Mantelbrüllaffen (Alouatta palliata) in Costa Rica.
Foto: Jeffrey Arguedas / EPA

Konfliktvermeidung ist eine besonders wichtige Strategie sozialer Lebewesen. Wie diese unter Mantelbrüllaffen in Amerika aussehen kann, zeigt eine aktuelle Studie im Fachjournal "Animal Behaviour": Je mehr Zeit die Tiere für die Nahrungssuche aufwenden mussten, desto länger spielten die erwachsenen Individuen miteinander.

Mantelbrüllaffen spielen beispielsweise, indem sie sich am Schwanz von einem Ast herabhängen lassen und Grimassen schneiden oder den Kopf schütteln. Dies stellt für die Tiere bereits einen hohen Energieaufwand dar, verbringen sie doch die meiste Zeit damit, inaktiv herumzuliegen. Die Lethargie hängt mit ihrem Stoffwechsel und den Nahrungspräferenzen zusammen: Die Affen ernähren sich vor allem von Blättern, die verhältnismäßig wenig Energie liefern. Nur manchmal greifen sie zu Früchten und Blüten.

Alternative zur Fellpflege

Umso mehr interessierte das internationale Forschungsteam, wie viel Zeit die Tiere im Verhältnis zu anderen Aktivitäten für die spielerische Kommunikation aufwandten. Dafür untersuchte es sieben Brüllaffengruppen in den Regenwäldern von Mexiko und Costa Rica. Sie erhoben, wie lange erwachsene Tiere mit anderen Erwachsenen oder mit jüngeren Tieren ihrer eigenen Gruppe spielten und ob sich das im Laufe des Alterns veränderte.

Beim Spielen hängen Mantelbrüllaffen gern kopfüber von Ästen.
Foto: Norberto Asensio

Das ist besonders informativ, weil Brüllaffen keine fixe soziale Rangfolge haben, die ihnen dabei hilft, Konflikte zu bewältigen – wie andere Arten, bei denen Alphatiere das Sagen haben und sich die Gruppe deren Willen fügt, zumindest so lange, bis jemand das dominante Tier herausfordert. Außerdem haben es Brüllaffen eher weniger mit gegenseitiger Fellpflege, die bei manchen Primatenspezies den Zusammenhalt fördert und zur Konfliktvermeidung beiträgt.

Obst macht verspielt

Könnte also bei den Mantelbrüllaffen das Spielen solche sozialen Strategien ersetzen? Ja – das glaubt zumindest das Forschungsteam um Jacob Dunn von der britischen Anglia Ruskin University. "Wir gehen davon aus, dass das Spielen eine wichtige Funktion in der Gesellschaft der Brüllaffen erfüllt, da es Spannungen abbaut, wenn es einen Wettbewerb um knappe Ressourcen gibt", sagt er Evolutionsbiologe. Im Gegensatz zur menschlichen Perspektive auf Spiele gehe es hier weniger um Frivolität oder Erziehung.

Das Team fand heraus, dass die Affen am längsten spielten, wenn sie sich vermehrt von Früchten ernähren. Es ist möglich, dass sie durch das Obst einfach mehr Energie zur Verfügung haben und deshalb auch verspielter sind, als wenn sie nur Blätter zu sich nehmen.

Verspieltere Weibchen

"Wenn dies der Fall wäre, hätten wir allerdings beobachten müssen, dass die erwachsenen Tiere während der Obstsuche mit allen Mitgliedern der Gruppe mehr spielen", sagt der leitende Studienautor Norberto Asensio von der Universität des Baskenlandes. Bei den nahrhaften Früchten handle es sich um eine besonders verteidigenswerte Ressource. In Zeiten, in denen sich die Affen von Früchten ernähren, spielten tatsächlich aber nur erwachsene Affen miteinander. "Da Jungtiere für sie keine Bedrohung oder Konkurrenz an den Obstbäumen darstellen, glauben wir, dass das Spiel unter Erwachsenen ein Mechanismus ist, um Konflikte innerhalb der Gruppe zu lösen."

Außerdem stieß die Forschungsgruppe auf einen Geschlechterunterschied. Weibliche Mantelbrüllaffen spielten nämlich mehr als männliche Vertreter ihrer Art. Das ist bemerkenswert, sagt Dunn: "Wir nahmen an, dass Weibchen weniger spielen, da sie durch den höheren Energiebedarf zur Fortpflanzung eingeschränkt sind." Dies war aber offenbar selbst bei dieser energiebewussten Spezies nicht der Fall. Worauf der Unterschied genau zurückzuführen sein könnte, bleibt noch ein Rätsel. Vielleicht sind die Weibchen im Durchschnitt ja stärker darauf bedacht, Konflikten entgegenzuwirken. (Julia Sica, 17.3.2022)