daten über diese Beschäftigungsverhältnisse.
  • Der ORF müsse – wenn er etwa neue Publikumsschichten ansprechen will – "Zeichen für Diversity" setzen, auch an diese Ankündigung erinnert Lederer den neuen ORF-General. Und der ORF müsse intern für gleiche Bezahlung ("Equal Pay") aller Geschlechter sorgen.

Neuerlich protestiert Lederer – wie in einem Brief an den ORF-General – gegen die Einsparung von 200 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren, wie sie Weißmann angekündigt hat. Lederer kündigt "härtesten Widerstand" an und warnt vor "Horrorszenarien" in der Kalkulation.

Auch für Produktivitätssteigerungen etwa durch Digitalisierung brauche es – teils neu oder zusätzlich – qualifiziertes Personal. (fid, 16.3.2022)